1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Weltmeisterschaft: Weltmeisterschaft: Der Boxer vom Dorf

Weltmeisterschaft Weltmeisterschaft: Der Boxer vom Dorf

Von PETRA SZAG 14.05.2009, 18:42

POLLEBEN/MZ. - Tauben gurren, irgendwo in der Nachbarschaft bellt ein Hund. Überall grünt und blüht es. "Ist das nicht idyllisch hier?", fragt Timo Hoffmann und grinst. "Hier gibt es nichts. Keinen Supermarkt, keine Kneipe. Nicht mal Handyempfang habe ich." Heute jedoch muss der Profiboxer die Idylle verlassen, um in Magdeburg gegen den Südafrikaner François Botha im Kampf um einen Weltmeister-Titel anzutreten.

Seit mehr als zwei Jahren ist der Eichenhof in der Gemeinde Polleben das Zuhause Hoffmanns. Vier Kilometer von seinem Elternhaus entfernt, in dem er aufgewachsen ist. "Ja, ich bin ein Junge vom Dorf", sagt er. "Eigentlich bin ich ja nur zu meinen Wurzeln zurückgekehrt. Hier gehöre ich hin."

Die prächtige Eiche vor seinem Gehöft, die dem alten Gut seinen Namen gibt, steht da wie auf Bestellung des Boxers. Sein Kampfname ist "Deutsche Eiche". So symbolisiert der Baum vor seinem Hof das, was Hoffmann im Ring verkörpern will: Größe, Stärke, Standhaftigkeit. Und auch die imposante Glocke am Eingangstor, die die herkömmliche Klingel ersetzt, lässt eine Querverbindung zu Hoffmanns sportlicher Leidenschaft zu. "Alles Zufall", versichert der Mansfelder. Seine Entscheidung für das denkmalgeschützte Anwesen, dessen Geschichte bis in das Jahr 1725 zurückverfolgt werden kann, haben weder Eiche noch Glocke beeinflusst. "Ich wollte schon immer einen eigenen Hof. Und hier hat einfach alles gepasst."

Box-Camp in Florida

Seine Karriere hat den 34-Jährigen schon in die ganze Welt verschlagen. In Großstädten wie Köln und Berlin hat Hoffmann zwischenzeitlich trainiert. Eine Zeit lang war Frankfurt (Oder) sein sportliches Zuhause. Und in einem Box-Camp in Florida hat er versucht, sein Handwerk zu vervollkommnen. Heimisch geworden ist der Weltenbummler aber nirgendwo.

Im Eichenhof dagegen fühlte der gelernte Bäcker sich auf Anhieb zu Hause. Das alte, senffarbene Bauernhaus, die beiden großen Scheunen, zwei kleine Teiche und das Taubenhaus mitten im Hof vermitteln Urlaubsromantik. "Dabei ist das Leben hier alles andere als einfach. Das ist nun einmal kein Ponyhof." Immer gebe es auf den 4 000 Quadratmetern etwas zu tun. Holzhacken, die Täubchen füttern, sich um den Gemüsegarten kümmern.

Zurzeit liegt die Hauptlast des Tagtäglichen auf den schmalen Schultern seiner Lebensgefährtin Annette Wernicke. Seit mehr als zehn Jahren lebt er mit der aus Hettstedt stammenden Polizistin zusammen.

Im Augenblick ist der Profiboxer beruflich ziemlich eingespannt. Die Konzentration gilt seit einigen Wochen ganz seiner Hände Arbeit im Ring. Denn heute kämpft er in Magdeburg gegen Boxlegende François Botha aus Südafrika um einen WM-Titel. Und Hoffmann ist zum Siegen verdammt. Verliert er, kann der Boxer die Handschuhe an de Nagel hängen. "Das Training hatte zuletzt Priorität. Deshalb muss auf dem Hof auch mal was liegen bleiben", sagt Hoffmann. Nach dem Kampf arbeitet er alles wieder auf. Dann will er Zäune ziehen. Auch um den Fischteich, damit Tochter Ronja nicht hineinfällt.

Die Kleine, so erzählt er, verleihe ihm ein ganz neues Lebensgefühl. "Wenn ich sie in meinen Armen halte, weiß ich, wofür ich das alles tue." An seinem 34. Geburtstag, am 25. September, war sie im Krankenhaus in Halle-Dölau zur Welt gekommen. Hoffmann war dabei. Und er ist noch heute schwer beeindruckt. "Das war keine leichte Sache. Hut ab vor allen Frauen", sagt der Schwerstarbeit gewöhnte Leistungssportler. Irgendwann einmal, erzählt Hoffmann weiter, wolle er noch mehr Kinder haben.

Hilfe von Freunden

Langeweile kommt auf dem Eichenhof nicht auf. Die Kleine hält ihn ganz schön auf Trapp, und neuerdings liest er viel. Sogar auf das Fernsehen könnte er verzichten. Aber da macht seine Lebensgefährtin nicht mit. Außerdem: So richtig einsam ist es ja eigentlich auch nie. Denn immer wieder kommen Freunde. "Sie helfen mir bei vielen Dingen. Ich bin nicht so der Handwerker", sagt Hoffmann.

Auch im Training ist er nicht gern Einzelkämpfer. In seiner zum Fitness-Studio ausgebauten ehemaligen Scheune stemmt er nicht nur gemeinsam mit seinen Kumpels die Hanteln. Auf dem überdachten Sandplatz wird gebolzt und Volleyball oder Badminton gespielt. Zwischen den Kämpfen hält sich Hoffmann - ganz ohne Traineranweisungen - in seiner Sportscheune fit. "Das ist der Vorteil des Alters. Man weiß, was zu tun ist." Trainingslager in der Ferne und der ganze Show-Rummel vor einem Kampf - auf all das kann er verzichten. "Die Glamourwelt ist nicht mein Ding. Ich brauche auch den ganzen Luxus nicht", so Hoffmann. "Der Hof ist mein Luxus." Der sei wie ein Kind, "er wächst und entwickelt sich. Ich bin gespannt, was mir die Zukunft bringt."

Ideen hat der Naturbursche eine ganze Menge. Schafe will er sich demnächst anschaffen, noch einen Obstgarten anlegen und Wein anbauen. Angst, sich zu übernehmen, kennt die "Deutsche Eiche" nicht. "Ich bin mit mir im Einklang", sagt Hoffmann. Wohl auch dank seines Gehöfts. "Der Eichenhof ist mein Ruhepol, mein ganz persönliches Paradies."