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Brandenburg Brandenburg: Guben ringt mit Gunther von Hagens

Von Peter Jähnel und Matthias Schröter 08.12.2005, 07:17
Aufklärer oder Zirkusdirektor? «Körperwelten»-Erfinder Gunther von Hagens, Jahrgang 1945, beschäftigt sich seit 1977 mit der Konservierung anatomischer Präparate und gilt als Erfinder der Plastination. (Archivfoto: dpa)
Aufklärer oder Zirkusdirektor? «Körperwelten»-Erfinder Gunther von Hagens, Jahrgang 1945, beschäftigt sich seit 1977 mit der Konservierung anatomischer Präparate und gilt als Erfinder der Plastination. (Archivfoto: dpa) dpa

Guben/dpa. - Die Stadtverordneten von Guben(Spree-Neiße) diskutierten in einer Sondersitzung am Mittwochabenderstmals über dieses Vorhaben. In der teils emotionalen Debatteüberwog das Contra. Der Leichenpräparator von Hagens will in derGrenzstadt mit einer Arbeitslosenrate von mehr als 20 Prozent zwarkeine menschlichen Leichen, aber plastinierte Körperscheibenfertigen.

In der mehr als 20 000 Einwohner großen Stadt hoffen jetzt vieleMenschen auf Arbeit. Redner in Gubens Stadtparlament sprachen voneiner gespaltenen Stadt und äußerten vor allem ethische Bedenken. DerChef der Arbeitsagentur Cottbus, Rudolf Hempfling, glaubt nicht anneue Jobs. «Die Spezialisten werden in der Regel aus anderen Regionenmitgebracht», sagte der der «Bild»-Zeitung (Donnerstag). In Gubenseien vor allem Verkäufer, Kraftfahrer, Eisenbahner undTextilfacharbeiter auf Arbeitssuche.

Ein Beschluss fassten die Stadtverordneten am Mittwoch nicht.Deutliche Kritik quer durch alle Fraktionen gab es am Vorgehen desBürgermeisters Klaus-Dieter Hübner (FDP), weil dieser ohneRücksprache mit den Stadtverordneten am 3. November Gespräche mit vonHagens in der Stadt geführt habe. Die Arbeiten sollen nach von HagensPlänen in einem ehemaligen Gebäude der Wollfabrik sowie in demangrenzenden Komplex geschehen, wo noch bis Mitte 2006 das Rathausbeheimatet ist.

Zum Abschluss der Debatte wurde noch einmal das Bedürfnis vielerGubener nach mehr Information deutlich. Deshalb gab es Zustimmung zudem Vorschlag des Stadtverordnetenvorstehers Klaus-Dieter Fuhrmann,eine Einwohnerversammlung zu diesem Thema einzuberufen und von Hagensnach Guben einzuladen. Der umstrittene «Leichenplastinator» warbereits Anfang des Jahres mit einem ähnlichen Vorhaben in einempolnischen Dorf im Grenzgebiet der Neiße gescheitert.

Die Evangelische Kirche mit ihrem Ratspräsidenten Bischof WolfgangHuber an der Spitze lehnt die Ansiedlungspläne von Hagens ebenso wieviele Einwohner aus ethischen Gründen ab. Bischof Huber hatte ineinem Interview mit der «Berliner Zeitung» gesagt: «Es kann dochnicht sein, dass die polnische Bevölkerung und die katholische Kircheeinen solchen Standort östlich der Neiße ablehnen, und von Hagensdann nach Guben geht und meint, dort sei der Widerstand geringer. Ichfände es gut, wenn ihm gezeigt wird, dass der Widerstand hier genauso groß ist.»

Die Juristen des Brandenburger Innenministeriums warten derweilauf eine schriftliche Urteilsbegründung des VerwaltungsgerichtshofesBaden-Württemberg (Az:1 S 1161/04). In dem Urteil geht es allerdingsausschließlich um die Ausstellung, trotzdem soll es im Zusammenhangmit den Ansiedlungsplänen geprüft werden. Dem Urteil zufolge darf vonHagens seine umstrittene Ausstellung ohne eine Sondergenehmigung nachdem Bestattungsrecht zeigen.

Jedoch könne die Polizei in den jeweiligen Kommunen im Einzelfallverbieten, bestimmte Exponate zu zeigen, urteile derVerwaltungsgerichtshof. Zudem sei auf eine «würdige Präsentation» derLeichen zu achten. Der Verwaltungsgerichtshof betonte, es handle sichzwar um Leichen im Sinne des Bestattungsgesetzes. Doch sei derenAusstellung genehmigungsfrei, weil sie einem wissenschaftlichenAnspruch diene: Das Verbot, Leichen auszustellen, gelte nicht füranatomische Institute, zu denen sich von Hagens' Institut fürPlastination zähle.