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Unfall auf der Bode Unfall auf der Bode: «Ich habe nur funktioniert»

Von KATRIN LÖWE 29.06.2010, 18:23

WEDDERSLEBEN/MZ. - "Tschüß Mama, bis Samstag!" Der Abschied war kurz an jenem 18. August 2007. Robert hatte es eilig, auf ihn warteten Abenteuer im Feriencamp in Stecklenberg (Landkreis Harz). Ein Zwölfjähriger eben, sagt Gudrun Strube. Einer, dessen Alltag vom Knabenchor bestimmt war, für den Feriencamps seit dem fünften Lebensjahr Ausgleich für all die Disziplin beim Singen waren. "Tschüß Mama, bis Samstag!" - es waren die letzten Worte, die die 53-Jährige von ihm hörte. Zwei Tage später stand ein Polizist vor ihrer Tür in Schönebeck - mit einer Mitarbeiterin der Krisenintervention. "Ich habe nur geschrien", sagt Strube.

Robert lebte nicht mehr. Der Junge, der sie im Januar nach dem Tod seines Vaters getröstet hatte: "Mutti, du hast doch noch mich." Er starb bei einer Kajak-Tour auf der Bode bei Weddersleben. Der Fluss führte an jenem 20. August mehr Wasser als sonst, das Boot von drei Jungen kenterte an einem Wehr. Robert ertrank im Strudel, ein Elfjähriger wurde schwer verletzt.

"Ich habe funktioniert, nur funktioniert", sagt Strube heute. Zwei Wochen nach dem Unglück versuchte sie, sich über ihren Callcenter-Job abzulenken. Am 17. September, Roberts Geburtstag, brach sie zusammen. Den Tod verarbeitet? "Habe ich bis heute nicht", sagt die 53-Jährige weinend. Erst 2010 war sie in der Lage, wieder ein Konzert des Chors zu besuchen. Noch immer hat sie psychologische Hilfe. Jeden Tag denkt sie an Robert.

Jetzt ist Gudrun Strube zum ersten Mal an der Unglücksstelle gewesen. Und hat festgestellt: Eigentlich ist es idyllisch dort, an der Bode. Ihr Herzrasen verhinderte das nicht. Doch Gudrun Strube hat sich ein Ziel gesetzt. Sie will, dass Ausflüge wie der ihres Sohnes sicherer werden. Vor Gericht ist einer der Betreuer der Tour Anfang 2009 verwarnt und zu einer Bewährungs-Geldstrafe verurteilt worden. Die Richterin rügte vor allem Mängel bei der Einweisung der Kinder und der Organisation: Als das Unglück geschah, hatte das Boot bereits den Kontakt zur Gruppe verloren - kein Erwachsener war da, um einzugreifen. Gegen den Camp-Betreiber und einen zweiten Betreuer wurden Geldstrafen verhängt, nur eine ist bis heute bezahlt. Gudrun Strube beklagt das schleppende Verfahren, die Staatsanwaltschaft begründet es mit dem Einspruch eines Beteiligten und krankheitsbedingten Neuorganisationen in der Behörde. Strube wartet. Auf hohe Strafen kommt es ihr nicht an. "Ich will nur, dass Verantwortung übernommen wird."

Vor allem aber will sie erreichen, dass es Gesetze für die Sicherheitsausstattung und Betreuung bei solchen Funboot-Touren gibt, die bislang nicht existieren. Strube fordert die Schwimmwestenpflicht (obwohl eine Schwimmweste Robert nicht half), Vorgaben zur Einweisung der Kinder, am liebsten einen Erwachsenen in jedem Boot. Der Deutsche Kanuverband indes glaubt, dass Gesetze falsche Sicherheit vorgaukeln. "Man kann Risiken mit gesundem Menschenverstand senken", so Ulrich Clausing. Jährlich gebe es zehn bis 15 Todesfälle bei Kanutouren - bei 1,5 Millionen Menschen, die an solchen Fahrten teilnehmen, sei das im Prinzip wenig. "Trotzdem hätte ich die Zahl lieber bei Null", so Clausing. Die Bundesvereinigung Kanutouristik betont, schon lange die generelle Schwimmwestenpflicht zu fordern. Nötig sei auch, so Vorstandsmitglied Lothar Krebs, eine Ausbildung von Veranstaltern vorzuschreiben. Gudrun Strube will Ende Juli eine Petition beim Bundestag einreichen, hofft auf 30 000 Unterstützer. "Es soll", sagt sie, "nie wieder eine Mutter so leiden."