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Brandenburg Brandenburg: Totes Kind lag eineinhalb Jahre in der Tiefkühltruhe

Von Peter Jähnel 23.06.2004, 14:51
Ein Streifenwagen der Polizei passiert ein Wohnhaus in Cottbus, in dem in einer Tiefkühltruhe ein totes Kind aufgefunden wurde. Die Leiche eines kleinen Jungen hat möglicherweise eineinhalb Jahre lang in der Tiefkühltruhe der elterlichen Wohnung gelegen. (Foto: dpa)
Ein Streifenwagen der Polizei passiert ein Wohnhaus in Cottbus, in dem in einer Tiefkühltruhe ein totes Kind aufgefunden wurde. Die Leiche eines kleinen Jungen hat möglicherweise eineinhalb Jahre lang in der Tiefkühltruhe der elterlichen Wohnung gelegen. (Foto: dpa) dpa

Cottbus/dpa. - Die Eltern des kleinen Dennis stehen nach demFund seiner Leiche in der Tiefkühltruhe ihrer Cottbuser Wohnung unterdringendem Tatverdacht. Das Amtsgericht Cottbus erließ am Mittwochgegen seine Mutter Haftbefehl. Die 43-Jährige werde der Misshandlungihres Sohnes und der Körperverletzung mit Todesfolge verdächtigt,sagte der Gerichtsdirektor Wolfgang Rupieper. Als Haftgrund nannte erFlucht- und Verdunkelungsgefahr. Über den Haftantrag gegen den 36-jährigen Vater soll an diesem Donnerstag entschieden werden.

Das tote Kind hat nach Aussage der Mutter seit Dezember 2002 inder Tiefkühltruhe der Familie gelegen. Nach ihrer Darstellung war derdamals siebenjährige, angeblich an Diabetes leidende Dennis bereitskurz vor Weihnachten 2002 nach einem Krampfanfall gestorben.

Rund eineinhalb Jahre später informierte das Jugendamt diePolizei, die am Montag den grausigen Fund machte. Die vorläufigeObduktion der Leiche ergab keine Anzeichen äußerer Gewaltanwendung.Der Junge sei jedoch unterernährt und völlig geschwächt gewesen,sagte Staatsanwältin Cäcilia Cramer-Krahforst. «Der Vater hat gesagt,er habe mitbekommen, wie der Junge gestorben ist.»

Unterdessen hat die Suche nach Schuld und Verantwortung für denTod von Dennis begonnen, denn niemand will damals das Verschwindendes Kindes bemerkt haben. Seine Mutter hat nach Angaben derStaatsanwaltschaft zehn Kinder zur Welt gebracht, von denen zuletztnoch acht einschließlich Dennis in der Wohnung lebten. Die vierminderjährigen Kinder wurden in ein Heim gebracht.

Im Rathaus versucht die Spitze der Verwaltung, die Hintergründedes Vorfalls aufzuhellen, der in der Lausitzer Stadt Entsetzenausgelöst hat. Oberbürgermeisterin Karin Rätzel verteidigte dasVorgehen ihrer Mitarbeiter. «Die chronologische Aufarbeitung ergab,dass sowohl Mitarbeiter des Jugend- und des Sozialamtes als auchSchulsozialarbeiter ständig Kontakt zu der Familie hatten.»

Es habe häufig Hausbesuche bei dieser Familie gegeben, in derMutter und Vater arbeitslos sind und Sozialhilfe beziehen. «Aus denAkten geht hervor, dass es bei den Besuchen immer um schulischeProbleme der Kinder ging», sagte die Sozialdezernentin ChristinaGiesecke. Das Fehlen von Dennis bei der Einschulung 2002 und 2003erklärte die Mutter mehrfach mit einer schweren Krankheit. Das Kindsei im Krankenhaus oder auf Kur.

«Wir hatten keinen Verdacht und sahen deshalb keinen Anlassnachzuprüfen», betonte Giesecke. Ähnlich äußerte sich auch der Leiterdes Staatlichen Schulamtes in Cottbus, Dietmar Wolter. Hellhörigwurde das Jugendamt erst, als eine Sozialamtsmitarbeiterin in dervergangenen Woche vom Vater erfuhr, dass Dennis mit demRettungshubschrauber in ein Berliner Krankenhaus gebracht worden sei.«Die Mitarbeiterin fand es merkwürdig, dass es keine Anträge zurKostenerstattung gab», berichtete Rätzel. Deshalb habe dieMitarbeiterin «aus einem Bauchgefühl» heraus das Jugendamt angerufen,das die Polizei einschaltete.

Empört äußert sich der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Sven Petke. Es sei unannehmbar, dass dem Schicksalvon Dennis so lange nicht nachgegangen wurde. Das Bildungsministeriumkündigte für das zuständige Schulamt eine Untersuchung mit einemkurzfristigen Bericht an. Es sei «skandalös», dass ein Kind zweiJahre lang von der Bildfläche verschwinden könne, sagte MinisterSteffen Reiche (SPD).