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Thüringen Thüringen: Wildkatze als Maskottchen mit Kuschelfaktor

Von Ingo Senft-Werner 14.09.2006, 07:39
Eine Europäische Wildkatze (lat.: Felis silvestris) steht aufmerksam auf einem Stein und beobachtet ihr Revier (Foto: dpa)
Eine Europäische Wildkatze (lat.: Felis silvestris) steht aufmerksam auf einem Stein und beobachtet ihr Revier (Foto: dpa) dpa

Eisenach/dpa. - Die bedrohte Tierart feiert ihre Auferstehung als «Leitorganismus» für eines der größtenUmweltschutzprojekte in Deutschland: Die Verbindung von Waldgebieten.Am Wochenende wird in Ruhla bei Eisenach der erste Abschnitt des«Rettungsnetzes für die Wildkatze» eröffnet, mit dem das Raubtierseinen Lebensraum im Nationalpark «Hainich» in den kommenden Jahrenauf den Thüringer Wald ausdehnen soll.

Dass die kuschelige Wildkatze fast ausgerottet wurde, ist kaumnachzuvollziehen. Doch in früheren Zeiten beeindruckten mehr ihreKrallen als ihr niedliches Aussehen, erläutert Projektleiter ThomasMölich vom Umweltverband BUND in Behringen (Wartburgkreis). «NachdemBären, Wölfe und Luchse vertrieben waren, haben sich die Jäger im 19.Jahrhundert dem letzten verbliebenen Raubtier zugewandt.» WildeGerüchte wurden über die Katze verbreitet: Hasen und sogar Rehkitzesoll sie gefressen haben. «Kein Jäger wird ruhen, bis er denunheilvollen Bewohner aus dem Wald vertrieben hat», lautete dieDevise.

Da die Wildkatze überaus scheu ist und von Spaziergängern so gutwie nie entdeckt wird, fiel ihr Abschied kaum auf. Erst vor rund 20Jahren engagierten sich Umweltschutzgruppen für ihre Rückkehr. Anfangder 80er Jahre wurden die ersten Exemplare in Bayern ausgewildert.Wie viele Tiere heute in Deutschland leben, kann Mölich schwerabschätzen: «Die Zahlen schwanken zwischen 2500 und 5000.»

Im Nationalpark Hainich hat Mölich Spuren von rund 30 Katzengefunden, im gesamten Buchenwaldgebiet Hainich im NordwestenThüringens rechnet er mit 50 Tieren. Das Revier der weiblichen Tiereumfasst einen Umkreis von rund fünf Kilometern, «in der sie für kurzeZeit höchstens die eigenen Töchter dulden». Ansonsten gehen sich dieMäusefänger grundsätzlich aus dem Weg.

Bei der Suche nach eigenen Jagdgründen stoßen die Jungen aufschwer überbrückbare Grenzen wie offene Felder und Straßen. Nichtselten werden sie überfahren. Die Population im Hainich bleibt damitunter sich, warnt der Biologe. «Es kommen keine neuen Gene hinzu undschon ein strenger Winter oder eine Krankheit kann den Bestandgefährden.»

Der Sprung in den Thüringer Wald ist bislang durch die Autobahn A4von Frankfurt nach Erfurt abgeschnitten, die mitten durch dieHörselberge führt. Ihre Verlegung mit einer großen Brücke an denHügeln vorbei spielt den Naturschützern in die Hände. Gemeinsam mitLandwirten und Förstern wurden Feld- und Wiesenflächen zu einemWaldkorridor zusammengeschlossen, der in wenigen Jahren den Hainichmit den Hörselbergen verbindet und von dort unter der Brücke hindurchzum Thüringer Wald führt. «Später soll der Bereich bis zum Harz,Spessart und Kellerwald ausgedehnt werden.

Diese Vernetzung eröffnet für Mölich nicht nur der Katze neueMöglichkeiten. «Davon profitieren auch Hasen, Baummarder, Igel sowieetliche Insekten und Käfer.» Selbst Baumarten wie die Eibe könntensich weiter verbreiten, da der Baummarder ihre Samen frisst.

Das Thüringer Umweltministerium hat mit einer umfangreichenUntersuchung der Wildkatze vor rund zehn Jahren einen Grundstein fürdas Projekt gelegt. «Wir leisten auch Unterstützung bei derFlurneuordnung und suchen passende Ausgleichsflächen beimAutobahnneubau», sagte Werres. In Nordthüringen seien ähnlicheVernetzungen von Waldgebieten geplant. «Dabei setzen wir auf dieBundesregierung, die uns "Naturerbe-Flächen" übertragen will.»

Das «Rettungsnetz für die Wildkatze» wird weitgehend vom BUNDgetragen, der dafür eifrig Spenden sammelt. Dabei kann jeder diePatenschaft für eine Katze übernehmen.