Verbrechen Verbrechen: Die Suche nach der Mutter
Tollwitz/MZ. - War es eine Verzweiflungstat? Bewusst geplant? Geschah es im Affekt? Noch ist all das nicht klar. Fest steht aber: Nach dem grausigen Fund einer Babyleiche am Mittwoch im Dörfchen Tollwitz bei Bad Dürrenberg (Saalekreis) gehen die Ermittler nun von einem Verbrechen aus. "Alles, was wir durch die gerichtsmedizinische Untersuchung wissen, deutet auf ein Tötungsdelikt hin", sagt der hallesche Staatsanwalt Klaus Wiechmann. Wegen des Anfangsverdachts des Totschlags werde nun gegen die - noch unbekannte - Mutter ermittelt.
Zwei Jungen, zehn und elf Jahre alt, hatten die Babyleiche am frühen Mittwochnachmittag beim Spielen unweit der Grundschule entdeckt. Gestern Vormittag wurde der Leichnam obduziert. Laut Wiechmann handelt es sich um einen "ausgereiften männlichen Säugling". Das Alter? Schwer zu bestimmen. Auch um die Todesursache zu ermitteln, seien weitere Untersuchungen notwendig.
In dichtem Gestrüpp
Das Kind müsse aber mindestens zwei Wochen an seinem Fundort gelegen haben, sagt Wiechmann. "Sie können sich vorstellen, in welchem Zustand es war." Das Baby lag in einer Plastiktüte in dichtem Gestrüpp, als die Jungen es fanden - wären die Zweige nicht noch kahl gewesen, hätten sie es vielleicht gar nicht gesehen. Sie verständigten daraufhin den Hausmeister der Schule, der dann die Polizei alarmierte. Der Unterricht war zu dieser Zeit schon vorbei.
Bis in den gestrigen Nachmittag untersuchen Kriminaltechniker den Fundort auf einem Privatgrundstück neben dem Schulgelände. Mit einer 3-D-Kamera erstellen sie ein räumliches Computermodell von dem Grundstück. Es dient dazu, Spuren besser einordnen zu können. Beamte führen Fährtenhunde über das Gelände und durch die umliegenden Straßen und Gassen. Auch zwei Mantrailer, spezielle Personenspürhunde, nehmen Spuren auf.
Rund 50 Kinder lernen an der Grundschule in Tollwitz. Der Polizeieinsatz bleibt ihnen nicht verborgen. Dennoch läuft der Unterricht gestern wie gewohnt ab. Am Morgen sei in den Klassen über den Fall gesprochen worden, sagt Karina Kunze, Sprecherin des Kultusministeriums in Magdeburg: "Den Kindern ist gesagt worden, dass die Polizei etwas gefunden hat und nun nach Spuren sucht." Von einer Babyleiche zu sprechen, hätten die Lehrer aber bewusst vermieden.
Betreuung durch Psychologen
Dass etwas passiert ist, haben viele Schüler ohnehin vermutlich schon am Abend vorher in ihren Familien erfahren. In Tollwitz, einem Ortsteil von Bad Dürrenberg, wohnen rund 1 200 Menschen, die Nachricht von dem grausigen Fund hat sich rasch verbreitet. Die beiden Jungen, die das Baby entdeckt hatten und danach von Psychologen betreut worden waren, sollen nicht Schüler der Schule sein.
Ob die Mutter, nach der die Polizei jetzt fahndet, aus dem Dorf stammt und ihr Kind bewusst in dem Gestrüpp neben der Schule abgelegt hat, sei Spekulation, sagt Staatsanwalt Wiechmann. Dennoch wollen sich die Ermittler zunächst auf Tollwitz konzentrieren: Gibt es Frauen im Ort, die schwanger waren, nun aber kein Kind haben? "So etwas müsste doch auffallen", sagte Wiechmann. Nach MZ-Informationen ist die Spurenlage durchaus nicht schlecht: So sollen bei der Untersuchung des Grundstücks verwertbare DNA-Spuren der Mutter gefunden worden sein.