Unkonventionelle Forschung Unkonventionelle Forschung: Rutengänger suchen die Pfalz
Memleben. - "Ich stelle jetzt auf Stein", sagt Lars Christoph und hantiert an einem Gerät, das an ein Thermometer mit Griffen erinnert. Tänzerisch dreht er ein paar Kreise im Garten der Memlebener Klosterruine. "Hier" sagt er, und wieder "hier" - immer dann, wenn sich die Skala erdwärts neigt. Das Ding in Christophs Hand ist die Hightech-Variante einer Wünschelrute. Worauf sie reagiert, ist nach Christophs Auffassung ein Steinkreis aus keltischer Zeit, von dem sich hier Zeugnisse im Boden befinden. Einen weiteren Kreis hat er am Kaisertor, dem erhaltenen Rest der ottonischen Kirche ausgemacht.
Lars Christoph, der in Weimar ein Büro für Bauplanung betreibt und als Geomatie-Berater tätig ist, hat das Symposium organisiert. Memleben, wo vor 1000 Jahren die Pfalz der Ottonen-Kaiser stand, deren genauen Standort die Wissenschaft noch immer nicht kennt, wo man gar das Herz Ottos I. begraben haben soll, ist für Geomantie-Anhänger ein vielversprechender Ort.
Marcel Mazzellea vom Verein des Klosters und der Kaiserpfalz Memleben begleitet das Symposium. Kennen gelernt hat er die Wünschelrutengänger im vorigen Jahr. Sie hatten sich den Klostergarten angeschaut. Dort war kurz zuvor ein Baum vom Sturm zur Seite gedrückt worden. Er habe sich nicht halten können, weil sich, wo die Wurzeln nachgaben, Mauerwerk im Boden befinde, hatten die Gäste erklärt. "Als wir die Wurzeln später ausgruben, war dort tatsächlich ein Fundament", sagt Mazella. Man werden nun sehen, wie sich die von den Teilnehmern des Symposiums ermittelten Strukturen in die bisherigen Erkenntnisse über die historische Stätte einfügen. "Interessant dürfte das auf alle Fälle sein", ist sich Mazella sicher.
Geomantie-Barater Christoph legt den Grundriss, in dem er mit gelbem Filzstift die keltischen Kreise eingezeichnet hat, beiseite und zückt einen Lageplan mit roten Filzstift-Markierungen. "Die ottonische Schicht", sagt er. Nördlich der Kirche aus dem 10. Jahrhundert bilden die Linien ein Geviert. "Das ist die Klosteranlage aus der ottonischen Zeit", vermutet Christoph. Deren genaue Lage kennen Denkmalpfleger bisher nicht.
Helmut Reich, Memlebens Bürgermeister, verfolgt die Nachforschungen mit Interesse. Die Linien schneiden den Standort der einstigen Tankstelle auf dem Gutshof. Als man vor einigen Jahren die alten Benzintanks aus dem Boden nahm, ist man auf Fundamente gestoßen, weiß Reich. Wer das Treiben belächelt, dem gibt Lars Christoph bereitwillig Gelegenheit zum Selbstversuch, diesmal mit der Trabi-Ausführung einer Wünschelrute: Die beiden Enden des dünnen, in der Mitte geknickten Plastikstabes locker fassen, Hände zusammenführen und die Spannung im biegsamen Materials halten. Ausgerechnet in einer Maueröffnung des Kirchenschiff reagiert die Plaste. "Die Kraftlinien entlang der Mauer", erläutert Christoph. Die Baumeister von einst hätten solche Linien bei Kirchenbauten berücksichtigt. Christoph spricht vom "geheimen Wissen der Bauhütten", das ihn fasziniert.
Eine Energielinie haben die Teilnehmer des Symposiums ebenfalls zwischen Wendelstein, Klosterruine und Naumburger Dom ausgemacht. Und natürlich hat man eine solche Linie auch zum Mittelberg, dem Fundort der Himmelsscheibe von Nebra geortet. "Man soll nicht gleich ablehnen, was man nicht versteht", sagt Bürgermeister Reich zur Aktion der Wünschelrutengänger, die im Übrigen Gemeinde und Verein nichts kostet.
Freilich, muss nicht für alles die Wünschelrute bemüht werden: Die Mappe mit den Aufzeichnungen, die Geomant Christoph am Vortag im Gelände vergessen hatte, fand eine Teilnehmerin sehr rasch unterm Schnee. "Dachte mir gleich, dass sie genau dort liegt, wo wir gestern zuletzt gestanden haben."