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Züchter Züchter: Die Farm der Schnecken

Von ANDREAS STEDTLER 21.07.2009, 18:52

HERMERODE/MZ. - Ob im Bierteig oder in der Suppe, als Schnecke am Spieß, oder Schneckenfrikadelle. Schier unerschöpflich sind die Ideen, die Köche hatten, um die stieläugigen Hausträger zuzubereiten.

Strache und sein Partner Lothar Becher haben 2006 in Hermerode im Landkreis Mansfeld Südharz die größte Schneckenzuchtanlage Deutschlands gegründet. Auf zwei Hektar Fläche, aufgeteilt in 44 kleine Felder, wachsen dort bis zu 1 000 Kilogramm Weinbergschnecken jährlich. Das sind so viele, dass man die Tiere kaum noch zählen kann. Derzeit leben schätzungsweise zweieinhalb Millionen Schnecken aller Altersstufen auf der Farm.

Inzwischen haben der Raumausstatter und der ehemalige Banker die zweite Ernte eingefahren. Während die erste Ernte, eingekocht in 1 100 Gläser, eher schwierig an den Mann zu bringen war, hat ein Großhändler den beiden Schneckenbauern die zweite gleich vom Feld weg abgekauft.

Das macht Hoffnung. Heinz Strache ist jeden Tag damit beschäftigt seine Fühler nach neuen Kunden auszustrecken. Bis nach Griechenland werden im Herbst die Schnecken aus Hermerode verschifft. Strache hofft stark auf einheimische, auch kleine Restaurants. "Frischer kann man es nicht haben", sagt der 58-Jährige, "Gaststätten könnten gleich vom Feld beliefert werden." Doch noch findet man auf mitteldeutschen Speisekarten selten ein Schneckengericht, sagt Strache. Schneckenfleisch hat keinen Eigengeschmack

und wird deshalb in unendlich vielen Varianten verarbeitet. "Es ist nicht jedermanns Sache", gibt er zu.

Die Idee zu ihrem Projekt hatten die beiden Nachbarn aus Wippra vor vielen Jahren. Ein Fernsehbericht brachte alles ins Rollen. Bücher wurden angeschafft, Seminare besucht. Von EU und Landkreis gefördert, entstand dann 2006 ein Versuchsfeld. Inzwischen sind die beiden Männer Fachleute in Sachen Weinbergschneckenzucht geworden. Immer wieder kommen Schulklassen, um staunend am Rand des Zuchtfeldes zu stehen und gebannt zuzuschauen, wie die gemeine Weinbergschnecke eigentlich nichts tut.

Gerade im Sommer, wenn die Sonnen scheint, herrscht nämlich absolute Stille im Schneckenhaus. Erst abends, wenn es kühler und feuchter wird, werden sie aktiv. 30 bis 40 Meter kann eine Weinbergschnecke in einer Nacht zurücklegen. Auf den Feldern der Farm werden den Tieren dabei ihre Lieblingspflanzen wie Senf, Mangold und Raps als Futter angeboten. Drei Jahre dauert es, bis sie reif zur Ernte sind. Dann werden sie abgelesen, eingesammelt und in Kartons zum Bestimmungsort gebracht. In Frankreich etwa gibt es spezielle Verarbeitungsbetriebe. Die Franzosen verzehren jährlich 40 000 Tonnen Schnecken und müssen sie zum Teil importieren, um den eigenen Markt bedienen zu können.

Die Weinbergschnecke als Delikatesse hat in Europa eine lange Geschichte. Mönche verspeisten die Weichtiere als Fleischersatz in der Fastenzeit. Außerdem hatten französische Soldaten Weinbergschnecken als lebende Konserve im Feldgepäck.

Noch vor drei Jahren sind Strache und Becher für ihre Idee belächelt worden. Eigentlich züchtet man rund um Hermerode nur Kühe und Schweine, vielleicht mal ein Schaf, aber Schnecken? Heute haben die beiden Weichtier-Züchter Freunde und Verwandte und vor allen Dingen auch viele ansässige Restaurantbesitzer bekehrt. Probiert haben inzwischen etliche Neugierige. Und ob die Schnecken wirklich schmecken, muss dann jeder selbst entscheiden.