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IHK-Geschäftsklima Schlechter als während der Pandemie - Stimmung in Sachsen-Anhalts Wirtschaft auf Tiefpunkt

Die Industrie- und Handelskammer registriert ein nie dagewesenen Pessimismus in der Wirtschaft. Hauptgeschäftsführer Brockmeier sieht in den Entlastungspaketen des Bundes eine verfehlte Politik. Atomstrom und Fracking hält er für unausweichlich.

Von Julius Lukas 16.11.2022, 20:40
Teures Gas: Stickstoffhersteller SKW musste die Produktion drosseln.
Teures Gas: Stickstoffhersteller SKW musste die Produktion drosseln. Foto: dpa

HALLE/MZ - - Die Analyse der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK) zum Geschäftsklima ist angesichts der Meldungen der letzten Wochen nicht erstaunlich, sie ist jedoch in ihrer Heftigkeit außergewöhnlich: „Was wir jetzt sehen, hatten wir noch nie“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Thomas Brockmeier am Mittwoch. Alle Branchen seien von einem extremen Konjunktureinbruch betroffen. „Selbst während der schlimmsten Corona-Krise hatten wir das nicht.“ Brockmeier fordert deswegen in der Energiepolitik ein Umsteuern auf Bundesebene: „Alles was da ist, muss in den Markt: Atom, Kohle, Gas und erneuerbare Energien.“ Auch das aktuell verbotene Gas-Fracking sollte kein Tabu mehr sein.

Krise könnte sich verfestigen

Für die Konjunkturanalyse wurden 600 Unternehmen aus dem IHK-Bereich im südlichen Sachsen-Anhalt zur aktuellen Lage sowie den Aussichten befragt. Das Geschäftsklima war dabei mit minus 18,7 Punkten auf einem so niedrigen Stand wie seit 2003 nicht mehr. „Und damals hatten wir 20 Prozent Arbeitslosigkeit in Sachsen-Anhalt“, sagte IHK-Konjunkturexperte Danny Bieräugel. Besonders alarmierend sei, dass die Unternehmen aktuell nicht mehr investieren und auch die Personalplanung erstmals seit langer Zeit wieder zurückfahren wollen. „So könnte sich die Krise verfestigen“, meinte Bieräugel.

Die starke Eintrübung des Geschäftsklimas ist – anders als etwa während der Corona-Krise – in allen Branchen zu spüren. Konnten während der Pandemie Industrie und Baugewerbe noch weitgehend ohne Einschränkungen arbeiten, ist das nun anders. Hauptgrund für das ausgeprägte Stimmungstief sind dabei die gestiegenen Preise. Vor allem im Bereich Energie und Rohstoffe gebe es Kostensteigerungen, die nicht ohne weiteres an die Kunden weitergegeben werden könnten. Im Baugewerbe komme noch das Zinshoch hinzu, das viele Bauprojekte unattraktiv mache. „Die Bücher sind zwar noch voll, bei den neuen Aufträgen gibt es jedoch einen deutlichen Einbruch.“

Einige Unternehmen machen bereits Verluste und stellen die Produktion ein, weil sie sich nicht mehr lohnt.

Danny Bieräugel, IHK-Konjunkturexperte

Viele Betriebe hätten aktuell damit zu tun, ihr wirtschaftliches Überleben zu sichern. „Einige Unternehmen machen bereits Verluste und stellen die Produktion ein, weil sie sich nicht mehr lohnt“, sagte Bieräugel. Betriebsaufgaben gebe es allerdings im großen Umfang noch nicht.

Preise müssen runter

Der wirtschaftlichen Krise begegne die Bundesregierung nach Ansicht von Thomas Brockmeier jedoch falsch. „Wer nur auf der Nachfrageseite aufwendige Rettungspakete bei Energieverbrauchern schnürt, doktert überteuert an Symptomen herum“, so der Hauptgeschäftsführer. Die Industrie werde bei den Entlastungen zu wenig bedacht. Dabei brauche sie vor allem eines: sinkende Energiepreise, um wieder wettbewerbsfähig zu produzieren.

Frackinganlage in Wyoming (USA)
Frackinganlage in Wyoming (USA)
Foto: imago images/Nature Picture Library

Um dieses Ziel zu erreichen, müsse die Energie-Knappheit bekämpft werden. Die Wege dorthin seien bekannt: so etwa Gas-Fracking oder deutlich längere Laufzeiten für Atomkraftwerke. „Aber aus offenbar ideologischen Gründen riskiert die Berliner Ampel lieber, dass sich die Wirtschaftskrise vehement verschärft“, warnt Brockmeier. Dabei sei das Flüssiggas, was über die LNG-Terminals in das deutsche Netz eingespeist werden soll, auch nichts anderes als Fracking-Gas. Nur eben aus Nordamerika. „Und das wird dann auch noch klimaschädlich mit großen Tankern über den Ozean gefahren“, so Brockmeier. „Für mich ist das eine Doppelmoral.“