Bernburger Fischhändlerin über fehlendes Personal Bürgergeld oder Fachkräftemangel? Warum eine Unternehmerin keine Mitarbeiter findet
Die Unternehmerin Ivonne Gutzeit muss ihr Geschäft wegen Personalmangels einschränken. Warum sie dafür auch das Bürgergeld verantwortlich macht.
Halle/MZ. - Ein paar freundliche Worte hat Ivonne Gutzeit für all ihre Kunden. Von Montag bis Freitag steht die Bernburgerin mit ihrem Fisch-Mobil auf dem halleschen Wochenmarkt: „90 Prozent der Käufer sind Stammkunden, viele kenne ich mit Namen“, sagt Gutzeit, die mit zwei Verkäuferinnen in dem 260.000 Euro teuren Verkaufsmobil steht.
Die Arbeit auf dem Wochenmarkt ist laut Gutzeit speziell: „Nirgendwo ist man räumlich so nah an den Kunden, auf dem Wochenmarkt sind alle Gesellschaftsschichten, es ist immer etwas los.“
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Personalmangel: Von fünf auf zwei Verkaufswagen
Die 47-jährige Firmeninhaberin, die das Unternehmen von ihrer Mutter übernommen hat, mag ihren Job. „Ich möchte nichts anderes machen.“ Doch Mitarbeiter zu finden, die ihren Elan teilen, ist für sie nicht einfach. „Ich habe aktuell fünf Mitarbeiterinnen, wir sind ein super Team“, sagt Gutzeit. Dazu gehöre eine gebürtige Tschechin, eine Polin und eine Kroatin. Keine der Mitarbeiterinnen sei vorher eine ausgebildete Verkäuferin gewesen. „Was man aber mitbringen muss, ist Freude am Verkaufen.“
Bis zum Jahr 2018 hatte Gutzeit fünf Verkaufswagen, aktuell sind es nur noch zwei. Neben Halle stehen diese auf Märkten in Bernburg, Eisleben und Könnern. „Ich finde einfach nicht das Personal, das ich brauche“, sagt sie. Die Arbeit an der frischen Luft oder mit Fisch schrecke potenzielle Mitarbeiter ab. Wegen Personalmangels steht sie samstags auch nicht mehr auf dem halleschen Markt, auch an Wochenend-Veranstaltungen nimmt sie nicht mehr teil. Anfragen von anderen Städten, auf den Wochenmarkt zu kommen, erteilt sie regelmäßig Absagen. „Klar könnten wir mehr Geschäft machen, doch meine Mitarbeiterinnen und ich haben auch Grenzen.“
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Sie hört oft das Argument: Wer ordentlich zahlt, der findet auch Personal. Dem entgegnet sie: „Ich zahle mehr als Mindestlohn, die Mitarbeiterinnen bekommen Urlaubs- und Weihnachtsgeld und zuletzt auch eine Inflationsprämie.“ Aber die Löhne müssten sich an den Verkäufen orientieren. „Ich kann einer Verkäuferin nun mal nicht 4.000 Euro im Monat zahlen.“
Bewerberin hatte Sorge vor dem Wind
Gutzeit kauft den meisten Fisch in Bremerhaven ein. „Wir machen daraus unter anderem auch Suppe, Heringssalat und Fischbrötchen“, erzählt sie. Den geräucherten Aal bezieht sie von einem Betrieb vom Steinhuder Meer (Niedersachsen). „Dort wird mit Buchenholz geräuchert, das schmeckt man.“ Gutzeit spricht von „ehrlichen Produkten“. Selbst Merseburger und Leipziger würden nach Halle kommen, um bei ihr zu kaufen. Auch Fisch ist im Zuge der Inflation teurer geworden. „Unser Geschäft läuft aber weiter ordentlich“, berichtet sie.
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Ihr Arbeitstag beginnt um 7 Uhr und endet um 18 Uhr. „Mitarbeiterinnen können auch Wechselschichten machen. Wer Kinder hat, kann nur bis zum Nachmittag arbeiten.“ Dennoch würde sich auf Stellenangebote kaum jemand melden. Bei Anfragen an die Arbeitsagentur bekommt sie Listen mit Arbeitslosen zugesandt. „Doch keiner von den Erwerbslosen stellt sich vor“, berichtet sie. „Zuletzt hatte ich eine gute Bewerberin, doch die hat dann auch abgesagt, weil sie Sorge vor Wind im Verkaufswagen hatte“, so Gutzeit.
Sie macht dafür auch das Bürgergeld verantwortlich: „Einigen Arbeitslosen reicht das wohl.“ Gutzeit betont, dass der Sozialstaat wichtig ist. „Doch wer arbeiten kann, der sollte auch arbeiten.“ Sie habe das Gefühl, dass dieser Grundsatz aktuell in Deutschland nicht gilt.