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Traditionsbäckerei Morgenstern aus Mansfeld Traditionsbäckerei Morgenstern aus Mansfeld: Kleine Brötchen wie zur Wendezeit

Von Oliver Müller-Lorey 02.10.2015, 15:34
Hans Morgenstern, Karin und Hanspeter Corente (v.l) sind stolz auf ihren Sauerteig
Hans Morgenstern, Karin und Hanspeter Corente (v.l) sind stolz auf ihren Sauerteig Andreas Stedtler Lizenz

Mansfeld - Sauerteig. Es ist der Sauerteig, auf den die Bäckerfamilie Morgenstern besonders stolz ist. Und er könnte stellvertretend für den ganzen Betrieb, der inzwischen 13 Filialen hat, stehen. Denn den Sauerteig zeichnet aus, dass im neuen Teig immer auch ein wenig der Masse vom Vortag steckt. Sonst funktioniert der chemische Prozess nicht. Ohne Grundstoff von gestern kein neuer Teig, ohne neuen Teig keine neuen Brötchen. Es ist ein Spiel zwischen Vergangenheit und Gegenwart und es entscheidet über die Zukunft - nämlich darüber, ob die Brote schmecken und die Kunden morgen wiederkommen.

Ein schmaler Balanceakt zwischen Tradition, Gegenwart und Zukunft ist auch die Geschichte der Bäckerei Morgenstern. Der „Altmeister“ Hans Morgenstern musste sich regelmäßig fragen: Geld in moderne Maschinen investieren oder auf die alten vertrauen? Die Brötchen wie die Konkurrenz größer machen oder sie wie seit jeher klein und kompakt lassen? Experimente wagen oder lieber nicht?

Mut zu neuen Wegen

In den 25 Jahren nach der Wende ist viel passiert. Hans Morgenstern, der heute 81-jährige Bäckermeister, hat sich meistens für das Experiment entschieden und lag damit fast immer richtig.

Beispiel Torten: Fototorten sind im Jahr 2015 nichts Außergewöhnliches mehr, mittlerweile kann man sie sogar im Internet bestellen. „Wir waren aber die Ersten, die Fotos auf Torten gedruckt haben“, erzählt Hans Morgenstern und zeigt einen Ordner mit Beispielbildern. Für Kindergeburtstage, Jugendweihen und Hochzeiten gibt es etliche Motive.

Vielleicht ist es dieser Mut, sich auf das Neue einzustellen, der den Morgensterns und ihren Nachfolgern, Karin und Hanspeter Corente, ein florierendes Unternehmen bescherte. Gerade den großen Umbruch in den 90er Jahren nutzten sie zu ihrem Vorteil und kauften sich etwa einen damals hochmodernen Verkaufswagen.

Heute stehen vor vielen Supermärkten solche Bäckereien auf Rädern. Doch genau wie mit den Fototorten waren die Morgensterns auch mit den Wagen die Ersten in Sachsen-Anhalt. „Für viele war ein West-Auto erstmal wichtig, ich aber habe das Geld in den Verkaufswagen und so in den Betrieb investiert. Es hat sich gelohnt.“

Das hat es tatsächlich. Gut ein Dutzend Filialen sind über das Mansfelder Land verteilt, vielleicht kommt irgendwann noch eine in Halle hinzu. „Sie müssen sich abheben, dann kann man auch einen höheren Preis von Kunden verlangen“, meint Hanspeter Corente. Die Bäckerei wird regelmäßig mit Siegeln und Zertifikaten ausgezeichnet, im vergangenen Winter überzeugte „Luthers Geburtstagsstollen“ eine externe Jury.

Familienbetrieb seit Generationen

Die ursprüngliche Bäckerei hatte Hans Morgensterns Großvater 1898 in Hergisdorf (heute Landkreis Mansfeld-Südharz) gegründet. Dort lernte Hans Morgenstern nach dem Krieg das Bäckerhandwerk, obwohl für ihn eigentlich das Gymnasium vorgesehen war. Weil aber sein Bruder, der eigentlich den Betrieb übernehmen sollte, im Krieg gefallen war, wurde eben Hans Morgenstern Bäcker. Seine Tochter kam, ebenso wie er, durch unglückliche Umstände zum Bäckerberuf: Mit der Wende verlor sie ihren Bürojob bei der Mansfeld AG. Also lernte sie mit 35 Jahren noch Bäcker, um später das Unternehmen ihres Vaters zu führen. „Sie müssen ja auch etwas von der handwerklichen Materie verstehen“, meint Karin Corente.

Dass das Unternehmen einmal so gut laufen würde, daran hatte Hans Morgenstern scheinbar nie Zweifel. „Während der Wende hatte ich nie Angst, dass der Betrieb kaputt gehen könnte“, sagt er. Er habe den Umbruch eher als Chance gesehen, sich wirtschaftlich frei entfalten zu können. Damit das auch klappte, besuchte er 1990 ein Seminar zum Thema „Marktwirtschaft“. Das musste reichen, um mit der neuen Konkurrenz in einem völlig neuen Wirtschaftssystem mithalten zu können.

Längst nicht alle Experimente schlugen so erfolgreich ein, wie die mit Fototorten und Verkaufswagen. „Nach der Wende wollten die Leute große Brötchen haben“, erinnert sich Karin Corente. Das hätten sie auch erst probiert, aber dann doch wieder die kleinen Brötchen gebacken. In ihnen, ob groß oder klein, steckt übrigens auch Sauerteig und damit ein Stück Vergangenheit. (mz)