Weltreisende aus Hettstedt Weltreisende aus Hettstedt: Die Tour ihres Lebens

Hettstedt - "Wo geht’s ’n hier nach China?“ - über diese Frage können sie heute noch lachen. Stevo Karabas und Tobias Unterwegs. Wer das ist? Zwei Hettstedter, die sich diese Namen für ihren Blog gegeben haben. Der ist voller Fotos und abenteuerlicher Berichte. Mehr als zwei Jahre waren sie bis vor einer Woche per Auto unterwegs, seit dem 1. Mai 2013. Von Europa ging es ostwärts bis Wladiwostok, dann über Japan südwärts bis Australien, zurück über Südostasien und den Nahen Osten. Den Fragesteller mit dem Fahrrad trafen Steven Agte und Tobias Gabrowitsch - wie die zwei Reisenden tatsächlich heißen - während ihrer Tour mitten in der Wüste in der Mongolei. Hoffentlich hat er China gefunden.
Der Plan
Schon während seiner Schulzeit träumte der 29-jährige Steven vom Abenteuer Weltreise, „aber damals waren das noch Hirngespinste“, erzählt er. Sein 30-jähriger Schulkamerad Tobias wollte „mit dem Bus durch Europa oder so“, aber auch das war nur eine vage Vorstellung. Konkret wurde das Unternehmen etwa drei Jahre vor dem Start. Ab da hieß es sparen, denn zuerst musste ein Auto her. Und die Ausbildung abgeschlossen werden. Steven Agte hatte 2011 sein Diplom als IT-Techniker in der Tasche und arbeitete schon während seines Studiums in einer Firma, die ihn übernahm. Tobias Gabrowitsch war bereits seit 2008 Einzelhandelskaufmann und hangelte sich seitdem ohne Perspektive durchs Unternehmen. Im Herbst 2012 war klar: Wir wollen los. Sie schauten im Netz: Wo ist es schön? Was wollen wir sehen? Dann galt es, eine Reiseroute zu entwerfen und auf die richtige Jahreszeit für den Start zu warten. Der Mai erschien günstig, im Oktober sollte Wladiwostok erreicht sein, im November Japan gen Australien wieder verlassen. So begann es.
Das Auto
Ein Mitsubishi Pajero, Baujahr 1998, aus erster Hand. Probefahrt 2011 in die Ukraine. Kilometerstand bei Start der Australien-Tour: 102 000. 193-mal wurde getankt unterwegs, zurzeit steht das robuste Gefährt mit 197 000 Kilometern auf dem Tacho in der Werkstatt, danach gibt es auch wieder eine TÜV-Plakette. 20 bis 30 Reifenplatzer stehen im Reisetagebuch, eine neue Dieselpumpe war für 2 000 Dollar in Australien fällig, irgendwo in Kasachstan wurde der Auspuff geschweißt, Kratzer und Beulen bleiben als liebevolle Erinnerungen - das war’s. „Wir sind nie so liegengeblieben, dass wir nicht weiterfahren konnten“, sagt Steven.
Die Menschen
„Wir sind überall anderen Weltreisenden begegnet“, erzählt Tobias. „Die reisten mit Fahrrad, Motorrad, Wohnmobil.“ Eine französische Familie mit drei Kindern im Wohnmobil trafen sie in Thailand. Kontakt haben sie bis heute zu einem unternehmungslustigen Möllendorfer, die Bekanntschaft rührt aus Usbekistan. Mit einem Deutschaustralier - er war mit dem Motorrad auf dem Weg zur Oma in Deutschland - reisten sie von Myanmar bis Istanbul gemeinsam. Staunen, Freude, Hilfsbereitschaft, Gastlichkeit - das waren die Reaktionen der Einheimischen. In jedem Land, das sie bereisten, immerhin 35 an der Zahl. Myanmar übrigens, „da waren die freundlichsten, lustigsten und höflichsten Menschen, die ich je getroffen habe“, sagt Tobias Gabrowitsch. Immer mal wieder eine Mail geht auch seit dem Abschied an ihren australischen Chef - man schätzt sich nach monatelanger Zusammenarbeit auf einer Baustelle. Und natürlich waren auch stets die Daheimgebliebenen präsent. „Internet gibt es überall“, weiß Steven Agte heute, „auch im kleinsten mongolischen Dorf.“ Und so konnten per Blog und Skype ihre Familien und Freunde jederzeit ein Stück mitreisen.
Die Erlebnisse
Die sind so vielfältig, dass es den zwei Hettstedter Abenteurern schwer fällt, etwas hervorzuheben. Die Vulkane in Indonesien nennt der eine als spektakulärsten Eindruck, der andere erinnert sich an den Gaskrater in Turkmenistan als beeindruckendstes Naturerlebnis. Einig sind sich beide beim schönsten Land: „Der Iran!“, tönt es wie aus einem Mund. Die Landschaft ist es, die sie schwärmen lässt, und auch die Einheimischen tragen zum guten Eindruck bei. Couchsurfen bei Ali mit anderen Touristen - das war schon etwas sehr Besonderes. Sie erinnern sich an die Kinder, die mit einem Auto nachts in der kasachischen Steppe bei ihnen auftauchten, um sie zu begrüßen. An ihren Hunger in Laos, der sie in ein Restaurant führte, in dem offensichtlich Gedärme zu Essen verarbeitet wurden. Sie konnten sich nicht überwinden. „Auch die gerösteten Kakerlaken waren mir zu groß, um abzubeißen“, erzählt Tobias. „Das andere Krabbelzeug hat aber geschmeckt wie Erdnüsse“, bekennt er freimütig. Sie erinnern sich an Tasmanien, das sie mit einem Mietwagen bereisten, an die Einsamkeit des australischen Outbacks. „Wir sind gelassener geworden“, ziehen sie als Fazit, „wir wissen heute bei Problemen: Es geht immer irgendwie weiter.“
Der Alltag
Im November 2013 waren die Weitgereisten am Zwischenziel. Per Flugzeug von Japan in Sydney angekommen, das Auto im Schiffscontainer auf dem Weg zu ihnen. Und: Sie waren pleite. Arbeit musste her und zwar schnell. Gar nicht so einfach in der Weihnachtszeit und so versuchten sie sich als Fensterputzer, im Catering, als Küchenhelfer. Dann klappte es endlich mit einem guten Job als Bauhelfer. Sie mieteten ein Appartement nahe der Baustelle („Ohne Auto zu erreichen, das sparte Geld.“) und gingen nahezu acht Monate lang von Montag bis Samstag täglich zehn Stunden arbeiten. Aus der Baugrube, die sie mit aushoben, sind inzwischen 400 Wohnungen gewachsen und werden gerade bezogen. „Am Wochenende haben wir nur mal gewaschen und geschlafen“, erzählen sie von dieser Zeit. Was noch bleibt: gute Englischkenntnisse.
Die Rückreise
Es begann mit einem Plan. Der Verdienst auf der Baustelle war gut, Arbeit reichlich vorhanden, warum also nicht länger bleiben als ursprünglich geplant? Wieso das Auto per Schiff zurück nach Europa schicken und selbst fliegen? „Wir fahren die Strecke“, beschlossen die Abenteurer, „und kommen statt Weihnachten 2014 erst im Sommer 2015 zurück.“ Per Blitzbesuch brachten sie das im Sommer 2014 ihren Eltern bei, flogen wieder zurück nach Sydney und gingen weiter arbeiten. Das finanzielle Polster für eine Auto-Tour nach Europa musste erklecklich sein. Neun Monate dauerte sie schließlich und toppte so manches Abenteuer noch einmal. Beim großen Erdbeben waren sie auf dem Weg nach Kathmandu, Nepal hieß es dann schnell wieder verlassen. In Pakistan ging es nur mit Begleitung von Checkpoint zu Checkpoint. Auf der Etappe entlang der afghanischen Grenze schützten zwei große Autos mit zwölf Mann Besatzung. Ihre größte Sehnsucht zur Rückkehr stillten sie in einer Raststätte nahe Dresden: Bockwurst mit Brötchen und Senf.
Die Zukunft
Jetzt sind die Heimkehrer wieder im Alltag gelandet. Arbeitslos, doch die ersten Bewerbungen hat Tobias Gabrowitsch schon von Thailand aus auf den Weg gebracht. Steven Agte wird am 1. September bei seiner alten Firma in Magdeburg anfangen können, das erfuhr er, als er noch im Iran unterwegs war. Und dann? Da grienen die zwei Globetrotter. „Vielleicht eine Familie gründen“, meint Tobias, „Fuß fassen.“ Aber da sind ja noch ein paar Kontinente, fällt ihnen dann ein, und so sagen sie nur: „Sag niemals nie!“
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