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Weihnachtsmärkte Weihnachtsmärkte: In Glühwein-Laune

Von Ralf Böhme und Maria Böhme 18.12.2011, 19:05

Halle (Saale)/MZ. - Einmal ohne, einmal mit Schuss. Wie immer. Knecht Ruprecht am Ausschank kennt das Paar. Man könnte fast die Uhr am Roten Turm nach ihm stellen. Jeden Tag, kurz nach 19 Uhr, lassen sich Elvira und Hans die Becher mit Glühwein füllen. Der Nachhauseweg von der Arbeit oder vom Einkauf führt die Sekretärin und den Service-Ingenieur einmal quer über den Weihnachtsmarkt in Halle. Inzwischen können die beiden Mittfünfziger wirklich mitreden. "Wir kennen jeden Glühweinstand", sagt der Mann. Und noch etwas: "Wie schnell man mit anderen Leuten ins Gespräch kommt, das macht gute Laune", freut sich die Frau. Der Weihnachtsmarkt ist der Treffpunkt in der Stadt - und immer ein Ereignis. Diese Erfahrung deckt sich mit den Erlebnissen vieler Besucher. Standbetreiber Ralf Meier aus Halle, eine Institution im Markttreiben, schätzt: "Ungefähr ein Drittel der Kundschaft sind Stammgäste." Sogar ein Minister , dessen Namen er für sich behält, lege dann und wann hier eine Pause ein. Mit vielen Gästen, darunter Professoren und Anwälten, ist Meier beim freundschaftlichen Du. Kein Wunder, für ihn ist es die 20. Saison als Mundschenk im Schatten der Weihnachtstanne. Seine Zwischenbilanz: "Es läuft immer besser." Anfangs undenkbar, inzwischen Tradition: Teams, die im Büro zusammenarbeiten, pendeln nach dem Stress am Arbeitsplatz am Glühweinstand aus. Auf Diskretion legt Meier großen Wert, doch so viel verrät er: Selbst Männer und Frauen, die im Job eine schwarze Robe oder einen weißen Kittel tragen, schwören auf Glühwein aus der Provence. Das Getränk rege offenbar zu neuen Gedanken an. "Da werden erstaunliche Projekte entwickelt", so Meier. Und manchmal würden sogar Wunder geschehen. "Ein Student auf Krücken trank kürzlich vier Becher leer, dann verabschiedete er sich und ging - ohne Krücken."

Christian Schaffrath aus Wansleben am See (Mansfeld-Südharz), der eine der größten Glühweintheken betreibt, sieht das Erstaunlichste am Weihnachtsmarkt "in seiner wunderbar lockeren Atmosphäre". Anders als in anderen Städten stünden die Buden aufgelockert und schön verteilt. Es gebe eine Angebotsvielfalt bis hin zur Bücher-Box, aber alles bleibe noch überschau- und deshalb erlebbar. Gut kommt das Konzept auch bei Cosima Schlegelhut und Rainald Katz aus dem bayrischen Passau an, die vor ihrer Hochzeitsreise auf die Malediven ein Wochenende in Halle erleben. Cosimas Fazit: "Der Glühwein schmeckt besser als bei uns zu Hause."

Und sogar das Wetter spielt mit, obwohl es keine winterliche Pracht gibt. "Schneematsch und eiskalter Wind", sagt Standbetreiber Schaffrath aus Erfahrung, "da bleiben viele zu Hause." Nur die Härtesten würden ihn dann besuchen. "Auf die Bundeswehr ist aber stets Verlass, die machen bei mir ihre Manöver-Kritik und bauen immer eine Pyramide aus Glühweinbechern", sagt er. Und auch der alljährliche Glühweintest, den fröhliche Krankenschwestern aus den Uni-Kliniken wagen, fällt nie aus. Ungeschlagener Renner 2011: Heidelbeer-Glühwein.

Wenn es dunkel wird, dann nimmt auch das Flirt-Karussell Fahrt auf. Im Schein tausender Lichter ist alles ganz einfach. Wer Anschluss sucht, stellt sich mit an einen der vielen Stehtische. Gabor Vaczi macht Mut: "Es ist ganz leicht, hier in Kontakt zu kommen." Harald Ihle weiß auch einen Grund, warum das so ist: "Man kann miteinander reden, weil die Musik nicht so laut wie in einer Disko ist." Und Mirko Winter schätzt vor allem den Umgangston. "Duzen ist ganz normal, das ist einfach ein entspannter Umgang." Bianca Hedderoth beispielsweise sieht gute Chancen, gerade auf dem Weihnachtsmarkt einen neuen Freund kennenzulernen. Diplompsychologe Ingolf Rosenfeld verweist in diesem Zusammenhang sogar auf empirische Studien. Sehen und gesehen werden - beides sei auf dem Weihnachtsmarkt wirklich kein Problem. Allerdings könne das natürlich immer nur ein Anfang sein. Wie es nach der Glühwein-Laune weiter gehe, könne niemand vorhersagen.

Die andere Seite der Medaille: Wenn der Budenzauber lockt, dann bleibt manche Kneipe in der Innenstadt leer. "Die Hälfte der Kunden bleibt deswegen weg oder kommt viel später als sonst, sagt Franziska Hoppe, Mitarbeiterin der mexikanischen Enchilada-Bar. Ähnlich äußern sich Wirte aus der Kleinen Ulrichstraße. Bei ihnen steppt der Bär erst nach 22 Uhr. Dann ist offizieller Ausschankschluss auf dem Weihnachtsmarkt.