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Zwischen Protest und Jubel Zwischen Protest und Jubel: Der Kampf um die Nacht

Von Katrin Löwe und Alexander Schierholz 29.06.2007, 19:51

Leipzig/MZ. - Thomas Pohl fühlt sich um den Schlaf gebracht. "Manche Nächte kommen 15 bis 17 Flüge über die Nordroute. Man wird munter und kann nicht wieder einschlafen", sagt der 42-Jährige. Donnerähnliche Geräusche, ein Pfeifen: "Da hat man auch reflexartig Angst vor einem Absturz." 1995 hat Pohl in Rackwitz (Landkreis Delitzsch) ein Haus gebaut. Damals sei die Nordbahn noch in der Planung gewesen. Der Bürgermeister habe ihm aber zugesichert, dass die Flugroute nicht über die Rackwitzer Siedlung führe, so Pohl. Jetzt liege sie nur 100 Meter neben seinem Haus. "Da nutzen auch Schallschutzfenster wenig."

Die Entscheidung des Regierungspräsidiums Leipzig, nachts nur Passagierflüge zu untersagen, nicht aber normale Frachtflüge oder Militärtransporte, hat Pohl "maßlos enttäuscht". Dem schließt sich Anne-Kathrin Richter, Sprecherin der Interessengemeinschaft (IG) Nachtflugverbot, an. Zwar sei es ein Teilerfolg, dass Passagierflüge nachts wegfallen - zumal mit dem geplanten Nachtflugverbot in Berlin mehr Verkehr in Leipzig zu erwarten gewesen wäre. "Aber für uns ist jeder Flieger zu viel, der über DHL-Express hinausgeht", so Richter. Auch Militärflüge - von rund 2 000 Maschinen mit US-Soldaten an Bord kamen in neun Monaten rund ein Drittel nachts. Die IG will nun eine Klage prüfen.

Leipzigs Regierungspräsident Walter Christian Steinbach sieht mit der Entscheidung dagegen sowohl Interessen der Bevölkerung gewahrt als auch die des Flughafens: "Wir nehmen dem Flughafen nicht die Luft." Er unterstreicht ausdrücklich den Tenor: "Frachtverkehr ist rund um die Uhr möglich." Damit könne der Airport seiner Bedeutung als mitteldeutsches Drehkreuz voll gerecht werden.

Profitieren wird davon vor allem die Posttochter DHL, die in Leipzig 300 Millionen Euro investiert und Mitte 2008 ihr neues Drehkreuz in Betrieb nehmen will. Damit sind bis 2012 rund 3 500 neue Arbeitsplätze verbunden. Bestätigt sieht sich zudem die Lufthansa Cargo AG, die erst zu Beginn der Woche verkündete, ab Oktober mit wöchentlich 21 Frachtflügen von Köln / Bonn nach Leipzig umzuziehen. "Wir hatten gehofft, dass es eine vernünftige Entscheidung gibt", so Sprecher Nils Haupt. Lufthansa Cargo fliegt mit Maschinen, in denen Expressgut und normale Fracht gemischt sind - das wäre ein Problem geworden, wenn sich das Regierungspräsidium dem Bundesverwaltungsgericht angeschlossen hätte, das nur Expressgut nachts fliegen lassen wollte.

Heftige Kritik übt dagegen die Fluglinie Condor am neuen Nachtverbot für Passagiermaschinen. Condor müsste im Sommer 2008 fast 500 Flüge von und nach Leipzig streichen. "Das würde 30 Arbeitsplätze in Leipzig akut gefährden", so Geschäftsführer Ralf Teckentrup. "Die lauten Frachtmaschinen dürfen fliegen, während die weitaus leiseren Flieger am Boden bleiben müssen. Es hat den Anschein, als wäre die Mobilität von Menschen weniger wert als die Mobilität von Waren", kritisiert er.

Welche Auswirkungen das Nachtflugverbot für den Passagierverkehr insgesamt hat, steht indes noch nicht fest. Im vorigen Jahr verzeichnete der Airport 26 618 Flugbewegungen von Linien- und Chartermaschinen. 1 427 davon lagen zwischen Mitternacht und fünf Uhr am Morgen - das entspricht etwa fünf Prozent. Flughafen-Chef Eric Malitzke räumt aber ein, dass dieser Anteil in der Urlaubszeit auf rund zehn Prozent steige - ein Geschäft, das wohl wegbrechen wird.

Dennoch wird Thomas Pohl weiter schlaflose Nächte haben. Sein Sohn hat bereits angekündigt, das Haus keinesfalls erben zu wollen.