Überwachungskameras Überwachungskameras: Videoüberwachung ist oftmals nicht geschaltet

Halle (Saale)/MZ - Die Praxis, bei der Videoüberwachung im Bahnverkehr statt scharf geschalteter Kameras nur Attrappen einzusetzen, ist offenbar weiter verbreitet als bisher bekannt. „Wir wissen, dass das in Straßenbahnen und Zügen praktiziert wird“, sagte der Sprecher des Fahrgastverbandes Pro Bahn Mitteldeutschland, Carsten Schulze. Die logische Schlussfolgerung daraus sei, dass auch auf Bahnhöfen Attrappen verwendet würden. Wie hoch deren Anteil ist, sei allerdings unklar. „Eine Attrappe ist ein Kameragehäuse ohne Elektronik. Sie sehen keinen Unterschied.“
Im Zusammenhang mit dem Überfall auf einen Flüchtling aus Somalia auf dem Merseburger Bahnhof hatte der Verband bereits Anfang der Woche auf den Einsatz von Attrappen aufmerksam gemacht. Schulze sagte, die Verkehrsunternehmen wollten damit Geld sparen - etwa für Strom, Software oder technischen Support. Die Rechnung geht offenbar auf. „Der Abschreckungseffekt funktioniert“, sagte Schulz. Bahnen mit Kameras - ob scharf geschaltet oder nicht - seien in der Regel innen weniger zerkratzt und beschmiert als solche ohne Überwachungstechnik. Für Pro Bahn ist der Einsatz von Attrappen denn auch legitim: „Wenn damit das Ziel erreicht wird, Vandalismus einzudämmen und das Sicherheitsgefühl zu erhöhen, warum nicht?“, sagte Schulze. Darüber müsse jedes Unternehmen selber entscheiden.
Sicherheitsgefühl der Reisenden erhöhen
Nach Informationen der MZ sind auch auf den Bahnhöfen der Deutschen Bahn AG nicht alle Überwachungskameras scharf geschaltet. Die Bahn wollte sich auch am Mittwoch nicht dazu äußern. „Über Einsatztaktik reden wir nicht“, sagte der Konzernbevollmächtigte für Sachsen-Anhalt, Alexander Kaczmarek, der MZ.
Der Bahnkonzern hatte in der Vergangenheit stark auf Videotechnik gesetzt, um das Sicherheitsgefühl der Reisenden zu erhöhen und um die Verfolgung von Straftaten zu unterstützen. Dafür verschwanden aber immer mehr Bedienstete von den Bahnhöfen. Kleine Stationen sind häufig gar nicht besetzt. Nun scheint die Bahn von dieser Linie abzurücken, zumindest was das Sicherheitspersonal angeht: Im Januar hat der Bahn-Vorstand beschlossen, die Zahl der konzerneigenen Wachleute von bundesweit 3 700 um 150 aufzustocken. Hinzu kommen rund 5 000 Beamte der Bundespolizei, die auf Bahnhöfen und in Zügen Streifendienst versehen.
Die Sicherheitsleute würden verstärkt dort eingesetzt, wo es in jüngster Zeit Gewalttaten oder andere Vorfälle gegeben habe, sagte der Konzern-Bevollmächtigte Kaczmarek. „Kameras können den Menschen nicht ersetzen.“ Pro Bahn fordert seit langem mehr Wachpersonal.