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"World Skills" in Leipzig "World Skills" in Leipzig: In 22 Stunden zum Weltmeistertitel

Von jan-ole prasse 03.07.2013, 18:04
Tobias Bornschein beginnt in Leipzig mit der Fertigung der Teile für seine Miniatur-Presse.
Tobias Bornschein beginnt in Leipzig mit der Fertigung der Teile für seine Miniatur-Presse. jens schlüter Lizenz

leipzig/MZ - Ein metallischer Geruch liegt in der Luft. Noch ist die riesige Halle drei in der Leipziger Messe menschenleer. Nur die Werkzeugkisten in der Wettbewerbszone deuten an, welches Spektakel hier ablaufen wird. Die meisten sind in Nationalflaggen gehüllt - Österreich, Korea, Niederlande. Ein Hauch von internationalem Flair, der bereits am Dienstag durch die Halle strömt.

Offizieller Start der Weltmeisterschaft der Berufe in Leipzig, der "World Skills", war gestern. Es ist die erste in Deutschland seit 40 Jahren. Mehr als 1 000 junge Handwerker aus aller Welt treten gegeneinander an. Von Friseur über Koch und Autolackierer bis hin zur Mobilen Robotik. Die Arbeiten werden abschließend von einer Jury bewertet - es kommt auf Funktionalität und Genauigkeit an.

Unter den Startern ist auch Tobias Bornschein, einziger Teilnehmer aus Sachsen-Anhalt. Der 22-jährige Industriemechaniker ist Deutscher Meister bei den Polymechanikern. Seine Aufgabe: Er muss an vier Tagen eine Miniaturmaschine bauen, verkabeln und programmieren. Dafür hat er insgesamt 22 Stunden Zeit. Alle Teile müssen selbst gedreht und gefräst werden. „Wir wissen vorher nicht, was wir herstellen müssen. Die Pläne bekommen wir erst kurz vor Beginn des Wettkampfes“, sagt der junge Mann aus Bad Kösen (Burgenlandkreis), der in der thüringischen Firma Viega gelernt hat und dort jetzt als Ausbilder arbeitet.

Das Terrain der World Skills ist für die Firma kein Neuland. Seit sechs Jahren ist immer ein Azubi von Viega Deutscher Meister bei den Polymechanikern geworden. „Wir sind so etwas wie die Talentschmiede“, sagt Bornscheins Ausbilder Chris Beck. Zwar sind in der Polymechanik bei den Deutschen Meisterschaften 2012 nur neun Starter angetreten. Das liegt aber auch daran, dass es den Beruf des Polymechanikers in Deutschland in dieser Form nicht gibt. Er setzt sich aus den Ausbildungsberufen Elektroniker, Industrie- und Zerspanungsmechaniker zusammen.

Doch nicht nur das: Auch die Weltmeisterschaft der Berufe führt in Deutschland noch eher ein Schattendasein. „Hierzulande hat sie einfach nicht den Ruf wie in anderen Ländern“, sagt Beck. In Asien sei die Aufmerksamkeit dagegen viel größer. „Wer hier gewinnt, bekommt maximal einen Termin bei der Bundeskanzlerin, in Korea beispielsweise werden Prämien gezahlt“, sagt Beck.

Der Stellenwert zeigt sich auch in den Ergebnislisten. Bei der letzten Weltmeisterschaft 2011 in London lag Südkorea mit 13 Goldmedaillen auf dem ersten Rang, gefolgt von Japan mit elf. Deutschland landete auf Rang 14 mit einmal Gold, zweimal Silber und und einmal Bronze. In diesem Jahr hofft das Deutsche Team auf mehr. „Ich traue ihm sogar Platz fünf und besser zu“, sagt der Geschäftsführer von World Skills Germany, Hubert Romer.

Tobias Bornschein will dazu auf jeden Fall beitragen: „Alles andere als ein Platz auf dem Treppchen wäre eine Enttäuschung für mich.“ Dafür hat er in den letzten Monaten alles getan, um die Grundlagen zu schaffen. Seine Firma hat ihn ab April von der normalen Arbeit für das Training freigestellt. Jeden Tag arbeitete der Industriemechaniker an einem der bisherigen Wettbewerbsprojekte. „Ich glaube, ich habe allein an die 20 Blechrollmaschinen gebaut.“ Schon die Monate zuvor habe er jeden Tag eine bis zwei Stunden länger gearbeitet, um sich optimal vorzubereiten.

Dennoch ist die Situation in Leipzig eine ganz andere. Rund 200 000 Besucher werden erwartet. Und die schauen den Teilnehmer unmittelbar auf die Finger. So beträgt bei den Polymechanikern der Abstand zu den Zuschauern gerade einmal einen Meter. „Das ist schon komisch, vor so vielen Menschen zu arbeiten“, sagt Bornschein. „Man muss versuchen, das vollkommen auszublenden.“

Das rät ihm auch Nils Muichalik, der weiß, wovon er spricht. Er gewann in London 2011 Silber bei den Polymechanikern und hat auch für Viega gearbeitet. Tobias Bornschein ist für solche Hinweise dankbar: „Klar haben wir vorher miteinander gesprochen.“

Ganz glücklich ist Bornschein mit der Heim-WM aber nicht. „Auf das Ausland hätte ich mich ein wenig mehr gefreut.“ Die Chance wird Bornschein aber nicht mehr haben, denn jeder darf nur einmal an einer Weltmeisterschaft teilnehmen. Die nächste findet 2015 in Sao Paulo in Brasilien statt, da wird dann aller Voraussicht nach ein anderer aus seiner Firma teilnehmen.

Und dennoch, die WM in Leipzig könnte für Bornschein ein unvergessliches Erlebnis werden. Denn so viel Aufmerksamkeit hat er noch nie um sich gehabt. Pressetermin mit der Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU), große Eröffnungsfeier am Dienstag und dazu zahlreiche Interviews sowie Pressetermine. Bornschein gibt zu: „Ein bisschen wie ein kleiner Star fühlt man sich schon.“

Doch der Weg aufs Treppchen wird schwierig. Gestern erfuhr der Bad Kösener seine Aufgabe: Er muss eine Miniaturpresse bauen. „Das wird eine Herausforderung“, sagt sein Ausbilder Beck. „Denn so etwas haben wir noch nie geübt.“