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Parteien Beleidigungen und Geschrei: Corona-Debatte im Landtag

Kinder durften nicht in die Schulen gehen, Pflegeheim-Bewohner nicht besucht werden, für mache galt eine Impfpflicht. Die Corona-Pandemie kann bis heute die Emotionen hochkochen lassen, wie eine Landtagsdebatte zeigt.

Von dpa 25.04.2024, 14:12

Magdeburg - Im Landtag von Sachsen-Anhalt ist eine Debatte über die Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen hochemotional und mit persönlichen Beleidigungen geführt worden. Ein Antrag der AfD-Fraktion, die jüngst eingerichtete Regierungskommission zu erweitern und komplett öffentlich arbeiten zu lassen, wurde mit den Stimmen aller anderen fünf Fraktionen abgelehnt. AfD-Fraktionschef Ulrich Siegmund hatte erklärt: „Wir brauchen einen Untersuchungsausschuss mindestens. Wir müssen endlich diejenigen zur Verantwortung ziehen, die diese Verbrechen zu verantworten haben“, sagte Siegmund in seiner Rede am Donnerstag mit Blick auf die damaligen Eindämmungsmaßnahmen. 

Im Eiltempo zitierte Siegmund zur Untermauerung seiner Position Sätze aus den kürzlich veröffentlichten, geschwärzten Protokollen des Krisenstabs des Robert Koch-Instituts (RKI) aus der Anfangszeit der Pandemie. Sie hatten den Ruf nach einer Aufarbeitung der staatlichen Politik zur Eindämmung der Corona-Pandemie mit Zehntausenden Toten in Deutschland lauter werden lassen. Siegmund sagte: „Halten Sie sich fest. Wir haben die ausgewertet und es ist wirklich der Wahnsinn, was da drinnen steht. Es ist der Beweis, dass es nicht wissenschaftlich, sondern politisch war.“ 

Im Verlauf der Rede gab es diverse Zwischenrufe, auf die Siegmund teils antwortete. Die Stimmung spitzte sich so zu, dass die stellvertretende Landtagspräsidentin Anne-Marie Keding Unterstellungen vom Rednerpult und aus den Abgeordnetenreihen, keinen Anstand zu haben beziehungsweise zu lügen, zurückwies. „Es kann sich sehr gut hier hochspielen. Es dient aber nicht der Aufklärung, die wir hier gerade als Thema verhandeln. Von daher bitte ich alle, sich deutlich zu mäßigen und zu einer Auseinandersetzung zurückzukommen, die an der Wahrheit interessiert ist und auch an dem, was man an dem ganzen Vorgang lernen kann, und sich nicht gegenseitig zu beleidigen oder sich niederzubrüllen“, so Keding. 

Staatsminister Rainer Robra (CDU) entgegnete Siegmund: „Ihrem TikTok-Jargon - um Sie zu zitieren: "Es war der Wahnsinn" - habe ich nichts Entsprechendes entgegenzusetzen und will das auch gar nicht.“ Robra betonte, der Blick richte sich auf Sachsen-Anhalt. „Es wird evaluiert, was wir besser oder auch schlechter gemacht haben, als andere Bundesländer im Krankenhaus- und Pflegebereich, bei den Kitas und Schulen, ganz generell in der Gesellschaft, aber auch welche Lehren müssen wir für die Zukunft auch im Rahmen der Daseinsvorsorge daraus ziehen, um besser auf solche Lagen eingestellt zu sein als im Frühjahr 2020.“ 

In der Regierungskommission arbeiteten 16 ehrenamtliche Experten, die das Land gut kennen und eigene Erfahrungen beisteuerten. „Die Diffamierung einzelner Personen, die Sie sich hier eben geleistet haben, die weise ich ausdrücklich zurück“, sagte Robra zu Siegmund. Die Kommission arbeite unter der Leitung des Verfassungsrechtlers Winfried Kluth selbstorganisiert und in jeder Hinsicht unabhängig, betonte der Staatsminister. Sie könne weitere Experten dazuholen. Gesellschaftliche Spaltungen und Kontroversen kämen nach Aussagen des Kommissionsvorsitzenden auch zur Sprache.

Mehrere Abgeordnete warfen der AfD vor, mit dem aktuellen Wissen auf die damalige Zeit zu schauen und den damaligen Wissensstand nicht ausreichend zu berücksichtigen. „Sie kommen mit dem Wissen der Zukunft und urteilen über die Vergangenheit“, sagte etwa der CDU-Abgeordnete Stefan Ruland. Falko Grube von der SPD argumentierte, die AfD suche mit der Forderung nach einem Untersuchungsausschuss schlichtweg eine Bühne.