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Busentführung in Berlin Busentführung in Berlin: Haftbefehl gegen Bus-Geiselnehmer

27.04.2003, 19:09
Der entführte Linienbus steht am 27. April (Archiv) in Berlin auf dem gesperrten Kurt-Schumacher-Platz. Die Geiselnahme wurde unblutig beendet. (Foto: dpa)
Der entführte Linienbus steht am 27. April (Archiv) in Berlin auf dem gesperrten Kurt-Schumacher-Platz. Die Geiselnahme wurde unblutig beendet. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Ob und inwieweit der Beschuldigte psychisch krankt ist, müsse inden weiteren Ermittlungen geklärt werden. Zunächst werde er in dieJustizvollzugsanstalt Moabit gebracht. Falls sich der Verdachtbestätige, dass der Täter krank sei, werde er in einerpsychiatrischen Klinik untergebracht, hatte Retzlaff zuvor erklärt.

   Unterdessen ist eine Diskussion über die Sicherheit in Bussenausgebrochen. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmer kündigte an,sich mit der Schutz-Ausstattung von Bussen zu befassen und diese -wenn möglich - zu verbessern, sagte Sprecher Friedhelm Bien. EinPolizeipsychologe forderte zudem, Busfahrer in Aus- und Fortbildungenauf mögliche Entführungen vorzubereiten. «Wir dürfen Busfahrer mitihrer Angst vor Entführern nicht allein lassen», sagte Adolf Gallwitzvon der Polizei-Hochschule im baden-württembergischen Villingen-Schwenningen. In den zurückliegenden gut zwei Wochen waren inDeutschland drei Busse entführt worden, davon zwei in Berlin undeiner in Bremen.

   Über das Motiv der jüngsten Geiselnahme in einem Berliner Bus derLinie X 21 am Sonntagabend gibt es weiterhin keine Klarheit. LautRetzlaff hoffen die Ermittler durch die Vernehmung des 27-jährigenLibanesen «erste Antworten» zu finden.

   Der Tatverdächtige soll nach Angaben von Zeugen «den Rückzug derIsraelis aus den besetzten Palästinensergebieten» gefordert haben. Erhatte den Bus am Sonntagabend gegen 20.20 Uhr in seine Gewaltgebracht und bedrohte den Fahrer und zunächst acht Fahrgäste miteinem Messer. Eine Familie mit drei Kindern ließ er jedoch schnellfrei. Nach kurzen Verhandlungen stellte er sich ohne weiterenWiderstand der Polizei. Zuvor hatten Spezialeinsatzkräfte den Bus amKurt-Schumacher-Platz umzingelt. Der Staatsschutz ist mit denErmittlungen befasst.

   Der innenpolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, FrankHenkel, forderte dazu auf, die Ausweitung «importierter Kriminalität»frühzeitig zu bekämpfen. Potenzielle Kriminelle müssten stärkerüberwacht und die Zusammenarbeit mit den Botschaften intensiviertwerden. «Berlin darf nicht Schauplatz von Konflikten werden, die ihreWurzeln außerhalb unserer Stadt und Deutschlands haben», sagte er.

   Erst am Freitag hatte in Bremen ein 17-Jähriger einen Bus entführtund 16 Geiseln genommen, bevor er aufgab. Der gebürtige Libanese mitdeutscher Staatsangehörigkeit ist geständig. In Briefen hatte er sichzuvor als «Gotteskrieger» im Kampf gegen Israel bezeichnet. Vor rundzwei Wochen - am 11. April - hatte ein flüchtiger Bankräuber einenLinienbus in Berlin entführt. Nach einer knapp vierstündigenBelagerung stürmten Spezialkräfte das eingekesselte Fahrzeug. DerMann wurde festgenommen, zwei Geiseln kamen frei.

   Nach Angaben des Polizeipsychologen Gallwitz stellenBusentführungen eine zunehmende Bedrohung dar. Der Antrieb zu solchenTaten sei ähnlich wie bei Selbstmordattentaten: «Wut undHilflosigkeit über außenpolitische Bedrohungen und über Probleme wieArbeitslosigkeit und Zukunftsängste bilden häufig den Nährboden»,sagte der Professor. Laut Bien ist es wichtig, potenzielle Nachahmerabzuschrecken. So genannte Trittbrettfahrer müssten wissen, dass einBusentführer noch nie sein Ziel erreicht habe.

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) wies darauf hin, dass ihreFahrer auf kritische Situationen vorbereitet würden und die aktuellenEreignisse bei künftigen Seminaren berücksichtigt würden. So hättendie BVG-Fahrer beispielsweise ein Deeskalationstraining.