Teutschenthal Teutschenthal: Suche nach der Raubkunst
Halle/MZ. - Carl-Friedrich Wentzel sitzt im Clubsessel seines Arbeitszimmers auf Schloss Teutschenthal (Saalkreis) und stellt klar: "Die Enteignung unserer Familie durch Nazis und Kommunisten ist Unrecht. Ich werde unsere Kunstsammlung suchen, bis der Verbleib klar ist." Er meint es ernst: Neben einem Kunsthistoriker schaltete er kürzlich einen New Yorker Fachanwalt ein. Damit macht Wentzel Museumsdirektoren und Sammlern Angst. Die Frage lautet: Wer besitzt Teile der Kunstsammlung des Großvaters Carl Wentzel?
Treffen in London
Neues Licht in die sich seit 15 Jahren hinschleppende Suche könnte nun ein unerwarteter Kontakt bringen. "Mich hat das Auktionshaus Sotheby's angerufen", so Wentzel. Ein Deutschland-Experte des renommierten Auktionshauses bietet Beratungs- und Recherchehilfe an. "Sotheby's hat mich im Februar nach London eingeladen. Am Rande einer Tagung zum Thema Raubkunst werden wir reden." Großvater Carl Wentzel, seinerzeit "Krupp der Landwirtschaft" genannt, wurde als vermeintlicher Mitwisser des Attentats auf Hitler Ende 1944 hingerichtet, die Ehefrau kam ins KZ, der Besitz fiel an den Staat. Das Übriggebliebene holten sich 1946 die Kommunisten im Zuge der Bodenreform.
Rechtlich ist die Sache klar. Noch vorhandene Gemälde, Stiche, Plastiken und Möbel müssen von heutigen Besitzern zurückgegeben werden. Carl-Friedrich Wentzel, der mit seinem Bruder nach der Wende das Erbe des Großvaters antrat und Teile des einstmals größten agrar-industriellen Komplexes Deutschlands wieder bewirtschaftet, holt tief Luft, bevor er die Sachlage erklärt. "Um etwas zurückzubekommen, müsste man wissen, wo sich die Gegenstände, etwa die beiden Canaletto-Gemälde, befinden." Die Erben tappen im Dunklen. Großvater Wentzel verfügte über Güter in Schraplau, Oberröblingen, Brachwitz, Langenbogen, Eisdorf, Stedten, Höhnstedt, Salzmünde und Teutschenthal. Hinzu kamen Kohlengruben in Etzdorf, Bruckdorf und Nietleben sowie ein Bergwerk in Ilfeld im Harz. Auf diese Orte war die Sammlung verstreut. Allerdings existieren keine Fotos mehr. "Es gibt nur ein Liste des Düsseldorfer Restaurators Paul Gerhardt aus dem Jahre 1941", erzählt Carl-Friedrich Wentzel. Sie enthalte Angaben zu den Künstlern, Zuschreibungen und Titel sowie Versicherungssummen. Der Wert damals: 170 000 Reichsmark. Diese Liste mit 167 Stücken ist öffentlich in der Online-Datenbank für verschollene Kunstgüter bei Lost Art einsehbar.
Im Januar 1945 räumte die Hitlerjugend das Gut aus. Die dort gelagerten Kunstgegenstände wurden von der SS abtransportiert. Wohin die Reise ging, ist nicht mehr sicher zu belegen. "Einige Ziele kommen in Betracht. Berlin oder die damalige Oberfinanzdirektion Magdeburg. Aber auch Außenlager des Führermuseums in Linz wären plausibel", meint Wentzel und stützt sich dabei auf seinen Kunsthistoriker. Und der hat eine zweite Liste ausgegraben. Sie stammt aus dem Jahr 1946 und wurde von der damaligen Pächterin des Gutsschlosses Teutschenthal, der "Sach- und Lebensversicherung Sachsen-Anhalt" angefertigt.
Sie dokumentiert den nach der Bodenreform vorgefundenen Bestand von 20 Bildern und einigen Stichen. "Nach unseren Akten wissen wir über den Verbleib der Gegenstände von der 1946er Liste, dass ein Teil der Sammlung als Leihgabe bei der Versicherung belassen, ein anderer Teil an Landesbehörden ging, an Museen abgegeben oder einfach verkauft wurde."
Eine Spur konnte Carl-Friedrich Wentzel aufnehmen. Nach der Bodenreform seien durch den einstigen Museumsreferenten des Landes, Heinz-Arno Knorr, enteignete Kunstwerke in Museen Sachsen-Anhalts, hauptsächlich auf die Moritzburg zu Halle und ins Schloss Wernigerode gebracht worden. So habe man vom Schloss Wernigerode bereits eine im dortigen Depot gefundene Statue zurück erhalten. Darüber freut sich Wentzel und hofft, nach zwei ähnlichen Depotfunden in der Moritzburg auch dort mit seinen Recherchen weiterzukommen. "Die Moritzburg hat mir sachliche Kooperation angeboten, die ich annehme." Wentzel glaubt nicht, dass sich dort noch Kunstwerke seines Großvaters befinden. Er hofft auf Aktenfunde, die Aufschluss über zeitweise Einlagerungen oder Weitergaben zu DDR-Zeiten geben.
Lange Geschichte
Gleiches erwartet er auch von den Archiven der Allianz-Versicherung in München. Die Allianz ist seit der Wende im Besitz der Akten der Sach- und Lebensversicherung Sachsen-Anhalt. Auch wenn er dort noch nicht erfolgreich war, bleibt Wentzel gelassen und verweist auf 500 Jahre Familiengeschichte. "Rund 50 Jahre stehen davon im Zeichen von diktatorischem Unrecht. Wenn ich es nicht schaffe, Licht in diese Sache zu bringen, dann schaffen es die Enkel."