Wie bei Star Trek Dresdner Start-up erobert das All: Mitteldeutsches Start-up stattet Satelliten mit Ionenantrieb aus
Das Dresdner Start-up Morpheus Space setzt auf innovative Ionenantriebe, um die Raumfahrt zu revolutionieren. Diese kleinen, effizienten Antriebe sollen helfen, Kollisionen im All zu vermeiden und Satelliten beweglich zu machen.

Dresden/MZ - Nachdem Daniel Bock schon einige Minuten auf der Bühne stand, schaut der Geschäftsführer von Morpheus Space nach oben. Dort befindet sich eigentlich nur die schmucklose Decke eines Bürogebäudes. Doch Bocks Gesicht erhellt sich, als könne er durch den Beton hindurchschauen, kilometerweit in den Himmel, durch alle Schichten der Erdatmosphäre. „Es ist gar nicht so unwahrscheinlich“, meint der 36-jährige Ingenieur lächelnd, „dass gerade ein Satellit mit unserer Technik an Bord über uns kreist.“
Den Weltraum erobern. Nichts Geringeres ist die Mission von Morpheus Space. Schaffen wollen die Dresdner das mit Satellitenantrieben. Extrem klein, extrem energiesparend, extrem effizient.
Morpheus Space: Pionierarbeit in der Raumfahrt
Sie nutzen dazu einen schon seit den 60er Jahren bekannten physikalischen Effekt, den sie zu einer revolutionären Ionen-Technik verfeinert haben. „Wir sind jetzt das größte Raumfahrtunternehmen Sachsens“, erklärt Daniel Bock auf der Bühne. Das sagt allerdings wenig über die Größe seiner 2018 mit vier Kollegen der Technischen Universität Dresden gegründeten Firma aus, sondern viel mehr etwas über die Branche in Sachsen und darüber hinaus.
Morpheus Space ist eine der wenigen Firmen in Ostdeutschland, die sich überhaupt dem All widmet. Was den „Morphianern“, wie Bock seine Mitarbeiter nennt, hilft: Im Orbit wird es immer voller.
Revolutionäre Ionen-Technik aus Mitteldeutschland
Dass Bock am Dienstag in dem Bürohaus am Rande von Dresden auf der Bühne steht, hat einen Grund: die Eröffnung des ersten Produktionsstandorts von Morpheus Space. Eine Etage hat die Firma gemietet. 1.300 Quadratmeter, in die 1,5 Millionen Euro investiert wurden.
In mehreren Reinräumen soll künftig die „GO-2“ genannte, zweite Entwicklungsgeneration der Morpheus-Antriebsmodule hergestellt werden. „Wir wollen den Weltraum damit zugänglicher, einfacher nutzbar und sicherer machen“, sagt Bock.

Was den Dresdnern in die Karten spielt: Der Weltraum ist wieder interessant. Nachdem die extraterrestrischen Weiten nach der Eroberung des Mondes aus der Mode gekommen waren, setzte in den vergangenen Jahren ein neuer Boom ein.
Die wachsende Bedeutung des Alls
Indien und China landeten zuletzt auf dem Erdtrabanten. Die USA, Russland und Europa suchen weitere Ziele im Sonnensystem. Hinzu kommen private Unternehmen wie Blue Origin oder allen voran SpaceX, die den Weltraumtourismus salonfähig machen wollen, aber auch Telekommunikation und andere Dienste anbieten.
Satelliten helfen heute, Dünger gezielt auf Felder auszubringen, Waldbrände zu überwachen und Verkehrswege zu kontrollieren. „Das All gewinnt an Bedeutung“, sagt auch Daniel Bock. „Es hat aber auch Probleme.“
20.000 Satelliten umkreisen die Erde bereits
Schätzungen gehen davon aus, dass 20.000 Satelliten die Erde umkreisen. „Allein im vergangenen Jahr kamen 2.000 neue dazu“, erklärt Martin Kelterer, der bei Morpheus Space als Chief Operating Officer (COO), der den Betrieb leitet. „Da wird der Platz schon knapp.“
Zwar gebe es um die Erde viel Raum, jedoch hätten Kollisionen weitreichende Folgen. Die Satelliten bewegen sich mit etwa 28.000 Kilometern pro Stunde. Ein Zusammenstoß würde zu einer Splitterwolke führen, die dann ebenfalls um den Planeten rast.

Die Antriebe von Morpheus sollen helfen, solche Szenarien zu verhindern. Denn bisher sind die meisten Satelliten gar nicht manövrierfähig. Sie wurden mit einer Trägerrakete ins All geschossen, auf ihre Umlaufbahn gebracht und dort kreisen sie seitdem.
Herausforderungen im Orbit - Satelliten müssen mobiler werden
Ausweichen ist fast unmöglich. Das hängt auch damit zusammen, dass Antriebe bisher vor allem auf der Verbrennung von Gas basierten. Damit einher ging ein hoher Platzbedarf für Drucktanks, Ventile und Leitungen. Auch ist es teuer, Treibstoffe ins All zu bringen. Deswegen wurde darauf verzichtet.
Der Antrieb von Morpheus geht neue Wege, die klingen, als wären sie Science-Fiction-Serien wie Star Trek entsprungen: In den Modulen wird ein Metall erwärmt. „Welches das ist, sagen wir nicht“, meint COO Martin Kelterer.
Ionenanatrieb wie bei Star Trek macht Satelliten beweglich
Früher hatte Morpheus aber über den Einsatz von Cäsium oder Gallium berichtet. Der Vorteil dieser Metalle ist, dass sie bereits bei Temperaturen um die 30 Grad Celsius schmelzen, wodurch wenig Energie verbraucht wird. Die so entstandene Flüssigkeit wird in ein enges Röhrchen geleitet. „Dort erzeugen wir dann ein starkes elektromagnetisches Feld“, sagt Kelterer.
Das führe dazu, dass Ionen – also positiv geladene Teilchen – aus der Schmelze entweichen. Bekannt ist dieser Effekt als Feldemission. Die Ionen stoßen sich, weil sie gleich geladen sind, gegenseitig ab. Und genau das erzeugt den Vortrieb. Ein Ionenantrieb also, der Satelliten beweglich macht.
Seit 2021 hat Morpheus auch das Patent auf seinen Feldemissionsantrieb
Obwohl die Feldemission schon seit 60 Jahren bekannt ist, wurde sie erst jetzt in dieser Art verwendet. „Wir haben die Technik weiterentwickelt und stark verkleinert“, erklärt Daniel Bock. Die Module seien voller Elektronik im Miniaturmaßstab.
Seit 2021 hat Morpheus auch das Patent auf seinen Feldemissionsantrieb, der bereits dabei half, eine Kollision im All zu verhindern. Die Düsen können jedoch nicht nur vor Crashs schützen, sondern auch komplexe Flüge von Satelliten im Orbit ermöglichen, etwa wenn in verschiedenen Höhen geflogen werden muss.

Ein einzelnes Modul ist nur so groß wie eine Fingerkuppe. Die GO-2-Generation vereint 40 solcher Module zu einem Antrieb, der für kleinere Satelliten ausgelegt ist. Das System ließe sich aber auch noch erweitern.
„Es ist wohltuend, dass solch eine Technologie von Leuten von hier kommt“, sagt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Dienstag bei der Produktionseröffnung. Morpheus Space ist, das kann man wohl so sagen, der Traum eines jeden Landespolitikers: Das Geld, was in die Hochschulen gesteckt wird, zahlt sich wirtschaftlich aus.
Start-up aus Sachsen ist im globalen Maßstab noch ein Zwerg - will aber wachsen
Aus Wissenschaft wird Wertschöpfung, Forscher werden zu Firmenchefs – und das in einer Zukunftsbranche, wo sogar die Vorreiterrolle winkt.
Allerdings: Bei Morpheus Space ist noch Vorsicht angebracht. Die Zahlen des Unternehmens sind noch weit vom Global Player entfernt. Die Firma hat 60 Mitarbeiter und bisher wurden erst zwölf Antriebe tatsächlich verbaut.
In den neuen Produktionsräumen sollen einhundert GO-2-Systeme pro Jahr entstehen. „Wir können das aber auch skalieren, sollte die Nachfrage das hergeben“, sagt Martin Kelterer.
Globale Expansionspläne - Morpheus Space setzt auf Geschäfte mit den USA
So tief die Verwurzelung in Dresden auch ist, seine Kunden wird Morpheus wohl nicht in Sachsen und nicht einmal in Deutschland und Europa finden. „Wir wollen schon auch als amerikanisches Unternehmen wahrgenommen werden“, sagt Kelterer.
Denn dort sitze die große, auch private Raumfahrtindustrie, die nicht wie in Europa hauptsächlich staatlich finanziert ist. Schon 2019, ein Jahr nach Unternehmensgründung, eröffnete Morpheus in den USA einen Standort, der seitdem weiter gewachsen ist.
Viele Investoren, die Geld in die junge Firma gesteckt haben, kommen aus Amerika. Dennoch: Geleitet wird Morpheus weiterhin aus Dresden, sagt Kelterer.
Kann sich der Ionenantrieb aus Sachsen im Weltraum durchsetzen?
Ob sich die Antriebe aus Sachsen durchsetzen, steht – um in der Weltraumsprache zu bleiben – in den Sternen. Zuletzt allerdings besserten sich die Chancen deutlich.
So vereinbarten die europäische und die amerikanische Weltraumagentur als Reaktion auf das Schrottproblem im All, dass künftig jeder Betreiber eines neuen Satelliten, diesen innerhalb von fünf Jahren nach Nutzungsende aus dem Orbit entfernen, ihn also in der Atmosphäre verglühen lassen muss.
„Dazu braucht es ein Antriebssystem“, sagt Morpheus-Chef Daniel Bock. „Und wir hoffen natürlich, dass das möglichst oft von uns geliefert wird.“