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Umzug nach Leipzig Umzug nach Leipzig: Halle verliert traditionsreichen Wetterstandort

Von Thomas Schöne 01.12.2004, 07:14

Halle/dpa. - Die Agrarmeteorologische Niederlassung desDeutschen Wetterdienstes (DWD/Offenbach) in Halle wird zumJahrewechsel in das regionale Vorhersagezentrum nach Leipzig-Holzhausen umziehen. «Damit geht hier ein langes Kapitel deutscherWettergeschichte zu Ende», sagt der Leiter der Niederlassung, JurikMüller. Er bedauert die Entscheidung des DWD und hatte bis zumSchluss gehofft, dass die traditionsreiche Einrichtung mit ihren neunMitarbeitern in der Saale-Stadt bleiben kann, zumal die Kommune sogarbei der Miete dem Wetterdienst deutlich entgegengekommen war.

   «Wir müssen sparen», bedauert auch DWD-Sprecher Gerhard Lux dieEntscheidung. Dennoch sei mit dem Umzug kein Arbeitsplatzverlustverbunden. «Immerhin muss der DWD bis 2010 jährlich etwa rund 40Stellen bundesweit einsparen», erklärt Lux die Situation.

   «Die Wiege der deutschen Agrarmeteorologie steht in Halle», sagtMüller und erklärt, dass hier im Jahr 1863 das erstelandwirtschaftliche Institut an einer deutschen Universiät gegründetwurde. «Der landwirtschaftliche Experte Julius Kühn (1825-1910) hattedamals erkannt, dass günstige Standortbedingungen und klimatischeGegebenheiten wichtige Voraussetzungen für die Ertragssteigerungenlandwirtschaftlicher Kulturen sind.»

   Zuvor wurde bereits 1851 eine der ältesten WetterstationenDeutschlands in Halle eröffnet. Die täglichen Wetterdaten fürNiederschlag und Lufttemperatur sind bis heute lückenlos vorhandenund geben Einblick in die Wetterschwankungen der letzten anderthalbJahrhunderte. Die Messungen sind als «lange hallesche Reihe» in dieWettergeschichte eingegangen. «Mit dieser Statistik können auchheutige Wetterphänomene und Klimaschwankungen richtig eingeordnetwerden», sagt der Meteorologe.

   Im Jahr 1960 bezog die Agrarmeteorologie das Gelände in Halle-Kröllwitz. «Bis 1990 wurde ein komplexes agrarmeteorologischesWasserhaushaltsmodell erstellt», sagt der Experte. Partner war dieMartin-Luther-Universität und das ungarische Zentralinstitut fürMeteorologie in Budapest.

   Für bundesweites Aufsehen sorgte Müller im Jahr 2000 mit seinem«Anglerwetter». Das «Wetterfax für Angler», wie der Spezialberichtheißt, wird seit April 2003 bundesweit für 63 Regionen zentral inOffenbach erstellt.

   Im tabellarischen «Sieben-Tage-Beißvorhersage-Index» sind diewichtigsten 34 einheimischen Fischarten, darunter Aal, Barbe, Barschund Zander aufgenommen. Neben Temperatur und Niederschlag finden sichauch die für Angler wichtigen Angaben zu Sonnenscheindauer,Windrichtung, Windgeschwindigkeit und Mondscheindauer.

   Ebenso untersuchten die Meteorologen in Halle lokale klimatischeBesonderheiten in der Vorharzregion Huy-Hakel sowie rund um den«Süßen See» und «Salzigen See» nahe Eisleben (Landkreis MansfelderLand).

   Die Meteorologen zeichneten auch die klimatischen Veränderungen imWaldgebiet des Harzes, unter anderem vor und nach der Füllung derRappodetalsperre, auf. «Außerdem wurde eine Vermessung desTemperatur- und Windprofils im Bereich der das Elbtal säumendenWeinberge vorgenommen», sagt der Wissenschaftler.

   Aber auch die Forschungsarbeit mit der Universität Halle wurdegenutzt, denn im Jahr 1879 begann auf einem Uni-Feld der Dauerversuchzum Roggenbau. «Das Experiment hat bis heute durch sein einzigartigesMaterial internationale Bedeutung», erklärt Müller und sagt: «Hallegilt als heimliche Hauptstadt der Agrarmeteorologie. Nirgendwo gibtes zeitlich derartig lange Versuchsreihen mit konstantenVersuchsbedingungen.»