Unesco Unesco: Himmelsscheibe als Weltdokumentenerbe

Halle (Saale)/dpa. - Ein Prunkstück. Thema für eine neue Oper. Inspiration einer Schmuck-Kollektion. Die Strahlkraft der historischen Himmelscheibe ist ungebrochen. Wie am ersten Tag lockt das Fundstück die Besucher in Scharen nach Sachsen-Anhalt. Schon 900.000 Interessenten haben sich seit 2002 Sonne, Mond und Sterne im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle angesehen. Und weit über eine halbe Million Neugierige sind seit 2007 in der Arche Nebra (Burgenlandkreis) gewesen, am Fundort der Schmiedearbeit. Groß wie eine Pizza, so leicht wie ein Männer-Diskus, erweist sich die Himmelsscheibe damit als ein archäologisches Schwergewicht.
Seit kurzem gehört das einmalige bronzezeitliche Relikt zum Unesco-Dokumentenerbe „Memory of the World“. Es ist das erste Mal, dass ein Beitrag aus Sachsen-Anhalt einen Platz in dieser Chronik der Menschheit erhält. Damit steht die Himmelsscheibe in einer Reihe mit den Logbüchern des Entdeckers James Cook (1728 -1779), der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 und den mittelalterlichen Prachthandschriften des Koran. Die Aufnahmeurkunde in die Schatztruhe der Vereinten Nationen soll am Montag während eines Festaktes an Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und Landesarchäologen Harald Meller offiziell übergeben werden. Das adelt die Himmelsscheibe als außergewöhnliche Kostbarkeit. Nicht nur Archäologen, Archivare oder Museologen sind begeistert, diese Meisterleistung lässt auch Halle als Ausstellungsort gut aussehen.
Experten vermuten, dass die Himmelsscheibe 3.700 bis 4.100 Jahre alt ist. Das Stück gilt als die weltweit älteste konkrete Himmelsdarstellung. Damit ist es zugleich von unschätzbarem Wert - angenommener Versicherungswert: 100 Millionen Euro.
Wie am ersten Tag
Für Alfred Reichenberger vom Landesmuseum übt die Himmelsscheibe die gleiche Faszination wie am ersten Tag aus. „Dieses Exponat ist unsere Mona Lisa, absolut unvergleichlich und inzwischen weltbekannt.“ Wenn es um die Gunst des Publikums gehe, könne kein anderes Exponat damit konkurrieren. Und das wolle schon etwas heißen, weil das Haus noch zahlreiche andere Unikate aufbewahre - zum Beispiel den 80 000 Jahre alten, weltweit ersten Fingerabdruck.
Was Reichenberger schwärmen lässt, ist aber auch der Blick nach vorne. „Die Himmelsscheibe birgt noch viele Geheimnisse.“ Es sei längst noch nicht alles gesagt. Herstellungsort und Zeitpunkt beispielsweise lägen noch im Dunkeln. Wissenschaftler aus aller Welt kommen daher nach Halle, um die Geheimnisse Stück für Stück zu lüften. So wollen Materialforscher herausfinden, woher ganz genau die einzelnen Bestandteile kommen - ein langfristig angelegte und komplizierte Forschungsarbeit.
Obwohl man Halle inzwischen nicht nur mit Händel, sondern auch mit der Himmelsscheibe in einem Atemzug nennt, ist ihr touristisches Potenzial bei weitem nicht ausgeschöpft. Nachdem die Himmelsscheibe in Wien, Brüssel und Kopenhagen zu sehen gewesen ist, ist nach Auskunft des Landesmuseums zunächst an keine weitere Leihgabe gedacht.
So erfahren vor allem im Ausland Interessenten nur mehr oder weniger zufällig beim Surfen im Internet von diesem Schatz. Das bestätigt auch John A. Hastings, ein Geschäftsreisender aus Los Angeles (USA), der sich in der vergangenen Woche zwischen Verhandlungen in Leipzig und Dresden die Himmelsscheibe anschaut. Für den Maschinenhändler, der sich in seiner Freizeit für Archäologie interessiert, stellt das Exponat und seine geglückte Präsentation unterm Sternenhimmel „ein großes Wunder“ dar. Leider bleibe ihm dieses Mal keine Zeit, um noch nach Nebra zu fahren. Doch der 41-Jährige will bei nächster Gelegenheit mit der ganzen Familie dorthin reisen.
„Wir sind die Top-Adresse, um die Himmelsscheibe spielerisch zu erleben“, sagt Manuela Werner, Sprecherin der Arche. Ob im Planetarium oder im Puppentheater, auf den Spuren der Raubgräber am Mittelberg - das Konzept setzt vor allem auf Anfassen, Mitmachen und Show. Jetzt ist eine Ausstellung unter dem Titel „Himmlische Engel“ geplant. Jeder, der sich von der Himmelsscheibe dazu anregen lässt, kann sein Exponat dafür bis zum 6. Dezember einreichen.
Mancher, der nach Nebra kommt, ist enttäuscht, weil er dort das Original der Himmelsscheibe nicht findet. Aber immerhin, seit Ostern wartet die Einrichtung mit einer ganz besonderen Kopie der Himmelsscheibe auf. Sie zeigt den Schatz, so wie er ausgegraben worden ist - verschmutzt und nicht komplett. „So etwas gibt es nur hier.“ Allerdings sei der erwartete Besucheransturm bisher ausgeblieben, wohl eine Folge des Hochwassers im Juni. Obwohl man nicht unmittelbar davon betroffen gewesen sei, habe mancher seine Reisepläne wohl geändert und sei in diesem Jahr nicht nach Nebra gekommen sei, so die Sprecherin
Zeitreise mit Torte
Man sei keine Konkurrenz zum Landesmuseum in Halle, sondern einer der Ausgangspunkte des Himmelswege-Projekts. Dazu gehören noch das Sonnenobservatorium in Goseck und ein historischer Fundort in Langeneichstädt. Gemeinsam laden sie zur Zeitreise ein. Sogar eine Himmelsscheiben-Torte gibt es im Angebot. Sie ist allerdings meist rasch ausverkauft.