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Anschlag in Orlando Anschlag in Orlando: Vater des Attentäters Omar Mateen: "Er war ein guter Sohn"

Von Damir Fras 13.06.2016, 19:41
Seddique Mateen, der Vater des Attentäter Omar Mateen
Seddique Mateen, der Vater des Attentäter Omar Mateen X01095

Orlando - Chris Enzo massiert seine Hände ohne Pause. Er ist angespannt, nervös und er hat Mühe, seine Stimme ruhig zu halten. Der 25 Jahre alte Student steht im Flackerlicht der Scheinwerfer vor der Absperrung, die Polizisten ein paar hundert Meter vom Tatort aufgebaut haben. Er erzählt, sein Kumpel Rodney, ein Barkeeper im Nachtklub „Pulse“, gehöre zu den Opfern des Attentäters. „Drei Kugeln hat er sich eingefangen, zwei in die Schulter, eine in den Ellbogen.“ Gerade sei er im Krankenhaus gewesen, wo er seinen Freund sah, dick eingepackt in Bandagen, müde, durstig. „Aber sein Haar war in Ordnung“, sagt Enzo. Es klingt wie Galgenhumor.

Keine 20 Stunden sind zu diesem Zeitpunkt vergangen, seit ein 29 Jahre alter Mann ein Blutbad in dem Nachtklub „Pulse“ im Zentrum von Orlando in Florida angerichtet hat. Neben Enzo stehen Fernsehreporter und wiederholen mit sich teilweise überschlagender Stimme die immer selben, dürren Fakten:

Omar Mateen macht sich am Samstag auf die zweistündige Autofahrt von seinem Wohnort Fort Pierce nach Orlando. Der in New York geborene Sohn afghanischer Eltern arbeitet als Wachmann für die Sicherheitsfirma G4S. Er hat einen Waffenschein. Nach US-Medienberichten wollte er einige Wochen vor dem Massaker schusssichere Kleidung kaufen. Ihm sei dieser Kauf aber verweigert worden, so CNN unter Berufung auf Ermittlerkreise. Die Schutzkleidung sei als militärisch eingestuft worden.

Seine Ex-Frau schätzt ihn als emotional instabil ein

Sitora Yusufiy, seine Ex-Frau, mit der ein Kind hat, sagt, Omar sei emotional nicht stabil: „Er kam nach Hause und hat mich einfach geschlagen, weil die Wäsche nicht gemacht war oder so was Ähnliches.“ Er habe Steroide konsumiert, die bei falscher Dosierung Psychosen auslösen können, auch Paranoia. 2011 sei sie von ihrer Familie „seinen Armen entrissen“ und damit „gerettet“ worden.

Dieser Mann also betritt am Sonntagmorgen gegen zwei Uhr das „Pulse“, ein bei Schwulen und Lesben beliebter Nachtklub in Orlando. Die Mitternachtsshow ist gerade vorbei, auf der Tanzfläche ist noch Betrieb, bald aber ist Sperrstunde. Der Mann beginnt zu schießen. „Er feuerte unablässig“, sagt Chris Enzo, der sich von seinem Freund Rodney im Krankenhaus hat erzählen lassen, wie das Massaker begann. „Rodney sagte, erst habe es die Frau erwischt, die er gerade an der Bar bedient habe. Dann wurde er selbst getroffen.“ Der Barkeeper fällt hinter der Bar zu Boden, rappelt sich auf und kann fliehen. Der Schütze, bewaffnet mit einem Schnellfeuergewehr, wie es viele Amokläufer in den USA in den vergangenen Jahren verwendet haben, verbarrikadiert sich mit Dutzenden von Geiseln in dem Club. Es dauert drei Stunden, bis die Polizei das Gebäude stürmt.

Erst heißt es, es seien etwa 20 Todesopfer zu beklagen. Doch wenige Stunden später sagt der Bürgermeister von Orlando, Buddy Dyer, mindestens 49 Gäste des Clubs und der Attentäter seien getötet worden und 53 zum Teil schwer verletzt. Das Massaker von Orlando ist das schlimmste Blutbad in der Geschichte der USA, der schlimmste Angriff auf Menschen seit den Terrorattacken vom 11. September 2001 – ausgerechnet in Orlando, bekannt für seine Vergnügungsparks.

Das FBI hatte ihn schon zwei Mal im Visier

Orlando steht unter Schock, Amerika steht unter Schock. Die Suche nach den Motiven des Todesschützen hat noch keine befriedigenden Antworten ergeben. War Mateen ein Islamist? War er ein Schwulen-Hasser? Es gibt Hinweise, dass der Attentäter, der bei dem Feuergefecht mit der Polizei im „Pulse“ getötet wird, sowohl das eine wie das andere gewesen sein könnte. Denn kurz vor der Tat ruft Mateen die Notrufnummer 911 an und sagt, er habe dem „Islamischen Staat“ Gefolgschaft geschworen. Später stellt sich heraus, dass die Bundespolizei FBI den Mann in den vergangenen Jahren zweimal im Visier hatte. Einmal soll sich Mateen gegenüber Arbeitskollegen so geäußert haben, dass diese den Eindruck hatten, er sympathisiere mit Islamisten. Das andere Mal überprüfte das FBI mögliche Verbindungen zu einem Selbstmordattentäter, der sich in Syrien in die Luft sprengte. In beiden Fällen erhärtete sich aber der Verdacht nicht, das FBI stellte Mateen nicht unter besondere Beobachtung.

Der Vater des Schützen behauptet, sein Sohn sei nicht von islamistischen Motiven getrieben gewesen. „Er war ein guter Sohn“, sagt Seddique Mateen: „Kein Radikalismus. Er trug nicht einmal einen Bart. Ich glaube nicht, dass Religion oder der Islam etwas damit zu tun hatten.“ Er habe sich aber entrüstet gezeigt, als er in Miami gesehen habe, wie sich zwei Männer auf offener Straße küssten.

Zeichen der Trauer

Der Pariser Eiffelturm wurde am Montagabend im Gedenken an die Opfer von Orlando in den Regenbogenfarben der Schwulen- und Lesbenbewegung angeleuchtet. Auch das Pariser Rathaus hisste am Montag ein Regenbogen-Banner.

Auch das One World Trade Center in New York lässt seine Antenne in den Regenbogenfarben der Schwulen- und Lesbenbewegung erstrahlen. Am Empire State Building blieben die Lichter „aus Sympathie für die Opfer“ aus.

Die Kölner Polizei geht nach dem Anschlag auf einen Club für Schwule und Lesben in den USA nicht von einer besonderen Gefahr für die Teilnehmer des Christopher-Street-Day (CSD) in Köln aus. „Wir haben derzeit keine konkreten Hinweise auf eine spezielle Gefährdung“, sagte ein Polizeisprecher. (dpa)