Thüringen Thüringen: Rätselraten um Massengrab im Leinawald

Altenburg/dpa. - Auch gut 65 Jahre nach Ende des ZweitenWeltkriegs sind längst nicht alle Toten würdig bestattet. JüngstesBeispiel: Das neu entdeckte Massengrab im Leinawald bei Altenburg.Auf einer Fläche von etwa 20 mal 20 Metern sollen 60 bis 100 Toteverscharrt liegen. Schon einmal waren in den 1990er Jahren dortGebeine entdeckt worden. Nun sollen die Experten des VolksbundesDeutsche Kriegsgräberfürsorge erneut aktiv werden. «Zunächst muss derSprengmittelräumdienst das Gelände absuchen - das ist in Arbeit»,sagte Landesgeschäftsführer Henrik Hug. Im Herbst können dann haupt-und ehrenamtliche Umbetter ihre Arbeit beginnen. Doch wer sind dieToten im Leinawald?
«Es deutet vieles darauf hin, dass es sich um Gebeine vonKriegsopfern handelt», erläuterte Hug. In der Region habe es einLager mit ausländischen Gefangenen gegeben, die unter erbärmlichenBedingungen lebten und in der Rüstungsindustrie schuften mussten.Einige derer, die dabei ums Leben kamen oder gar umgebracht wurden,wurden offenbar im Leinawald vergraben. Es gibt aber auchVermutungen, dass es sich um Opfer von Säuberungsaktionen der RotenArmee nach dem Krieg handeln könnte. Die hatte rund um den einstigenMilitärflugplatz ein Sperrgebiet eingerichtet.
«Die Russen hatten damals alles hermetisch abgeriegelt, so dass eskaum Augenzeugen gibt», erklärte Gerd Schöps vom AltenburgerGeschichtsverein. Der Verein will helfen, Licht ins Dunkel zubringen, und sammelt dazu Berichte von Zeitzeugen. Die seien bisheraber eher spärlich und widersprächen sich zum Teil. Mancheberichteten sie nur vom Hörensagen, so dass vieles vage und bloßeVermutung bleibe. Aufgeben wollen Schöps und seine Mitstreiterdeswegen nicht. «Wir wollen, dass das ein humanitäres Ende nimmt.»
So sieht das auch der Altenburger Landrat Sieghardt Rydzewski(parteilos). Dieses «traurige Kapitel der Geschichte» müsse würdevollzu Ende gebracht werden, hatte er kürzlich erklärt. Das sei man denOpfern und ihren Hinterbliebenen auch nach so vielen Jahren schuldig.
Genauere Erkenntnisse zur Identität der Toten könnten DNA-Analysenbringen. «Solche Fähigkeiten haben wir beim Volksbund DeutscheKriegsgräberfürsorge nicht», stellte Hug klar. Hier könnte dieStaatsanwaltschaft Gera weiterhelfen. Nach Angaben ihres SprechersJens Wörmann stimmt sie sich derzeit mit dem Justizministeriumdarüber ab, ob es Untersuchungen an den Gebeinen geben soll. Zu einemabschließenden Ergebnis sei man noch nicht gekommen.
Hinweise auf die Todesumstände könnten auch Verletzungen an denKnochen geben, erklärte Hug. Allerdings komme dies auf deren Zustandan. Sollten die Menschen durch Krankheit oder Hunger umgekommen sein,sei dies äußerlich schwer festzustellen.
Die Kosten der Aktion wird laut Volksbund das Land tragen. Dazuhabe es ein Treffen im Innenministerium gegeben. Angedacht sei, dieGebeine auf dem Friedhof in Altenburg zu bestatten. Dass in Thüringenneue Kriegsopfer entdeckt werden, komme noch etwa ein bis zwei Malpro Jahr vor, erklärte Experte Hug. Neben dem vermuteten Grab imLeinawald gehörten da auch die jüngst in Einhausen bei Meiningenentdeckten Gebeine in den Überresten eines abgestürztenamerikanischen Fliegers dazu. Die seien allerdings von den Alliiertennach Hause geholt worden.
«Wir haben in Thüringen 564 Kriegsgräberstätten. Da liegen rund105 000 Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft», betonte Hug. DerLandesverband des Volksbundes feiert an diesem Freitag in Gotha sein20-jähriges Bestehen. Dazu wird auch Ministerpräsidentin ChristineLieberknecht (CDU) erwartet.