Zauberer aus Halle Zauberer aus Halle: Sazarro kommt!

Halle (Saale)/MZ - Er ist nicht zuständig für die Neuzuteilung von Hauselfen in Sachsen-Anhalt. Sein Schreibtisch in Halle steht auch in keinem geheimen Kobold-Verbindungsbüro. Und trotzdem hätte Hans-Jürgen Sack bei „Harry Potter“ bestimmt eine unkündbare Stelle im Zauberei-Ministerium - als Mitglied der magischen Strafverfolgungspatrouille.
Nichts anderes treibt der pensionierte Leitende Oberstaatsanwalt und Universitätsprofessor im Magischen Zirkel von Deutschland (MZVD). Der Verein zählt weltweit 2.900 Mitglieder, darunter Siegfried & Roy, Jürgen von der Lippe und Eckart von Hirschhausen. Dass in diesem Metier ein Hohes Schiedsgericht nicht fehlen darf, versteht sich von selbst. In diesem Gremium entwirrt und entscheidet der Jura-Professor von der Saale die kniffligsten Streitigkeiten, die unter Zauberern vorkommen können. Diskretion ist Ehrensache.
Abstecher in Jugendstil-Villa
Wer den Rechtsgelehrten besuchen will, muss anders als im Film keine kaputte Telefonzelle in London aufsuchen. Es genügt ein Abstecher in eine Jugendstil-Villa im Stadtteil Kröllwitz. Nach zauberhaftem Zubehör hält man dort aber vergeblich Ausschau. Allenfalls die große antike Standuhr tickt etwas geheimnisvoll. Aber da hängt kein Seidenumhang mit goldenen Sternen. Und wo ist der Zylinder, aus dem ein weißes Kaninchen blinzelt? Für einen Magier-Haushalt ist das auf den ersten Blick etwas enttäuschend.
Dafür ist der Gastgeber hellwach. Bevor man etwas fragen kann, zieht der Mann ein abgegriffenes Kartenspiel aus der Tasche. Was folgt, ist eine Fingerübung des Meisters. „Sazarro“, wie sich Hans-Jürgen Sack auf der Bühne nennt, lässt die einzelnen Karten auf und nieder flattern. Wie zufällig landen sie dann auf der gläsernen Tischplatte. Der Gast soll sich eine Karte merken. Im nächsten Moment ist das Spiel wieder aufgenommen, neu gemischt und ausgeteilt. Beschwörend kreist die Hand. Ein Lächeln, dann pocht der Zeigefinger auf das rote Ass. Was soll man dazu sagen? Genau um diese Karte geht es. Bravo, bravissimo.
Nicht immer ist der Beifall, den ein Zauberer einheimst, so ungeteilt. Manchmal liegen geniales Kunststück und verbissener Rechtsstreit nah beieinander. Hans-Jürgen Sack macht neugierig: „Magie und Juristerei, mein Programm heißt nicht umsonst so.“ Auf der Bühne hilft ihm der Blick ins verhexte Gesetzbuch. Im Schiedsgericht des Magischen Zirkels gilt es dagegen nicht. „Es gibt keine Sonderrechte für Zauberer“, sagt Sack. Wer etwa Tricks abkupfert, verletzt das Standesrecht - und bekommt die Grenzen der künstlerischen Freiheit aufgezeigt. Möglich ist das auch deshalb, weil Zauberdarbietungen als Werke der schönen Künste urheberrechtlich „schutzfähig“ sind. Zumindest ist das im Prinzip so. Der Teufel steckt aber auch hier im Detail. So stellt sich fast immer die Frage: Wo beginnt eigentlich der geistige Diebstahl? Denn der Trick selbst ist schließlich unsichtbar, wenn alles klappt.
Benefiz-Veranstaltung im Neuen Theater
Damit im Programm alles klappt, übt der Hallenser fast täglich. Seine erste und härteste Kritikerin: Ehefrau Gerda. Erst recht jetzt. Immerhin gastiert „Sazarro“ am 13. März im Neuen Theater Halle. Sein Thema: Mentale Verbrecherjagd - Gedankenübertragung, Hellsehen, Hypnose. Experimente auf Experimente - mehr will er vorab nicht verraten. „Schließlich lebt Zauberei vom Überraschungseffekt.“
Nur so viel, als Partner auf der Bühne agiert Theaterintendant Matthias Brenner, der aus Kafkas „Prozess“ liest. Schirmherrin des Abends ist Hedwig Neven DuMont. Der Erlös dieser Benefiz-Veranstaltung, getragen durch den MZ-Verein „Wir helfen“ und den Verein „Freunde des nt“, soll soziale Probleme in der Region lindern helfen. Dass Sack gerade die Schwachen unterstützen will, erklärt er auch mit seiner eigenen Lebensgeschichte. „Als ich Halle 1957 als Abiturient verließ, war ich über jede Hilfe froh.“ Anfangs habe er sich als ungelernte Kraft in Frankfurt am Main durchgeschlagen. „Mit dem Zauberkasten aus Kindheitstagen kam man da nicht weiter.“
Dann aber kann er, was ihm in DDR verwehrt geblieben ist, endlich in Hessen ein Universitätsstudium beginnen. Ganz ohne Zauberei gelingt ihm die Karriere in der Justiz in Rheinland-Pfalz. Er gründet eine Familie und wagt erste Auftritte. Sogar die große Stadthalle von Landau kann er mit seiner Magie füllen. Ein Gedanke jedoch gerät darüber nie in Vergessenheit: „Halle war und ist meine Heimat.“ Gern erinnert er sich an seine erste Zauberei in der Aula des heutigen Herder-Gymnasiums, oder an den ihn faszinierenden Magier „Maru“ im „Steintor“-Varieté. Sein Vater, Arzt und selbst leidenschaftlicher Hobby-Zauberer, betreibt noch bis 1965 eine private Frauenklinik am halleschen Universitätsring. Sein Fachgebiet ist die Telepathie. Hellseher ist er aber nicht. Und so wurde auch er im Jahr 1989 vom Mauerfall überrascht.
Heimkehr nach Sachsen-Anhalt
Seither habe sich im Osten vieles zum Guten entwickelt, so der Künstler und Jurist. „Da war die Heimkehr 2010 nach mehr als 50 Jahren überfällig.“ Im Gepäck: Seine Tricks, von der schwebenden Jungfrau bis zur Entfesselungskunst. Umzug ja, Rückzug nein. Das Altenteil kann warten. Stattdessen: Vorlesungen an der Martin-Luther-Universität, ein wissenschaftlicher Kommentar zum Umweltrecht, die ehrenamtliche Mitarbeit bei der Opferhilfe „Weißer Ring“... Auch die vielfältige hallesche Vereinskultur hält ihn so in Schwung, dass der 75-Jährige noch ab und an den „Sazarro“ geben kann und will.
Tickets für die Veranstaltung am 13. März an der Theaterkasse, Telefon 0345/ 5110777 und im MZ-Service-Center.