Twitter und Facebook Twitter und Facebook: @Norbiber ist misstrauisch
Magdeburg/MZ. - In seiner Magdeburger Wohnung mit Kaffeetasse in der Hand und Laptop vor sich - so stellte sich der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel am Freitag eine Stunde lang beim Internetdienst Twitter Fragen zur Eurokrise. Fast im Minutentakt gab er Antworten. Ein Frager war skeptisch, ob man Banken wirklich kontrollieren könne. "In der 150-jährigen Geschichte der SPD gab es mächtigere und schlimmere Gegner", konnte sich Gabriel kämpferisch geben. Oder es menscheln lassen: "Mariechen ist abgefüttert, der Kaffee ist da, also kann es losgehen", schrieb der Vater einer kleinen Tochter.
Mit Bürgern direkt Kontakt aufnehmen, eigene Inhalte platzieren, sympathisch wirken - Gabriels Twitter-Interview ist ein Beispiel dafür, wie man die Möglichkeiten des Internets für Politik nutzen kann. Aber das ist Polit-Bundesliga. In Sachsen-Anhalt sieht es noch mau aus. Entweder nutzen Politiker die Dienste kaum oder einseitig. Meist bleibt es bei Verlautbarungen: Antworten auf Fragen, die keiner gestellt hat.
Sozialminister Norbert Bischoff (SPD) hat einen Account, also einen Zugang, sowohl bei Twitter als auch Facebook. Bei Twitter sieht man ihn vor rosa Hintergrund. Und erfährt, dass Bischoff den Twitternamen "@Norbiber" hat und nicht mit jedem verkehren will: "Nur bestätigte Follower haben Zugriff". Und den hat Bischoff erst 17 Leuten gewährt, die aber auch nicht viel erfahren haben. Bischoff hat bisher keinen Tweet, keine Nachricht abgesetzt.
Bei Facebook ist er aktiver. Aber es wird auch ein Misstrauen deutlich. "Na, endlich haben wir Kontakt. Grins", hat ihm seine Staatssekretärin Beate Bröcker (SPD) geschrieben. Bischoff: "Auf Facebook ist das was ganz anderes. Psst... man sieht uns."
Auf Nachfrage erklärt Bischoff sein Misstrauen. Er sei vorsichtig, was den Datenschutz angeht. "Es weiß heute niemand, was in fünf oder zehn Jahren mit den Dingen passiert, die bei Facebook veröffentlicht werden." Zu beiden Diensten sei er aus Neugierde gekommen. "Ich schaffe es aber zeitlich nicht, etwas zu schreiben."
Im Vergleich hyperaktiv ist Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Er hat einen Twitter-Zugang und zwei Seiten bei Facebook. Es ist aber ein einseitiges Vergnügen. Zwar bringt er es bei Twitter auf 290 Tweets und 879 Follower. In Gespräche lässt er sich selten verwickeln, meist verkündet er solche Neuigkeiten: "Wer von der politischen Freiheit in Deutschland spricht, darf über den Föderalismus nicht schweigen!" Noch blutleerer fallen die Twitter-Aktivitäten von Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) aus. Er verweist meist auf Pressemitteilungen.
Sehr locker nutzt Landtagspräsident Detlef Gürth (CDU) Facebook. Das Profilbild zeigt den Hobbymusiker vertieft ins Gitarrenspiel mit Sonnenbrille im Haar, ritualisiert spricht er seine 264 dort mit ihm vernetzten "Freunde" mit "Moin, moin, Gemeinde!" an. Da erfährt man dann, welche Termine der Präsident hat, von bestimmten Entscheidungen hält oder solcherlei: "Heute beginnen die Schulferien und die Sonne lacht. Sachsen-Anhalt ist eben kinderfreundlich."
Wer diese zusätzlichen Kommunikationswege nutzt, hat Vorteile, meint Gürth. "Man kann schneller und direkter Themen kommunizieren, Fragen beantworten und erklären. Also auch mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung. Deswegen wird gegenwärtig auch geprüft, ob sogar der Landtag twittern sollte", so der Präsident.
Auch Abgeordnete nutzen Twitter und Co. sehr unterschiedlich. Bei Andreas Steppuhn (SPD) erfährt man etwa: "Jetzt Fraktionssitzung. Es geht um aktuelle Themen." Ansonsten finden sich kleine Kommentare zu aktuellen Themen, kaum Unterhaltungen. Bei Grünen-Fraktionschefin Claudia Dalbert sieht es ähnlich aus. Bei 100 Tweets wollte nur einmal ein Normalbürger etwas wissen: Ob sie noch Landesvorsitzende ist. Trotzdem sagt Dalbert: "Facebook und Twitter sind zwei Wege, um Menschen über politische Sachverhalte schnell zu informieren, um mit politisch Interessierten schnell ins Gespräch zu kommen."
Politisch Interessierte, das sind bei Linksfraktionschef Wulff Gallert und seinen Twitter-Aktivitäten vor allem Parteifreunde, andere Politiker, Journalisten oder Verbandsvertreter. "Das ist mittlerweile ein Muss", sagt Gallert. Auf Twitter könne er schnell Vorgänge kommentieren und Feedback erhalten. Außerdem wolle er so "professionelle Medien erziehen". Auf seine Tweets habe "nicht nur der MDR" schon reagiert. "Damit kann man seine eigene Öffentlichkeit herstellen." Wobei Gallert mit seinen 384 Followern und rund 1 200 Tweets zugibt: "Ich weiß auch nicht, wen das wirklich interessiert."
Dafür gab es schon eine kleine Twitter-Affäre. Halles Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados (SPD) hatte kurzzeitig einen Account. "Eine aufregende Woche liegt vor mir. Höhepunkt wird die Geburtstagsfeier von Peter Sodann", konnte man da lesen. Es war alles gelogen, jemand anderes firmierte unter ihrem Namen. Das Rechtsamt der Stadt unterband das falsche Spiel.