Bayern Bayern: Die Fledermausfrau

Winterrieden/dapd. - Pfeiffer öffnet einen Verschlag und holt ein winziges Dingheraus, setzt es sich auf die Schulter. Wie in Trance kriecht diekleine Fledermaus unter den Jackenkragen der Frau. Wenn das Tiernach und nach die Körpertemperatur der Pflegerin erreicht hat, kannes gefüttert werden. «Bei einigen Tieren ist das zwingend nötig,denn die würden sonst im Schlaf verhungern», erklärt sie.
Die Zwergfledermäuse oben im Dachzimmer wachen alle drei bis fünfTage auf. Dann schnappen sie sich ein paar der immer auf siewartenden Mehlwürmer aus der kleinen Schale - und setzen ihr«Winterdösen» fort.
Ganz anders die größeren Abendsegler. «Ich hatte mal einen, derhat vom 1. Oktober bis zum 23. März des nächsten Jahresdurchgeschlafen, ohne auch nur einmal was zu fressen», erinnert sichPfeiffer, die in der Umgebung als «Fledermausfrau» bekannt ist.
Jeder in der kleinen Unterallgäuer Gemeinde Winterrieden und weitdrum herum kennt die 55-Jährige, die seit nunmehr 18 Jahren dieAnlaufstelle schlechthin in Sachen Fledermäuse im Allgäu ist. Bisaus Landsberg (Oberbayern), Füssen, Kempten, Augsburg sowie demwürttembergischen Biberach und Ulm kommen Menschen und bringenverletzte oder schwache Fledermäuse zur Pflege nach Winterrieden.
Faszination Fledermaus
Pfeiffer ist gelernte Gärtnerin. Seit jeher sei sie sehrnaturverbunden, sagt sie. In ihrem eigenen Garten habe sie vorJahren Nistplätze für Vögel eingerichtet, die dann auch vonFledermäusen besucht wurden. Irgendwann sei der Altbürgermeister desOrtes mit einer kranken Fledermaus zu ihr gekommen. Damit habe dieLeidenschaft für die Pflege der faszinierenden Tiere begonnen.
Weil sie schon über 1.000 Fledermäuse gepflegt hat, hat sie vorkurzem das Ehrenzeichen des bayerischen Ministerpräsidentenbekommen. Das war nicht die erste Auszeichnung, doch jedes Mal freutsich Renate Pfeiffer, dass ihre aufwendige Arbeit Anerkennungfindet. Vor allem auch deshalb, weil die Menschen dadurch auf ihrThema aufmerksam gemacht werden und sie wieder mal was tun kann fürdiese imposanten Tiere, vor denen immer noch viele Menschen Angsthaben.
Zwergfledermaus frisst 600 Schnaken pro Nacht
Wer weiß schon, dass Fledermäuse gerne in Neubaugebieten leben,weil es da guten Lebensraum für sie gibt, sei es hinter Fensterlädenoder oben in den Holzbalken. «Ja klar, man kann nicht verschweigen,dass sie ein paar Wochen lang schon auch etwas Dreck machen, aberdas wird oft mehr als wettgemacht», sagt Pfeiffer. «Denn so einekleine Zwergfledermaus, die gerade mal daumengroß ist, frisst ineiner Nacht rund 600 Schnaken.»
Nur vier ihrer derzeit 23 Schützlinge werden in den nächstenWochen wieder freigelassen. Sie haben nur überwintert inWinterrieden. Die anderen neunzehn Fledermäuse sind verletzt, siehätten in der freien Natur keine Überlebenschance. Ab und zu nimmtRenate Pfeiffer, wenn der Winterschlaf vorbei ist, ein Tier mit indie Schule oder den Kindergarten. Denn dort ist sie ein gernegesehener Gast im Unterricht.
Zwtl: Überwintern in der Streichholzschachtel
Privatleute, Bauern, Menschen, die renovieren - sie alle bringendie Pfleglinge zur Pflegerin. Die erklärt, warum Fledermäuse meistin der «blauen Stunde», also in der Zeit zwischen Sonnenuntergangund Einbruch der Nacht zu sehen sind: «Die Flughäute würden sichtagsüber in der Sonne zu sehr aufheizen, daher sind sieNachtflieger. Anders als Vögel haben nämlich Fledermäuse keinisolierendes Gefieder.»
Viele Fledermäuse sind so klein, dass sie in den kleinsten Ritzenwohnen können - oder jetzt im Winter bei Renate Pfeifer in einerStreichholzschachtel. «Oft staunen die Kinder, wenn sie sehen, dassso eine Fledermaus gerade mal so groß ist wie ihr Daumen.» Es gibtin Bayern - je nach Standort - bis zu 24 verschiedeneFledermausarten. Renate Pfeiffer kennt sie alle.
