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Asche beschädigt NATO-Jet - Luftraum weiter gesperrt

Von Annett Klimpel 19.04.2010, 13:55

Hamburg/dpa. - Das Minus der Fluggesellschaften wächst stündlich um Millionen Euro. Doch die Behörden stellen die unbedingte Sicherheit ins Zentrum - der Streit zwischen Unternehmen und Politik um Flugverbote wegen der Vulkanasche spitzt sich zu.

Die Deutsche Flugsicherung (DFS) entschied am Montag, die Flughäfen bis mindestens 2 Uhr in der Nacht zum Dienstag geschlossen zu halten. Vulkanasche hatte zuvor einen NATO-Kampfjet bei einem Testflug über Europa beschädigt. Die Maschine landete am Wochenende mit Glas im Triebwerk, sagte ein hoher US-Beamter am Montag in Brüssel. Unterdessen hingen noch rund 100 000 deutsche Pauschaltouristen im Ausland fest, teilte das Außenministerium mit.

Jetzt aber kann die Deutsche Lufthansa 15 000 gestrandete Passagiere nach Deutschland zurückholen. 50 Langstrecken-Jets würden in den nächsten Stunden in Nord- und Südamerika, Afrika und Asien starten und am Dienstagmorgen in Frankfurt, München und Düsseldorf landen, sagte Lufthansa-Sprecher Andreas Bartels am Montag der Nachrichtenagentur dpa in Frankfurt. Die Langstrecken-Jets würden in den gesperrten europäischen Lufträumen nach Sichtflugregeln fliegen. Dies sei von den Behörden genehmigt worden. Es sei damit zu rechnen, dass die 50 Jets alle gefüllt sein werden. Die Flugzeuge befänden sich jetzt bereits im Ausland.

Mit Spannung wird unterdessen der erste deutsche wissenschaftliche Messflug erwartet: Um 16.00 Uhr sollte das Spezialflugzeug in Oberpfaffenhofen bei München Richtung Aschewolke starten. Das Forschungsflugzeug Falcon 20 E werde bis an die holländische Grenze fliegen, um die Dichte der Ascheteilchen in der Luft sowie ihre Größe zu messen, sagte Miriam Kamin vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen.

Der Flug werde zwei bis drei Stunden dauern, gemessen werden soll in einer Höhe von 3000 bis 10 000 Metern. Die nötigen Messinstrumente seien nun eingebaut. «Die Ergebnisse des Fluges hängen davon ab, wie viele Daten während des Fluges gesammelt werden können», sagte Kamin. Außerdem nehme die Auswertung einige Zeit in Anspruch. Manche Ergebnisse sollen erst in den nächsten Tagen vorliegen.

Gefährliche Vulkanaerosole bestätigt

Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich bestätigten nach Messungen mit Wetterballons, Lasern und Messflugzeugen, dass die Aschewolke über Europa tatsächlich die für Flugzeuge gefährlichen Vulkanaerosole enthält. «Wir konnten in einer Höhe zwischen vier und fünf Kilometern eine besonders hohen Anteil an Vulkanaerosolen feststellen», sagte Professor Thomas Peter. Sie gelten als gefährlich für Flugzeuge, da sie in der Hitze der Triebwerke schmelzen und zu Glasablagerungen führen können.

In den vergangenen Tagen hatten Fluggesellschaften wie Lufthansa und Air Berlin kritisiert, die Flugverbote basierten lediglich auf Daten eines Computermodells der Vulkan-Zentrale in Großbritannien, es fehle an Messungen. Er könne die Kritik nachvollziehen, sagte Raab. Es habe aber einfach an den nötigen Messgeräten gemangelt. Eine solche Situation habe es in Deutschland noch nie gegeben.

Testflüge der Unternehmen nutzlos?

Die Testflüge der Unternehmen nützten der Flugsicherung nichts, meinte der DFS-Sprecher. Die Beurteilung der Sicherheit sei Aufgabe der DSF - «und das kann uns keiner abnehmen». Im französischen Toulouse sollte am Nachmittag ein mit Messgeräten ausgestatteter Airbus A380 zu einem rund vierstündigen Testflug abheben. Mit den Ergebnissen wurde für Dienstag gerechnet.

Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Bundestages, Winfried Hermann (Bündnis 90/Grüne), kritisierte das Verhalten der Konzerne: «Ich bin entsetzt über die Art und Weise, wie die Fluggesellschaften im Moment agieren.» Auch sie müssten ein Interesse daran haben, dass die Sicherheitsfrage geklärt ist.

Wirtschaftliche Lage «schlechter Ratgeber»

Die wirtschaftlich schwierige Lage der Gesellschaften sei «ein schlechter Ratgeber» für Sicherheitsentscheidungen, betonte Hermann. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sagte im Deutschlandfunk: «Es wäre beinahe zynisch und mit mir politisch nicht machbar, Umsatzeinbrüche gegenzurechnen mit irgendeinem nicht vertretbaren Risiko für Leib und Leben von Passagieren.»

Rund 150 Millionen Euro verlieren die Fluggesellschaften derzeit nach Angaben der Internationalen Luftfahrtvereinigung IATA wegen der Flugverbote täglich. Hinzu kämen Ausgaben etwa für die Entschädigung von Passagieren und für die Verlegung leerer Flugzeuge.

Die Zahl der Flugverbote ging in der Nacht zum Montag zeitweise zurück. Nach Angaben der europäischen Luftsicherheitsbehörde Eurocontrol in Brüssel war der Luftraum vor allem im Süden am Mittelmeer und in großen Teilen Skandinaviens zumindest zeitweise wieder frei. Am Sonntag hatte sich die Sperrung teils von Mallorca bis Nordnorwegen und von Irland bis zur Türkei erstreckt.

Dennoch rechnete Eurocontrol für Montag nur mit einer leichten Entspannung. Etwa 70 Prozent der sonst gut 28 000 Flüge sollten ausfallen - am Sonntag waren es noch knapp 80 Prozent. Die EU- Kommission kündigte an, staatliche Hilfen für notleidende Fluggesellschaften erleichtern zu wollen. Staatliche Finanzspritzen für die Unternehmen sollten erleichtert werden. «Wir sind bereit, ähnlich zu reagieren wie nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001», sagte EU- Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia.

Marine bringt Briten heim

Reiseveranstalter konzentrierten sich zu Wochenbeginn darauf, möglichst viele Kunden heimzuholen. Briten werden sogar von der Marine ihres Landes nach Hause gebracht. Drei Schiffe wurden losgeschickt, teilte Premierminister Gordon Brown nach einer Sitzung des Notfall-Komitees in London mit. Der Reiseverband Abta ging davon aus, dass derzeit 150 000 Briten im Ausland festsitzen.

Deutsche Urlauber sind zu Tausenden in Bussen auf dem Weg nach Hause. Einen massiven Ansturm Reisender erlebten auch wieder die Züge. Die Asche über Europa stellt die Deutsche Bahn vor eine der größten Herausforderungen der vergangenen Jahre: Am Montag wurden den fünften Tag in Folge mehr Züge als normal eingesetzt.

Seit Donnerstag sehen sich Fluggäste mit massiven Behinderungen konfrontiert. Zehntausende Flüge sind ausgefallen, Hunderttausende Menschen hängen auf Urlaubsinseln oder Flughäfen ferner Länder fest. Am Abend wollten die EU-Verkehrsminister per Videokonferenz über die Lage beraten. Wo immer das möglich ist, sollten Luftraumsperrungen wieder aufgehoben werden, sagte der niederländische Verkehrsminister Camiel Eurlings zuvor im Fernsehen. Dafür werde er sich einsetzen

Vulkan spuckt mittlerweile mehr Lava als Asche

Gute Nachrichten kamen derweil aus Island: Der Vulkan am Eyjafjalla- Gletscher stoße zunehmend mehr Lava als Asche aus, sagte ein Sprecher des Meteorologischen Institutes in Reykjavik. «Das sind gute Nachrichten für Flugreisende in Europa.» Auch die viel geringere Höhe der Rauchsäule mit Vulkanasche zeige eine Veränderung des Ausbruchs an. «Dadurch kann nur sehr viel weniger Asche auf den europäischen Kontinent gelangen.»

Zuvor war die Säule bis zu elf Kilometern hoch gelangt. Eine stabile Nordwestströmung lässt nach Prognose des Deutschen Wetterdienstes (DWD) allerdings auch in den kommenden Tagen Luft aus Island Richtung Zentraleuropa strömen.