Unfall in Thüringen Unfall in Thüringen: Gutachter erstickte wahrscheinlich in Kali-Schacht

Bleicherode/Sollstedt - Nach dem Unglück in einer stillgelegten Kali-Grube in Nordthüringen ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Das Verfahren richte sich gegen unbekannt, sagte der stellvertretende Leiter der Staatsanwaltschaft Mühlhausen, Ulf Walther, am Mittwoch. Bei einer Inspektion in der Grube Sollstedt/Bleicherode (Kreis Nordhausen) war ein Gutachter am Dienstag in 700 Metern Tiefe unter einer meterdicken Schicht aus Schotter und Lehm verschüttet worden. Der 67-Jährige kam ums Leben. Es war der zweite tödliche Unfall in einer Thüringer Kali-Grube innerhalb von neun Monaten.
Möglicherweise sei der 67-Jährige unter dem feuchten Material, das sich über ihn ergoss, erstickt, sagte Thüringens Umweltminister Jürgen Reinholz (CDU) der Nachrichtenagentur dpa. Er machte sich am Sitz der NDH Entsorgungsbetreibergesellschaft in Bleicherode ein Bild von den Geschehnissen. Verschüttet wurde bei dem Unglück auch der 69 Jahre alte Chef der privaten Firma, die zur Stabilisierung der Hohlräume auch zugelassene Abfälle wie beispielsweise Schlacke oder Filterasche einbringt. Er wurde aber nur leicht verletzt und konnte das Krankenhaus bereits wieder verlassen.
Probleme mit der Standfestigkeit
Beide Männer waren zu einer Erkundung in die Grube eingefahren, weil es Probleme mit der Standfestigkeit des Materials in dem nach Angaben von Reinholz bereits 1992 verfüllten Schacht „Lohra“ gab. Zwei Bergleute - die Fahrer eines Radladers und einer Raupe - waren in der Nähe der Unglücksstelle. Sie blieben unverletzt und leiteten die Rettungsaktion der Grubenfeuerwehr ein.
Es sei nach ersten Erkenntnissen von Polizei und Bergamt „nicht völlig auszuschließen, dass beim Verfüllen des Kali-Schachtes möglicherweise Fehler begangen wurden“, sagte Oberstaatsanwalt Walther. Es gebe jedoch keine unmittelbaren Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten.
Im Zuge der Ermittlungen, die längere Zeit in Anspruch nehmen könnten, soll laut Walther auch geklärt werden, welche Materialien zum Verfüllen des Schachtes genutzt wurden. Es gebe aber keine Anhaltspunkte für eine illegale Abfallentsorgung.
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Staatlich zugelassene Abfälle dienen als Versatzmaterial, um die unterirdischen Hohlräume zu stabilisieren. Dadurch sollen Bodensenkungen über den Hohlräumen, die die Fläche kleinerer Städte haben, verhindert werden. Die Firma wirbt im Internet damit, dass sie jährlich bis zu 300 000 Tonnen Versatzstoffe in stillgelegte Bergwerke bringen kann.
Das tödliche Unglück hat sich laut Reinholz am unteren Ende des 700 Meter tiefen Schachts ereignet. Dieser war vor dem Verfüllen mit einem Förderkorb ausgestattet und einer der Zugänge zu der alten Kali-Grube. Das Unglück habe sich damit weitab der Stelle ereignet, an der die private Betreiberfirma Abfälle einlagere.
Immer wieder haben sich in den vergangenen 30 Jahren in Deutschland Unglücke in Kali-Gruben ereignet.
2013: Im thüringischen Unterbreizbach sterben drei Bergleute im Alter von 24, 50 und 56 Jahre in einer zum Düngemittelkonzern K+S AG (Kassel) gehörenden Kali-Grube, als sich in der Grube Kohlendioxid explosionsartig ausbreitet. Die Männer ersticken. Es ist eines der schwersten Bergwerksunglücke seit Jahrzehnten in Deutschland.
2012: Ein Bergmann stirbt im niedersächsischen Kaliwerk Sigmundshall in Wunstorf. Drei weitere Männer werden in der Grube der K+S Kali GmbH verletzt. Der Unfall passiert in etwa 1200 Meter Tiefe. Die Bergleute bohren vermutlich eine Gasblase im Salz an und atmen giftige Stoffe ein.
1989: Sechs bis sieben Menschen werden bei einem schweren Unfall im thüringischen Kalibergbau verletzt. In der Grube „Ernst Thälmann“ in Merkers kommt es zu einem Gebirgsschlag. Die Erschütterungen erreichen etwa die Stärke 5,5 auf der Richterskala.
1989: Drei Bergleute sterben nach einem Ausbruch von Kohlensäuregas im Kaliwerk Wintershall im hessischen Heringen. Die Männer hatten mit einer Maschine die Kohlensäureblase im Salz aufgerissen, die unter hohem Druck stand.
1984: Zwei Bergleute ersticken bei einem Aufsichtsgang in einer Grube auf dem Gelände des Kaliwerkes Hattorf im hessischen Philippsthal. Sie fuhren in ein Gruben-Gebiet, in dem sich Kohlensäure angesammelt hatte. Ursache war eine vorherige Sprengung. (dpa)
Der tödlich verunglückte Gutachter hatte vor seiner Pensionierung im Umweltministerium gearbeitet und sei ein ausgewiesener Bergbaufachmann, sagte der Minister. Er sprach den Angehörigen des Toten sein Beileid aus.
Situation dokumentieren
Die Firma hatte die Grube in Sollstedt Anfang 2008 von der Bundesgesellschaft zur Verwahrung stillgelegter Bergwerke (GVV/Sondershausen) übernommen. Sie sichert die Hohlräume und saniert die Abraumhalde. Geld verdient sie mit der Einlagerung für diesen Zweck zugelassener Abfälle.
Fachleute des Landesbergamtes und Kriminalpolizisten waren direkt nach dem Unglück in die Grube eingefahren, um die Situation zu dokumentieren. In Nordthüringen gibt etwa ein halbes Dutzend stillgelegter Kali-Gruben.
Im Oktober 2013 waren drei Bergleute in der noch produzierenden Kali-Grube in Unterbreizbach (Wartburgkreis), die zum Düngemittelkonzern K+S AG (Kassel) gehört, nach einem mächtigen Kohlendioxid-Ausbruch gestorben. (dpa)