1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. World Wide Trauer: World Wide Trauer: Der Tod geht online. Ist das gut so?

World Wide Trauer World Wide Trauer: Der Tod geht online. Ist das gut so?

Von Julius Lukas 29.03.2017, 10:00
Digitale Friedhofskultur: Überall in Deutschland werden Gräber mit QR-Codes versehen. Scannt man die Pixelbilder, bekommt man Informationen über die Verstorbenen.
Digitale Friedhofskultur: Überall in Deutschland werden Gräber mit QR-Codes versehen. Scannt man die Pixelbilder, bekommt man Informationen über die Verstorbenen. DPA

Halle - Die Trauerfeier für Volker Haidt ist ein globales Ereignis. Der beliebte Moderator von Radio SAW wird am 9. März in Magdeburg beigesetzt. Und wer will, kann für etwas mehr als eine Stunde dabei sein. Kann zusehen, wie Ted Stanetzky, einer von Haidts langjährigen Kollegen, durch die Abschiedszeremonie führt.

Fotostrecken werden gezeigt, die mal mit sanfter, mal mit rockiger Musik unterlegt sind. Es gibt Trauerreden und in Einspielfilmen nehmen Freunde, Bekannte und Wegbegleiter Abschied.

Es ist kein ganz ruhiges Gedenken, aber wohl ein angemessenes. Und ein Gedenken, bei dem jeder mit Internetzugang zusehen kann. Denn die Trauerfeier von Volker Haidt wird live ins Web übertragen. Was in Magdeburg am 9. März für etwas mehr als eine Stunde passiert, kann zeitgleich bei der Video-Plattform YouTube verfolgt werden. Dort ist die Zeremonie auch heute noch abrufbar.

Friedhof bei Facebook

Zu dem Schritt ins Internet hatten sich die Angehörigen von Haidt und Radio SAW entschieden. Vor allem, weil die Anteilnahme am Tod des Moderators so groß war. Ein durchaus bemerkenswerter Schritt, der aber immer häufiger gegangen wird. Lange waren öffentliche Übertragungen von Trauerfeiern höchstens Königen und großen Staatsmännern vorbehalten. Mit der Entwicklung der Streaming-Technik, durch die man Videoinhalte mit wenig Aufwand ins Internet übertragen kann, nimmt die Zahl der Beerdigungen im Web ständig zu.

Solche Livestreams sind allerdings nur ein Trend in der Welt von Tod und Trauer, die sich zunehmend auch online widerspiegelt - und das auf so ziemlich allen Ebenen. Für Frank Pasic ist das keine überraschende Entwicklung. „Wir kaufen im Internet ein, pflegen dort Freundschaften und verwalten online unser Geld - warum sollte die Digitalisierung also vor dem Tod haltmachen“, fragt der Vize-Vorsitzende der Fundus-Stiftung aus Halle, die sich für den Erhalt der Bestattungskultur einsetzt.

Das Gedenken an einen geliebten Menschen findet heutzutage immer häufiger auch im Internet statt. Eine Möglichkeit in der Online-Welt um Verstorbene zu trauern, ist abschied-nehmen.de.

Auf diesem Portal der Mediengruppe Mitteldeutsche Zeitung wurden bisher schon über 115.000 Anzeigen geschaltet. Damit ist es eine der größten Trauerwebsites in Deutschland.

Neben einer klassischen Traueranzeige können auf Abschied-nehmen.de auch virtuelle Kerzen angezündet und persönliche Gedenkseiten eingerichtet werden.

Hinzu kommen viele Informationen und Tipps rund um das Thema Trauer und Tod. Etwa ein Branchenbuch, in dem man Bestatter und Steinmetze findet. (mz)

Pasic ist zudem Geschäftsführer eines der größten Krematorien in Mitteldeutschland, Flamarium genannt. Auch dort ist das Onlinezeitalter bereits spürbar. „Bei uns kommt es mittlerweile häufiger vor, dass Feuerbestattungen über das Internet gebucht werden“, sagt Pasic. Dafür gibt es eigene Portale, auf denen Angehörige die komplette Beerdigung planen können - von der Sargauswahl, über den Trauerredner bis hin zum Blumengesteck auf dem Grab.

Hinterbliebene erben auch die digitalen Profile und Spuren des Verstorbenen

„Das hat auch etwas mit der demografischen Entwicklung zu tun“, erklärt Pasic. Familien leben heute nicht mehr zwingend in der gleichen Stadt, oft nicht einmal im selben Bundesland. „Da ist es hilfreich, wenn die Trauerfeier auch von weiter weg organisiert werden kann“, sagt der Flamarium-Geschäftsführer.

Pasic kann in diesem Wandel im Umgang mit dem Tod allerdings kein Problem erkennen. „Erlaubt ist, was den Angehörigen die Trauer gut ermöglicht.“ Ähnlich sieht das auch André Könnecke. Er ist Leiter des Bauwirtschaftsho-fes in Aschersleben und damit auch für den dortigen Friedhof zuständig.

„Friedhöfe haben sich schon immer verändert“, sagt Könnecke. Dass sie nun digitaler werden, sei nur logisch. Und Könnecke ist selber ein Vorreiter auf diesem Feld. Seit 2014 bereits lässt er Gräber mit QR-Codes versehen. Die Pixelbilder kann man mit dem Mobiltelefon scannen und erhält dann Informationen über die Verstorbenen. „So bleibt deren Lebensgeschichte erhalten.“

QR-Codes sind aber bei weitem nicht das einzige Beispiel für die Digitalisierung der letzten Ruhestätten. Es gibt bereits Apps, die Rundgänge über die Begräbnisfelder anbieten. Online sind dann Informationen zu prominenten Verstorbenen hinterlegt. Und seit kurzem nimmt auch die Friedhof-Dichte auf Facebook zu. Aschersleben hat dort bereits seine eigene Seite. „Wir sind ja ein Dienstleistungsanbieter und wollen präsent sein, wo die Bürger sich aufhalten“, erklärt Könnecke den Auftritt beim sozialen Netzwerk.

Spuren in der digitalen Welt

Facebook hat sich aber auch Abseits der Friedhofsseiten als Ort des Gedenkens und der Anteilnahme etabliert. Stirbt jemand, passiert es nicht selten, dass sein Profil beim sozialen Netzwerk zu einer Art Kondolenzbuch wird. Allerdings stellen sich für die Angehörigen im Bezug auf solche persönliche Online-Profile auch ganz praktische Fragen. Denn nach dem Tod eines Menschen erben die Hinterbliebenen auch dessen Spuren im Internet.

Diesem sogenannten digitalen Nachlass, zu dem von Onlinekonten bis zum Blogbeitrag alles gehört, wird in Deutschland bisher allerdings nur wenig Beachtung geschenkt. Eine Studie kam vor zwei Jahren zu dem Ergebnis, dass nur etwa zehn Prozent der Deutschen digital vorgesorgt haben. „Das scheint uns aber noch zu hoch gegriffen“, meint Dennis Schmolk.

Er ist Mitbetreiber von digital-danach.de, einem „unabhängigen Infoportal zum Thema Tod und Trauer im digitalisierten Zeitalter“. Schmolk empfiehlt, sich frühzeitig um die eigenen Online-Hinterlassenschaften zu kümmern. „Meistens hat nur der Verstorbene einen Überblick über seine digitalen Aktivitäten“, sagt Schmolk. „Daher kann er seinen Nachfahren viel schmerzhafte Recherche und Kosten ersparen, wenn er zumindest einen Dokumentation hinterlässt.“

Was von einem Menschen bleibt, ist also längst nicht mehr nur in der analogen Welt zu verorten. Und welchen Wert auch digitale Andenken haben können, zeigt das Video der Trauerfeier von Radiomoderator Volker Haidt. Bisher wurde der Mitschnitt auf YouTube über 23.000 Mal angesehen. (mz)

Die Trauerfeier für den Radiomoderator Volker Haidt ist online weiterhin abrufbar.
Die Trauerfeier für den Radiomoderator Volker Haidt ist online weiterhin abrufbar.
Screenshot/Youtube.com