Vermisstenfall Alexandra Ryll Vermisstenfall Alexandra Ryll: Mühsame Suche nach Spuren
Neujanisroda/MZ. - Es ist mühsame Kleinarbeit, welche die Männer in Schutzanzügen leisten. Holzlatte für Holzlatte wird begutachtet und aus dem Schuppen geschleppt. Wie viel die Männer vom Landeskriminalamt (LKA) auf dem Grundstück von Jens S. in Neujanisroda (Burgenlandkreis) zu tun haben werden, offenbart sich bald. Der Schuppen ist voll mit Betonschalungen und Holz, das der 38-Jährige in dem per Ofen geheizten früheren LPG-Gebäude als Brennstoff nutzt. Selbst der Flur des Hauses macht alles andere als einen aufgeräumten Eindruck.
Jedes Detail muss genau unter die Lupe genommen werden. Die Ermittler suchen Spuren, die auf Alexandra Ryll hindeuten. Das Handy der jungen Frau, die Ende 2004 verschwand, wurde bei S. gefunden, als die Polizei im Haus nach Spuren einer Vergewaltigung suchte. S. war am Donnerstag von seiner ehemaligen Lebensgefährtin angezeigt worden. Die Vermutung, er könnte etwas mit dem Verschwinden der Nachbarin zu tun haben, liegt nahe. Alexandra Ryll soll öfter im Kontakt mit ihm gestanden und Besorgungen erledigt haben, weil er kein Auto besitzt.
"Der Mann ist seit heute offiziell im Beschuldigtenstatus im Fall Ryll", erklärte Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Neufang am Donnerstagmittag. Es bestehe der Verdacht, dass Alexandra Ryll einem Kapitalverbrechen zum Opfer fiel. Der 38-Jährige gebe bislang aber nicht zu, etwas mit dem Verschwinden seiner Nachbarin zu tun zu haben.
Laut Neufang war S. schon einen Tag nach der Vermisstenanzeige das erste Mal befragt worden. Ob zu dem Zeitpunkt definitiv ein Alibi abgefragt wurde, konnte er gestern nicht sagen. Für eine Durchsuchung des Grundstückes hätten die Ansatzpunkte jedoch nicht ausgereicht, betonte Neufang noch einmal auf die Frage, ob die Überprüfung nicht schon im November möglich gewesen wäre.
In Neujanisroda sind die Reaktionen verschieden. "Ich habe der Polizei damals schon gesagt: Vergesst mir den nicht!", erzählt ein aufgebrachter Nachbar, der nach eigenen Angaben von S. mehrfach bedroht wurde. "Ich traue es ihm eigentlich nicht zu", sagt wiederum ein anderer Anwohner. "Mir und meiner Familie ist er noch nicht einmal dumm gekommen."
S., der im Betonwerk Prießnitz arbeitete, wird als Mann beschrieben, der im betrunkenen Zustand durchaus mal ausrasten konnte. Als jemand, der hart arbeitete, früh um 5 Uhr aus dem Haus ging und abends wiederkam, um seine inzwischen vom Kreistierarzt abgeholten Schafe, Enten, Gänse und den Hund zu versorgen. Gleichzeitig gilt er aber auch als Mann, der mit vielen Dingen des Alltags nicht klar kam. Der Strom ist längst abgestellt. Geldsorgen plagten ihn, seit er allein in dem Gebäude lebte, welches er etwa fünf Jahre vor der Wende mit seiner Lebensgefährtin kaufte. Die Frau hat ihn Mitte der 90er Jahre verlassen. Weil er sie vergewaltigt hatte, saß S. bereits eine Freiheitsstrafe ab. "Da war er etwa ein Jahr weg", erzählt ein Nachbar. Nach einer weiteren Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs wurde er laut Neufang auf Bewährung verurteilt.
Die Suche auf dem Grundstück von S. wird dauern. Leichenspürhunde mussten mehrfach wieder abgezogen werden, weil das Grundstück voll ist mit Tierkadavern, auf die sie anschlugen. Einen Spaten haben die Ermittler gestern sichergestellt, Tüten voller Kleidung aus dem Haus getragen. Geprüft wird, ob sich darauf DNA-Spuren der Vermissten befinden. Die Staatsanwaltschaft überlegt indes, die Bundeswehr um Hilfe zu bitten, sollte die Suche auf dem Grundstück erfolglos bleiben. "Die haben Spezialkameras, mit denen man auch nach so langer Zeit noch sieht, wo möglicherweise jemand vergraben ist", so Neufang. In einem Radius von mehreren Kilometern würde die Umgebung dann abgesucht.