Eierknappheit in Sachsen-Anhalt Mit Video: Genug Eier für Ostern? Die Folgen der Knappheit treffen auch andere Produkte
Werden Eier nun das, was Toilettenpapier zu Coronazeiten war? Wie angespannt die Lage in Sachsen-Anhalt ist und was wohl noch auf Verbraucher zukommen wird.

Kemberg/Pretzsch/Sülzetal/MZ. - Wenn Antje Brandt das metallene Tor zur Weide öffnet und über die Wiese läuft, folgen ihr einige Hühner. Immer mehr der braunen Lohmann-Hennen kommen angeflattert, als Brandt frisches Wasser in einen gelben Eimer gibt – aufgeregt gackern sie vor sich hin. „Es heißt nicht umsonst: ,wie im Hühnerstall’“, sagt die Geschäftsführerin von Braune’s Geflügelhof. Obwohl sie nun von Hühnern umringt ist, nach 6.500 Vögeln sieht das nicht aus. Können sie die Nachfrage nach Eiern decken? „Die Hennen legen maximal ein Ei am Tag und nicht, weil Ostern ist, zwei Stück“, sagt Brandt.
Eierknappheit in Sachsen-Anhalt: Warum es vor Ostern weniger Eier gibt
Der Standort in Altenweddingen ist der kleinste von drei, die zum Familienbetrieb gehören. Insgesamt legen hier, in Schwaneberg (beide Landkreis Börde) und Egeln (Salzlandkreis) rund 90.000 Hühner fleißig Eier. Wie viele dabei herauskommen, hänge vom Alter der Herde und davon ab, wie gut es ihr geht, erklärt Brandt. „Irgendwann ist das nicht mehr wirtschaftlich.“
Video: Corona-Effekt - Werden Eier das neue Klopapier?
(Bericht/Kamera: Isabell Sparfeld, Schnitt/Sprecher: Christian Kadlubietz)Hinweis: Sollte das Video nicht angezeigt werden, laden Sie bitte die Seite neu. (F5-Taste)
Deswegen würden Betriebe Herden regelmäßig austauschen. Das sei einer der Gründe für die aktuelle Eierknappheit in Deutschland. Dabei seien es „die normalen Zyklen in der Hühnerbranche“, erklärt sie. Viele Höfe würden die Tiere nach Weihnachten umstallen und neue Hennen kaufen.
Meistens kämen sie im Alter von 18 Wochen und sind etwa einen Monat später legereif. „Aber jede Herde ist einzigartig.“ Dadurch entstehe vor Ostern oftmals eine Eierknappheit. Brandt stallt ihre Herden zum Sommer um, wenn die Nachfrage erfahrungsgemäß geringer ist.
Vogelgrippe lässt Nachfrage nach Eiern in den USA steigen
Doch nun sind auch noch die USA auf Eiersuche. „Wir haben in der Tat eine Anfrage aus den USA erhalten“, teilte ein Sprecher des Bundesverbandes Ei zuletzt mit. Weitere Einzelheiten ließ der Verband, der die Eierwirtschaft hierzulande vertritt, zunächst offen. Der Hintergrund: Nach Ausbrüchen der Vogelgrippe, die zu Zwangsschlachtungen von Millionen von Tieren führten, sind Eier in den USA knapp und teuer.
In US-Supermärkten kostete im Februar ein Dutzend Eier im landesweiten Durchschnitt rund sechs US-Dollar. Gegenüber dem Vorjahr hat sich der Preis fast verdoppelt, berichtet die „Wirtschaftswoche“. Nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums lagen die Preise für zwölf Eier in manchen Regionen im März bereits bei sieben bis neun US-Dollar.
Warnung vor Corona-Effekt: Ausverkauf von Eiern unwahrscheinlich
In Deutschland häufen sich daher Medienberichte, die fragen: Werden zu Ostern die Eier knapp? Die Antwort: Ja, die Eier werden aber nicht ausverkauft sein. Eier gibt es auch hierzulande nicht im Überfluss. Lediglich 73 Prozent der 2023 verbrauchten Eier wurden in Deutschland gelegt. Der Rest wurde importiert – vor allem aus Dänemark, den Niederlanden und Polen.

Laut Hans-Peter Goldnick vom Bundesverband Ei haben die deutschen Lebensmittelhändler wie Edeka oder Rewe langfristige Lieferverträge zu festgelegten Preisen. „Die werden erst im August wieder neu ausgehandelt“, sagt Goldnick dem RBB. Schwieriger sei es für industrielle Hersteller, die auch kurzfristig größere Mengen von Eiern kaufen.
Goldnick warnt jedoch auch vor einem Corona-Effekt: „Wir müssen nur aufpassen, dass wir nicht in diese Corona-Diskussion kommen und wir mit den Eiern genauso umgehen wie mit dem Klopapier. Wenn jeder statt einer Schachtel nun zwei Schachteln kauft, dann ist der Markt leer, das ist so.“
Eier-Nachfrage steigt auch in Sachsen-Anhalt
Das sieht auch Brandt vom Geflügelhof in der Börde so. „Man merkt, dass es eine gewisse Angespanntheit gibt“, sagt die Landwirtin. Die Nachfrage ihrer Bestandskunden sei gestiegen. Unter anderem, weil andere Höfe nicht in dem Maß liefern können. Auch neue Händler würden aktuell Eier bestellen wollen. „Man muss geschickt kalkulieren. Noch können wir liefern.“ Das vergleichsweise späte Osterwochenende im April gebe einen Puffer, um noch mehr Eier zu produzieren.
Dennoch sagt Brandt: „Richtung Osterfest geht es langsam an die Grenzen“. Eier sind ab dem Legedatum etwa 28 Tage haltbar. Wer jetzt welche kauft, kann diese bis Ostern aufbewahren. „Eigentlich erhält ein Ei erst nach neun Tagen das volle Aroma“, so Brandt. Sie rät aber trotzdem davon ab, sich jetzt mit übermäßig vielen Eiern einzudecken. „Es wäre viel schlechter, wenn alle Hamsterkäufe machen würden.“
Preise für Eier bleiben stabil
Kleinere Eierproduzenten in Sachsen-Anhalt sehen die Lage noch entspannt: „Die Eier sind etwas knapper als sonst, aber nicht in einem besorgniserregenden Ausmaß“, berichtet Thomas Gutzmer, Chef der Agrargenossenschaft in Pretzsch (Landkreis Wittenberg). Sein Betrieb hält rund 17.000 Legehennen. Trotz der höheren Nachfrage hält Gutzmer die Preise im Direktverkauf stabil – für 25 Cent pro Ei.
Der Preis ist aus Sicht des Vorsitzenden fair. Sorgen bereitet ihm der jüngste Ausbruch der Geflügelpest im nahe gelegenen Gaditz: Pretzsch liegt im Zehn-Kilometer-Radius, Gutzmers Hühner dürfen vorerst nicht mehr ins Freie. „Wir dürfen aktuell mit Ausnahmegenehmigung weitermachen, unter strengen Sicherheitsvorkehrungen – zum Schutz unserer Tiere“, sagt er.
Einen starken Nachfrageanstieg beobachtet Markus Bösch aus Rotta bei Kemberg. Der Agrarwissenschaftler betreibt dort einen Hofladen, in dem er neben Fleisch- und Wurstwaren auch Eier verkauft. „Die Nachfrage ist um 30 bis 50 Prozent höher als sonst“, berichtet er. Normalerweise steige das Geschäft erst kurz vor Ostern; in diesem Jahr begann der „Boom“ schon früher. Er führt das auf die mediale Berichterstattung zurück.

Die Weiden in Altenweddingen sehen zwar trotz tausender Hühner recht leer aus, aber das ist kein Wunder bei vier Quadratmetern pro Freilandhuhn. Hinzu kommt, dass der Familienbetrieb einen Teil der Tiere in Bodenhaltung leben lässt. Im Stall leben Hühner hygienischer, wie Brandt erklärt. Dort seien die Tiere unter sich und somit einer geringeren Keimbelastung ausgesetzt. Dementsprechend falle die Legeleistung bei den Hennen etwas höher aus.
Die Preise für die proteinreichen Lebensmittel bleiben bei Braune’s konstant, auch für Großhändler. Der Geflügelhof ist regional in Magdeburg und Umgebung im Einzelhandel gut eingebunden. „Wir setzen auf eine stabile Kundenstruktur“, erklärt Brandt. Es gebe immer Schwankungen. Mal profitieren die Verbraucher, mal die Produzenten.
Eierpreise: Steigende Kosten belasten Lebensmittelbranche
Aber Eier sind nicht nur ein Frühstücksprodukt. Sie stecken auch in Gebäck, Eis, Kosmetik, Soßen und Panade. Ein Kilogramm Eigelb habe sich im Vergleich zum Vorjahr etwa um ein Drittel verteuert, sagt Brandt. Das betrifft Bäckereien genauso wie Tiernahrung und Nudeln. „Die Rohstoffkosten sind enorm gestiegen und belasten die Betriebe nachhaltig“, teilt Vehid Alemić, Hauptgeschäftsführer vom Verband der Ernährungswirtschaft, mit.
Der Großteil der Lebensmittelindustrie, der Ei verwendet, sei betroffen. Das werde besonders die „kleinen und mittelständischen Betriebe nachteilig betreffen.“ Inwiefern die Kosten an die Verbraucher weitergegeben werden, kann Alemic noch nicht sagen.