Bonn Bonn: Sex nur mit Ticket
BONN/MZ. - Der Bonner Straßenstrich hat einen neuen Star. Er steht zwischen zwei Containern und schluckt Geld. Der Steuerticket-Automat, den die Stadt hier aufgestellt hat, wurde über Nacht weltweit bekannt. Die "New York Times" interessierte sich ebenso für das Ding wie ein Fernsehteam aus Russland.
Doch die Frauen, die nebenan auf Freier warten, sind vom Rummel offenbar genervt. "Bei dem Theater laufen den Mädels die Kunden weg", meint der Mann an der Frittenbude. Wer hierhin kommt, will nicht gesehen werden. Die Freier rücken deshalb erst spät in der Nacht an. Für die Prostituierten dagegen beginnt der Arbeitstag gleich nach der Tagesschau: Ab 20.15 Uhr dürfen sie in Bonn ihrem nächtlichen Tagwerk nachgehen.
Davor müssen sie zahlen: Für sechs Euro spuckt der umgebaute Parkscheinautomat ein Ticket aus - die Erlaubnis, eine der sechs "Verrichtungsboxen" fürs Stelldichein zu nutzen. Der Beginn um 20.15 wurde auf Wunsch der Geschäftsleute aus der Umgebung festgelegt.
Weil die Prostituierten keinen Ärger haben wollen, entrichten die meisten offenbar brav ihren Obulus. Immerhin 264 Euro kassierte die Stadt in den ersten drei Nächten ganz automatisch. "Die hier stehen sind doch die Ärmsten", meint ein Mann im BMW. Er kennt sich aus: Die Frauen kämen zum größten Teil aus Osteuropa, sprächen kaum Deutsch und ließen sich von Freiern oft im Preis herunterhandeln. 20 bis 30 Euro pro Verrichtung seien nicht unüblich. Viele der Prostituierten arbeiteten nur kurz in Deutschland und kehrten dann in ihre Heimatländer zurück.
Der ständige Wechsel und die mangelnden Sprachkenntnissen der Frauen machten es nahezu unmöglich, Einkommensteuer aus dem Straßenstrich zu kassieren. Für den Fiskus fiel da nichts ab. Seit 28. August sorgt jetzt der umgerüstete Parkschein-Automat für Steuergerechtigkeit. Die Stadt hat an alles gedacht: Direkt neben der Mautstelle gibt es einen Container mit einem Wachmann, der in Notfällen alarmiert werden kann.
Ticket-Automat, Container und Boxen tragen nicht gerade zur Attraktivität des Viertels bei. Die Stadt rechnet auf Dauer mit rund 300.000 Euro pro Jahr, die durch die neue Einnahmequelle ins chronisch leere Stadtsäckel fließen sollen. Zur Aufklärung über ihre Steuerpflicht wurden mehrsprachige Handzettel unter den Prostituierten verteilt. Wer trotzdem mehrmals kein gültiges Ticket vorweisen kann, wird für die "Ordnungswidrigkeit" mit einem Bußgeld von hundert Euro zur Kasse gebeten. Der neue Automat kostete einschließlich Umbau rund 8.000 Euro. Zwei Mitarbeiter der Stadtverwaltung prüfen die Einhaltung der Steuerpflicht.
Die Kontrolleure sind allerdings nicht permanent vor Ort. Und so haben die Prostituierten angeblich bereits ein Steuersparmodell gefunden: Das Ticket wird während der Nacht einfach an nachrückende Kolleginnen weitergegeben.