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Verbrechen in Leipzig Verbrechen in Leipzig: Tod auf dem Weg nach Hause

Von Denni Klein und Alexander Schierholz 25.02.2007, 19:25

Leipzig/Schkeuditz/MZ. - Am Sonntagmittag deuten nur noch einige Streifenwagen und ein rot-weißes Absperrband darauf hin, dass in der Gartenanlage "Verein der Kleingärtner von 1915" in Schkeuditz bei Leipzig etwas Schreckliches passiert sein muss. Am Abend zuvor ist in einer Laube der Leichnam des neunjährigen Mitja aus Leipzig-Lützschena gefunden worden. Und nur wenige Stunden später steht fest: Mitja ist getötet worden. Den ganzen Sonntagvormittag über arbeitet die Spurensicherung in der Gartenkolonie, dann ziehen die Kriminaltechniker weiter - ins Wohnhaus eines Tatverdächtigen ganz in der Nähe.

Es ist eine heiße Spur: Am Abend bestätigen Polizei und Staatsanwaltschaft, dass es sich bei dem Gesuchten um jenen Mann handelt, mit dem Mitja noch am Donnerstag, dem Tag seines Verschwindens, in einer Straßenbahn und in einer Bäckerei gesehen worden ist. In der Bahn hat eine Überwachungskamera ein Foto von den beiden aufgenommen, das die Polizei veröffentlichte.

Nach den Ermittlungen ist der Mann, der 43-jährige Uwe K., auch der Besitzer der Gartenlaube, in der die Leiche des Jungen gefunden wird. Gesucht wird K. jetzt wegen Mordes. Das Kind muss bei ihm ein unvorstellbares Martyrium durchgemacht haben: Der Neunjährige sei missbraucht und erstickt worden, sagen die Ermittler. Das Foto aus der Straßenbahn ist es, das sie rasch auf die richtige Spur bringt. Ein Gartennachbar identifiziert den Mann darauf und führt die Beamten damit zur Leiche.

Polizei und Staatsanwaltschaft bestätigen am Abend auch, was bereits am Vormittag als Gerücht in Schkeuditz die Runde machte: Der Gesuchte ist wegen Kindesmissbrauchs vorbestraft. 1998 war er deswegen zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Im Gartenverein galt er bisher als unauffällig: Sein Garten, sagt Vereinsvorstand Mario Winkler, sei nicht besonders gepflegt gewesen. "Aber wir hatten nie Ärger mit ihm."

In Schkeuditz und im Leipziger Ortsteil Lützschena, dem Heimatort von Mitja, herrschen Entsetzen und Fassungslosigkeit. Vor das Haus, in dem seine Eltern und seine sieben Geschwister leben, haben Unbekannte ein Spielzeugauto und einen Teddybären gestellt. Daneben liegt ein Zettel, "Wir trauern um Mitja" steht darauf. Psychologen und Seelsorger haben der Familie Hilfe angeboten. Sie stehen am Montag auch in der Grundschule bereit, um mit den Kindern über das grausame Verbrechen zu reden.

Ein älteres Ehepaar ist den Tränen nahe. "Dass so etwas hier bei uns passiert, ist unvorstellbar", sagen sie. "Erschreckend", meint ein junger Mann. "Man liest so viel über solche Verbrechen - aber wenn es dann in unmittelbarer Nähe passiert, ist es ein ganz besonders komisches Gefühl." Von dem grausigen Fund hörte er, wie viele andere, erst am Sonntagvormittag. "Ich hatte nur gelesen, dass ein Junge aus Lützschena vermisst wird und einen Polizeihubschrauber gesehen." Mit dem Helikopter war zwei Tage lang nach Mitja gesucht worden, ebenso wie mit Spürhunden, die helfen sollten, seinen letzten Weg zu rekonstruieren.

Ausgerechnet am Donnerstag hatte Mitja mit Erlaubnis seiner Eltern zum ersten Mal alleine mit der Straßenbahn vom Hort im Leipziger Stadtteil Stahmeln nach Hause fahren dürfen. Doch er stieg nicht an seiner üblichen Haltestelle aus, sondern fuhr einige Stationen weiter, neben sich den Mann, den die Ermittler jetzt fieberhaft als Tatverdächtigen suchen.

Die letzte, die Mitja lebend sah, war offenbar die Verkäuferin einer Bäckerei in der Nähe der Gartenanlage. In dem Laden kaufte der mutmaßliche Mörder Kuchen für das Kind. "Der Junge wollte den Kuchen, der Mann hat ihn aussuchen lassen. Die Verkäuferin hat keinerlei Angst bei dem Jungen bemerkt", sagt Uwe Matthias von der Leipziger Polizei. Er spricht von einem "anscheinend vertrauten Verhältnis" zwischen Täter und Opfer. Mitja muss völlig arglos gewesen sein.