Vornamen Vornamen: Crazy Horse Müller?
Eisleben/MZ. - Sind Namen mehr als Schall und Rauch? Nomen est Omen - der Name ist ein Zeichen, mindestens. Klar, Eltern verbinden damit Hoffnungen, Erwartungen, Träume oder Erinnerungen. Aber Kinder müssen für deren schicksalhafte Entscheidung mitunter regelrecht büßen. So belegt eine Studie der Universität Oldenburg, dass einige Namen Vorurteile auslösen und sogar die Bildungschancen des Kindes beeinflussen können. Demnach schließen die Lehrer bei manchen Namen auf intelligente Kinder, andere Namen führen indes zu der Annahme, der Schüler sei leistungsschwach.
Welche Namen im Trend liegen, erfahren Forscher auch aus der Mitteldeutschen Zeitung. Die Geisteswissenschaftlerin Yvonne Thormann von der Universität Leipzig wertete über Jahre die Rubrik "Baby des Tages" in Mansfeld-Südharz aus, die mit Einverständnis der Eltern die Fotos und Angaben von Neugeborenen zeigt. Im Fokus standen Vornamen. Ein Zwischenergebnis der Studie, die 2006 begann: "Dieser Landstrich kann als Spiegel deutscher Verhaltensmuster verstanden werden." Nach Auswertung von 1 124 Personalien entspricht die Region in der Namensgabe dem bundesdeutschen Durchschnitt. Erklärungen dafür gibt es noch nicht.
Thormanns Statistiken lassen sich wie Hitlisten lesen. Über die Jahre teilen sich bei den Mädchen Lea, Leonie, Anna, Hanna / Lena sowie Laura / Mia in der Reihenfolge die Ränge. Als Dauerbrenner bei den Jungen stehen derweil hoch im Kurs: Jason, Felix, Leon / Tim, Paul / Luca und Ben. Das bleibt nicht ohne Folgen. Fast 20 Prozent aller Sprösslinge im Mansfelder Land hören auf diese Vornamen, mehrere Schreibweisen eingeschlossen. Deutungsmöglichkeiten gibt es viele. Als ein Ansatzpunkt dienen Auffälligkeiten wie diese: Weibliche Namen mit den weich und wohlklingend empfundenen Anfangsbuchstaben L, A und M sind offenkundig besonders beliebt. Bei Jungen hingegen fehlt eine solche Dominanz. Eine andere Gemeinsamkeit: Das Interesse an englischen Namen - von Alex über Justin bis Tyson, von Amy Jo-Ann bis Zoe ist ungebrochen. Deren Anteil liegt immerhin bei 35 Prozent.
Über diese Studie hinaus beschäftigen sich die Sprachwissenschaftler vom Namenskundlichen Zentrum der Universität noch mit anderen Eigenarten. So geben immer mehr Eltern ihrem Nachwuchs mehrere Vornamen. Anders als vor 20 oder 30 Jahren gibt es wieder Anleihen bei biblischen Vorbildern wie Adam oder Elias. Beliebte Zweitname sind neuerdings auch lange fast in Vergessenheit geratene altdeutsche Namen - Oskar, Karl oder Hildegard.
Wer aber sind die Aufsteiger der Saison? Ben und Mia, letztere eine Kurzform von Maria, heißen die Sieger 2011. Viele Standesämter - 275 an der Zahl - haben die Leipziger Namensforscher bei ihren Erhebungen unterstützt. Ihr Fundus: 158 000 Vornamen. Dass einige wenige Namen sehr oft vergeben werden, überrascht manchmal selbst die Fachleute. Sprachwissenschaftlerin Gabriele Rodriguez, die seit 1994 im Namenskundlichen Zentrum arbeitet: "Schließlich glauben Eltern natürlich, dass ihr Kind etwas ganz Besonderes ist und suchen deshalb einen möglichst individuellen Namen."
Wer sich dabei nicht sicher ist, kann in Leipzig ein Gutachten bestellen. Über 3 000 Anfragen gehen jährlich ein. "Mitunter ist das recht aufwendige Arbeit", betont Dietlind Kremer, Chefin von zehn Mitarbeitern. Bundesweit gibt es nur noch eine weitere Einrichtung dieser Art, die Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden.
An manche Recherche erinnern sich die Forscher noch nach Jahren, beispielsweise an die Idee von Eltern und Indianer-Fans: Crazy Horse - zu deutsch: Verrücktes Pferd - sollte ihre Tochter zunächst heißen. Da brauchen sich die Experten nicht einmal nach ihren Regalen mit internationaler Fachliteratur umzudrehen. Solche Vorschläge finden bei deutschen Standesämtern wegen der zu erwartenden Nachteile für das Kind keine Gnade.
Andererseits, allein im Mansfelder Land ist der bis vor einigen Jahren hierzulande völlig unbekannte Name Maddox schon mehrfach beurkundet worden. Dieser Impuls stammt, vermuten die Namenskundler, von der US-Schauspielerin Angelina Jolie. Der Grund: Ihr erstes adoptiertes Kind hört auf diesen Namen. Aber auch Blue, Peaches und Apple finden zunehmend Eingang in Geburtsurkunden. Selbst wunderlich anmutende Schreibweisen wie Seimen statt Simon kommen, wissenschaftlich erklärt, zu ihrem Recht. In diesem Falle lässt sich ein Bezug zu einem türkischen Vornamen herstellen.
Was werdende Eltern beachten sollten: Grundsätzlich gilt zwar die freie Wahl des Vornamens, aber: Fünf Vornamen sind nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes genug. Die Richter haben schon 2004 entschieden, dass der Staat die Pflicht habe, das Kind vor einer verantwortungsloser Namenswahl durch die Eltern zu schützen. Zwölf Vornamen hätten einen belästigenden Charakter, so ihre Begründung. Das Argument erscheint einlechtend: Eine Mutter hatte ihren Sohn Chenekwahow Tecumseh Misiskau Kioma Ernesto Inti Prithibi Pathar Charjara Majim Henriko Alessandro nennen wollen.