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Brandanschlag Neue Störung - 20.000 Haushalte ohne Strom

Eine zweite Nacht und womöglich ein dritter Tag ohne Strom drohen mehreren Berliner Stadtteilen. Die Täter trafen bei ihrem Brandanschlag überirdische Starkstromkabel, die schwer zu reparieren sind.

Von Andreas Rabenstein, Fabian Nitschmann, Matthias Arnold, dpa Aktualisiert: 10.09.2025, 22:01
Durch den großen Stromausfall haben Zehntausende Menschen weiterhin keine Elektrizität.
Durch den großen Stromausfall haben Zehntausende Menschen weiterhin keine Elektrizität. Michael Ukas/dpa

Berlin - Nach dem extremistischen Brandanschlag auf das Berliner Stromnetz müssen Zehntausende Menschen eine weitere Nacht ohne Elektrizität auskommen. Spätestens bis Donnerstagabend werde man wieder alle Kunden versorgen können, sagte ein Sprecher vom Netzbetreiber Stromnetz Berlin.

Am zweiten Tag des großflächigen Stromausfalls rund um den Stadtteil Adlershof mit seinem Technologiegelände im Südosten Berlins waren am frühen Morgen noch rund 20.000 noch Kunden der landeseigenen Stromnetz GmbH ohne Elektrizität. Bis zum Nachmittag sank die Zahl auf rund 13.700. Doch dann gab es einen Rückschlag.

Gegen 20.00 Uhr sei eine zwischenzeitlich errichtete Verbindungsleitung ausgefallen, teilte Stromnetz Berlin mit. „Dadurch sind aktuell rund 6.100 Haushalte und 200 Gewerbekunden in Adlershof, Alt-Glienicke, Köpenick und Niederschönweide erneut vom Stromnetz getrennt.“ Insgesamt seien wieder rund 20.000 Kunden ohne Strom - wie am Morgen. 

Von dem Störfall in der Nacht auf Dienstag waren zunächst 50.000 Haushalte und Gewerbekunden betroffen. Das galt auch für S-Bahnhöfe, Einkaufszentren, viele einzelne Geschäfte sowie Pflegeheime. Mehrere Schulen hatten am Mittwoch geschlossen, sollten am Donnerstag aber wieder normalen Unterricht abhalten

Tiefkühlware in Kühllaster umgeladen

Die meisten Supermärkte und Einzelhändler im betroffenen Gebiet konnten ihre Tiefkühlware dem Handelsverband Berlin-Brandenburg (HDE) zufolge retten. „Sie haben dafür gesorgt, die Ware sofort in Kühllaster umzulagern“, sagte Hauptgeschäftsführer Nils Busch-Petersen. Diese blieben entweder neben den Geschäften stehen oder brachten die Lebensmittel in die Großlager im Umland. 

In früheren Fällen hätten manche Supermärkte ihre Tiefkühlkost auch an Kunden verschenkt, sagte Busch-Petersen. Das sei dieses Mal aber nicht nötig gewesen. Auch die finanziellen Verluste hielten sich in Grenzen. Die meisten seien für solche Fälle versichert.

Komplizierte Reparaturen

Die Reparaturen an den zerstörten Starkstromkabeln im Ortsteil Johannisthal begannen am Dienstag direkt nachdem die Polizei mit ihrer Spurensicherung fertig war. Die beschädigten Leitungsstücke waren nicht mehr nutzbar, deshalb müssten mehrere Kabel miteinander verbunden werden, hieß es von Stromnetz Berlin. 

Dafür seien Kabel aus der Erde geholt und mit großen Kupplungen, sogenannten Muffen, miteinander verbunden worden. „Diese Muffen sind mehr als zwei Meter groß und verbinden armdicke Kabel. Sie müssen staubfrei montiert werden. Das ist sehr komplex und dauert etliche Stunden.“

Längster Stromausfall seit 25 Jahren 

Die Dauer des letzten großen Blackouts 2019 in Köpenick sei schon übertroffen, sagte Unternehmenssprecher Henrik Beuster der Deutschen Presse-Agentur. Damals waren mehr als 30.000 Haushalte rund 30 Stunden lang ohne Elektrizität. Inzwischen ist der aktuelle Stromausfall in Berlin den Angaben zufolge bereits der längste seit mindestens 25 Jahren. 

Die Nacht in den betroffenen Gebieten verlief aus Sicht der Feuerwehr „weitestgehend ruhig“. „Zahlreiche Einsatzkräfte, vor allem aus den Hilfsorganisationen und den Freiwilligen Feuerwehren, sorgten für Sicherheit und eine ständige Erreichbarkeit“, teilte die Feuerwehr mit. 

„Es gab nicht mehr Notrufe als sonst, eher weniger“, sagte ein Sprecher. Vereinzelt seien auch Menschen an den extra eingerichteten Anlaufstellen erschienen und hätten um Hilfe gebeten.

Handynetz abhängig von elektrisch betriebenen Mobilfunkmasten

Weil das Handynetz durch den fehlenden Strom schwächer und teilweise gar nicht mehr vorhanden ist, kann nur eingeschränkt telefoniert werden. Das betreffe aber nicht speziell die Notrufnummern 112 und 110, sondern alle Telefonverbindungen, sagte der Feuerwehrsprecher. Ohne Mobilfunknetz könne man nicht mehr telefonieren. Die Mobilfunkmasten auf Häusern werden über das normale Stromnetz betrieben, haben aber für Notfälle auch Akkus, die eine Zeit lang reichen. 

Die Feuerwehr hatte zudem am Dienstag vier sogenannte Katastrophenschutz-Leuchttürme aufgestellt, an denen betroffene Anwohner etwa ihr Handy aufladen können und Informationen erhalten. Nachts wurde auch vom Technischen Hilfswerk (THW) Beleuchtung an einem Bahnhof und Notstrom an Anlaufstellen zur Verfügung gestellt. 

Innenminister: Gründliche Planung der Täter

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) bezeichnete den Brandanschlag als gründlich geplante Tat. Es sei auffällig, „dass gezielt offensichtlich diese Verteilerstationen ausgesucht worden sind und nicht willkürlich“, sagte Dobrindt. „Das heißt, man hat sich darauf vorbereiten müssen, man hat Analysen erstellen müssen, an welcher Stelle man das Netz hier attackieren will, um einen möglichst großen Schaden auszuüben.“

Dobrindt sagte weiter, die Polizei könne aktuell noch nicht sicher sagen, ob das im Internet veröffentlichte Bekennerschreiben tatsächlich von den Tätern stamme. Klar sei aber, man habe es hier ganz offensichtlich mit einer Gruppe zu tun, „die die Bereitschaft hat, gegen unsere Gesellschaft auch gewaltsam vorzugehen“. 

Das Bekennerschreiben auf der linksradikalen Internetseite „Indymedia“ war von der Polizei als vermutlich authentisch eingeordnet worden. Der Anschlag gelte den Technologiefirmen und Forschungseinrichtungen aus den Bereichen IT, Robotik, Bio- & Nanotechnologie, Raumfahrt sowie Sicherheits- und Rüstungsindustrie am Standort Adlershof, hieß es in dem Text, der unterzeichnet war mit „Einige Anarchist:Innen“. 

Insiderwissen der Täter zur Stromversorgung?

Der Berliner SPD-Innenpolitiker Martin Matz sagte, für eine solche Tat sei Spezialwissen nötig. Dass die zerstörten Kabel an den Strommasten etwas mit der Versorgung in Adlershof zu tun hätten, sei nicht sofort zu erkennen, sagte Matz im RBB-Inforadio. Es stelle sich die Frage, ob möglicherweise Insider-Informationen weitergegeben worden seien. Allerdings gibt es immer wieder Berichte, dass Pläne zur Stromversorgung von Metropolen etwa durch Cyberangriffe von Hackern gestohlen werden können. 

Nach Einschätzung der Berliner Grünen sollte der Stromausfall ein „Alarmsignal“ sein. „Unsere kritische Infrastruktur ist nicht ausreichend vorbereitet“, sagte die Sprecherin für Sicherheitspolitik, Gollaleh Ahmadi. Berlin sei weder auf solche technischen Störungen noch auf politisch motivierte Angriffe von innen wie von außen ausreichend eingestellt. Der Grünen-Innenpolitiker Vasili Franco forderte, bestimmte Stellen der Stromversorgung müssten besser gesichert werden.