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Tunnel an Rappbodetalsperre Tunnel an Rappbodetalsperre: Neuer Straßenbelag gegen Motorrad-Raser

Von Ralf Böhme 04.05.2015, 05:09
Der Tunnel in unmittelbarer Nähe der Rappbodetalsperre. Dort kommt es immer wieder zu schweren Unfällen. Jetzt sollen Rüttelstreifen unvernünftige Motorradfahrer davon abhalten, zu schnell zu fahren. Die Streifen sind nach Angaben der Landesstraßenbaubehörde zwei Zentimeter hoch.
Der Tunnel in unmittelbarer Nähe der Rappbodetalsperre. Dort kommt es immer wieder zu schweren Unfällen. Jetzt sollen Rüttelstreifen unvernünftige Motorradfahrer davon abhalten, zu schnell zu fahren. Die Streifen sind nach Angaben der Landesstraßenbaubehörde zwei Zentimeter hoch. Andreas Stedtler Lizenz

Wendefurth - Waldidylle? Fehlanzeige. Hier riecht es nach Benzin. Hier lassen viele Motorradfahrer ihren Maschinen gerne freien Lauf, rund um den täglichen Biker-Treff auf dem Parkplatz an der Rappbodetalsperre. Cool wirken die Männer in ihren Lederkombinationen, doch ein Thema erhitzt ihre Gemüter: Es sind die neuen Hindernisse, die sie auf der angrenzenden Landesstraße 96 zum Abbremsen zwingen sollen.

Dabei handelt es sich um Rüttelstreifen vor beiden Eingängen eines 219 Meter langen Tunnels, durch den die Fahrbahn und ein Fußweg direkt auf die Staumauer der Talsperre führen. Motorradfahrer nutzen diesen Straßenabschnitt häufig als spektakuläre Rennstrecke, immer wieder kommt es zu schweren Unfällen. So starb im Jahr 2009 ein Motorradfahrer an einer Tunnelausfahrt, als zwei Motorräder mit viel zu hohem Tempo zusammenstießen. Einer wurde damals schwer verletzt. Eine ähnliche Kollision folgte ein Jahr später, zwei Motorradfahrer wurden verletzt. 2012 gab es einen weiteren schweren Unfall, Pfingsten 2014 prallte ein 49-jähriger Biker in voller Fahrt auf einen Pkw.

Und dies, obwohl die Polizei seit Jahren versucht, die Unvernünftigen unter den Motorradfahrern zu stoppen - mit Blitzeraktionen, regelmäßigen Verkehrskontrollen und vielen Warnschildern. Doch ohne nachhaltigen Erfolg.

Nun will man das Problem anders lösen. Verteilt auf 65 Meter soll mit jeweils sieben einen halben Meter breiten und bis zu zwei Zentimeter hohen asphaltierten Rüttelstreifen das Tempo aus dem Verkehr genommen werden. Die Streifen können nicht umfahren werden. Doppellinien und reflektierende Markierungsknöpfe auf der Fahrbahnmitte signalisieren ein absolutes Überholverbot. Große Schilder in deutscher und englischer Sprache weisen bereits weit vor dem Tunnel auf die neue Verkehrsanlage hin. Es gilt Tempo 50. Darüber hinaus sind an den Tunnelzufahrten Überwachungskameras und Lärmmessgeräte installiert. Dieses Pilotprojekt ist bundesweit einmalig, es wurde nach jahrelangen Debatten mittlerweile von den Baubehörden abgenommen. Seit dem 1. Mai ist die Anlage offiziell freigegeben.

Viele kritische Stimmen

Erste Reaktionen von Motorradfahrern, aber auch von Autofahrern und Wanderern, fallen jedoch alles andere als begeistert aus. Viele von ihnen befürchten, dass hier für rund 50 000 Euro möglicherweise eine neue Unfallquelle entstanden ist.

Werner Wölke aus Thale hat sich nach eigenem Bekunden an das ausgeschilderte Limit gehalten und ist mit seinem Motorrad 50 Kilometer pro Stunde über die Hindernisse gefahren. „Mich hat es von der Sitzbank gehoben“, sagt der 61-Jährige. Seit 1975 schon fahre er Motorrad - und er sei absolut kein Raser. Aber solch gefährliche Rüttelstreifen seien ihm noch nicht untergekommen.

Biker Frank Hermann aus Gatersleben ist skeptisch, was die Wirksamkeit der Tempo-Bremse angeht. „Wer bisher auf die Tube gedrückt habe, tut das auch weiterhin.“ Im besten Falle werde abgebremst, im Tunnel aber wieder beschleunigt. Tempo 120 Kilometer seien für Fahrer schwerer Maschinen ohne weiteres erreichbar.

Für Tobias Müller aus Derenburg sind die kurvenreichen und steilen Strecken zwischen Rübeland und Hasselfelde das Biker-Paradies schlechthin. Sein Testurteil über die Rüttelstreifen: „Man wird selbst bei langsamer Fahrt derartig durchgeschüttelt, dass die Maschine nur mit größter Mühe in der Spur bleibt.“ Anfänger und Ortsfremde könnten seiner Meinung nach da die Kontrolle verlieren.

Warnung auf Internet-Seite

Überrascht reagiert Tilman Cleveman aus Amsterdam. Der Elektroniker gehört zu einer Gruppe niederländischer Biker, die jedes Jahr einen anderen legendären Biker-Treff ansteuert. Der 65-Jährigen: „Diese Schikanen hier sind wirklich sehr, sehr ungewöhnlich.“ Er werde auf seiner Internetseite vor den Gefahren warnen.

Auch Autofahrer haben ihre Probleme mit den Rüttelstreifen. Ernst Feiler aus Bad Frankenhausen: „Damit man die Rüttelstreifen nachts nicht übersieht, sollten sie besser mit weißer Farbe angestrichen werden.“ Franziska Steiner aus Weißenfels, die mit ihren Kindern als Fußgängerin durch den Tunnel gelaufen ist, ist noch etwas anderes aufgefallen: frische Reifenspuren. „Das sieht sehr gefährlich aus.“ Eine Erklärung dafür haben die Verkäuferinnen der Kioske auf dem Parkplatz an der Talsperre. Ihnen zufolge treiben einige Motorradfahrer im Tunnel erst im Stand die Motoren hoch, um dann mit Vollgas durch die Röhre zu jagen - offenbar trotz neuer Rüttelstreifen.

Das Verkehrsministerium in Magdeburg zeigt sich indes von den ersten Reaktionen überrascht. Einem Sprecher zufolge sei das Projekt ausgiebig durch Fachleute geprüft worden. Um Risiken zu minimieren, habe man sich beispielsweise entschlossen, innerhalb des Tunnels keine Rüttelstreifen anzulegen. Nun werde das Projekt einschließlich der im Tunnel gefahrenen Geschwindigkeiten permanent überprüft. Sollten Änderungen erforderlich werden, wolle man sie zeitnah umsetzen. Peter Pogunke, Sprecher des Polizeireviers Harz in Halberstadt, hatte schon zu Beginn des Projektes gesagt: „Die Rüttelstreifen werden nicht alles verhindern, doch sie können wie Spielverderber wirken - zum Beispiel bei illegalen Wettfahrten.“ (mz)

Schilder warnen vor dem Tunneleingang vor den Hindernissen.
Schilder warnen vor dem Tunneleingang vor den Hindernissen.
Andreas Stedtler Lizenz