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Überfüllte Tierheime Überfüllte Tierheime: Einschläfern als Ausweg?

Von Ralf Böhme 31.05.2013, 17:48
American Staffordshire Terrier
American Staffordshire Terrier Archiv/dpa Lizenz

Aschersleben/MZ - Wegen überfüllter Tierheime in Sachsen-Anhalt hat der Chef der Tierärztekammer Magdeburg, Klaus Kutschmann, einen möglichen Tabu-Bruch riskiert. „Ist ein Hund dauerhaft gefährlich und daher nicht vermittelbar, darf das Tier auch eingeschläfert werden“, sagte der Veterinär auf einem Symposium zum Hunde-Gesetz Sachsen-Anhalts am Donnerstag in Aschersleben (Salzlandkreis). Bisher kommt, wie Kutschmann einräumt, die von vielen Tierfreunden abgelehnte Variante bundesweit nur in Extremfällen in Betracht, wie nach tödlichen Hundeattacken.

Welche Chancen der Vorstoß von Kutschmann besitzt, ist ungewiss. Die Überprüfung der bisherigen Regelungen in Sachsen-Anhalt beginnt gerade erst. Jedoch macht Michael Kilian, Rechtsexperte von der Martin-Luther-Universität in Halle, deutlich, dass Maßnahmen zur Gefahrenabwehr polizeirechtlich grundsätzlich abgesichert seien. Das Problem aus seiner Sicht: Was ist eine angemessene Reaktion? Das müsse in jedem Einzelfall neu entschieden werden.

Ein Wesenstest darf nur durchgeführt werden, wenn die Hundehalterin oder der Hundehalter ihr oder sein schriftliches Einverständnis zur Durchführung des Wesenstests erklärt und für den Hund eine Haftpflichtversicherung nach § 2 Abs. 3 des Hundegesetzes nachgewiesen ist.

Der Wesenstest besteht aus einer Datenerhebung, einer tiermedizinischen Allgemeinuntersuchung, einem Frustrations- und Lerntest und einer Beurteilung des Verhaltens des Hundes in verschiedenen Testsituationen. Die Allgemeinuntersuchung des Hundes erfolgt, um möglicherweise vorhandene Schäden oder Erkrankungen zu erkennen, die zur Beeinflussung des Verhaltens des Hundes führen können. Der Frustrations- und Lerntest dient dazu, mögliche Vorbehandlungen des Hundes mit Beruhigungsmitteln zu erkennen.

Die Gesamtdauer der Testsituationen soll mindestens 45 Minuten betragen und eine Stunde nicht überschreiten. Der Hund soll dabei vom Hundehalter an einer geeigneten Leine mit einem geeigneten Halsband geführt werden.

Über den durchgeführten Wesenstest ist der Hundehalterin oder dem Hundehalter eine Bescheinigung zur Vorlage bei der zuständigen Behörde auszustellen. Dies setzt voraus, dass die Hundehalterin oder der Hundehalter die Datenerhebung vollständig ausgefüllt hat und das Ergebnis der tiermedizinischen Allgemeinuntersuchung sowie des Frustrations- und Lerntests einer sachgerechten Durchführung der Beurteilung nicht entgegen stand. Die Feststellung, dass der Hund zu sozialverträglichem Verhalten in der Lage ist, darf nur bescheinigt werden, wenn im Rahmen der Beurteilung bei dem Hund keine gestörte aggressive Kommunikation zu erkennen ist und keine Indikatoren für ein inadäquates Aggressions- oder Sozialverhalten aufgetreten sind.

Wird ein Hund zum Wesenstest vorgestellt oder dieser bei einem Hund durchgeführt, der das zweite Lebensjahr noch nicht vollendet hat, oder bei einem Hund im Rahmen der tiermedizinischen Allgemeinuntersuchung nach Absatz 2 nachgewiesen, dass zwingende tiermedizinische Gründe, namentlich wegen Alters, Gebrechlichkeit oder Krankheit des Hundes, der Durchführung der Beurteilung entgegenstehen, gilt der Wesenstest als durchgeführt und der Hundehalterin oder dem Hundehalter soll eine Bescheinigung ausgestellt werden. In der Bescheinigung ist unter Darlegung der Gründe und einer Empfehlung zum Zeitraum der Durchführung eines erneuten Wesenstests anzugeben, dass die Fähigkeit des Hundes zu sozialverträglichem Verhalten noch nicht abschließend beurteilt werden kann.

Auch wenn landesweit bislang nur knapp 400 Männer und Frauen einen Hunde-Führerschein beantragt haben, ist für Kerstin Schmidt vom Fachbereich Sicherheit der Stadt Halle das jetzige Hunde-Gesetz bereits „eine gute Grundlage“. Es habe endlich Rechtssicherheit geschaffen und gleichzeitig die Hundehalter spürbar in die Verantwortung genommen. Allein der Test, der das Wesen eines Hundes einschätzen soll, kostet meist schon um die 400 Euro. Eine weitere Zunahme an Kampfhunden sei ihrer Erfahrung nach nicht zu verzeichnen. So listet die Statistik im Jahr 2011 für Halle auch nur 15 Hunde-Attacken auf, genau so viele wie im Salzlandkreis und in der Altmark.

Viele Tierheime überbelegt

Obwohl auch die Zahl der beschlagnahmten Hunde kaum steigt, sind viele Tierheime überbelegt. Das liegt nach dem Worten von Marion Malbrich, die diese Einrichtung in Wittenberg leitet, auch am derzeitigen Gesetz. Es fehle an Sachverständigen in den Behörden. So würden mitunter Hunde als gefährlich eingestuft, die es nicht seien und dennoch nicht vermittelt werden dürften. „Die Rasse-Zugehörigkeit an sich ist kein Kriterium für Gefährlichkeit.“

Anke Zerbst, die in Halle eine Hunde-Schule leitet, warnt vor Panikmache. „Heute werden Bagatellen aufgebauscht und die Hunde kurzerhand als gefährlich deklariert.“ Diesen Makel verliere das Tier auch nicht, wenn es den Wesenstest bestehe. Die ihrer Meinung völlig überzogene Abgabe für sogenannte Kampfhunde müsse schließlich weiter bezahlt werden. Kommunen in Sachsen-Anhalt nehmen jährlich etwa 7,6 Millionen Euro an Hundesteuern ein.