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Tag der deutschen Einheit Tag der deutschen Einheit: Spaßzug durchfuhr bei Barby die Frustmauer

Von Jan Wätzold 03.10.2003, 19:40
Bundeskanzler Gerhard Schröder (2.v.r.) begrüßt am Freitag (03.10.2003) auf dem Magdeburger Bahnhof zusammen mit dem Bundesratspräsidenten Wolfgang Böhmer (r) Rocksänger Udo Lindenberg. Lindenberg war zuvor mit einem "Sonderzug" von Berlin nach Magdeburg gekommen und hatte auf dem Weg symbolisch eine Mauer durchfahren. (Foto: dpa)
Bundeskanzler Gerhard Schröder (2.v.r.) begrüßt am Freitag (03.10.2003) auf dem Magdeburger Bahnhof zusammen mit dem Bundesratspräsidenten Wolfgang Böhmer (r) Rocksänger Udo Lindenberg. Lindenberg war zuvor mit einem "Sonderzug" von Berlin nach Magdeburg gekommen und hatte auf dem Weg symbolisch eine Mauer durchfahren. (Foto: dpa) dpa

Berlin/Magdeburg/MZ. - Otto Sander sieht aus, als käme ihm der Feiertag irgendwie ungelegen. Oder zumindest die frühe Stunde, zu der Udo Lindenberg ihn und andere Berliner Künstlerkollegen zum Bahnhof Friedrichstraße bestellt hat, wo der "Sonderzug nach Pankow" in Richtung Magdeburg abfährt. Es ist 12 Uhr - "eine Unzeit", wie Sander meint. Trost findet der Schauspieler bei einem Glas Bier und im Anblick Ben Beckers. Bei dem scheint der Vorabend des Feiertages auch lang gewesen zu sein.

Sander und Becker sind aber längst nicht die einzigen Bleichgesichter, die kurz nach Mittag im Tross des einst als Kanzlerkandidat gescheiterten Lindenberg nach Sachsen-Anhalt starten. Wer mit dem Spitzenmann der längst wieder aufgelösten Panikpartei im Sonderzug hockt, ist entweder vornehm blass oder turbobraun. Zumindest bis zum Bahnhof Grunewald. Erst jenseits der Berliner Stadtgrenze verschwimmen die Gesichts-Farbkontraste der 450 Passagiere zu einem wohligen Einheitsrot. Freisekt und Freibier zeigen Wirkung.

Auch bei Nina Hagen, die kaum fassen kann, wie viele Autogrammjäger an ihre Abteiltür klopfen. Was die schrille Königin Mutter des deutschen Punkrocks nicht weiß: Nebenan bei Lindenberg sieht es für die Fans gerade schlecht aus, der Panik-Papst gibt Interviews. Da müssen halt die übrigen Prominenten in der mit bunten Lindenberg-"Likörellen" beklebten Eisenbahn ran. Zum Unterschreiben auf den Zugschildern, die schon kurz nach der Abfahrt in Berlin komplett aus den Rahmen "gefallen" waren.

Eric Burdon hat Glück. Oder Pech. Ganz nach Blickwinkel. Anders als Sander, Becker, Die Prinzen oder Yvonne Catterfeld kann Lindenbergs Musikerkumpel aus den siebziger und achtziger Jahren unbehelligt durch die Abteile schlurfen. "Liegt vielleicht daran, dass er nicht mehr so aussieht wie auf den alten Plattenhüllen", meint Sascha Sachse. Der Chef des halleschen Konzertbüros Känguru Production weiß allerdings auch, dass Aussehen längst nicht alles ist. Deshalb hat Sachse für das Jubiläums-Konzert des Panikorchesters am 6. Februar 2004 gleich die Leipziger Messehalle gemietet. Geht es um Kartenverkäufe, ist auf Lindenberg eben Verlass. Anders beim Feiertagstrip nach Magdeburg. Nach dem der "Sonderzug" in Barby unter dem Jubel von 15000 Zuschauern die Frustmauer "Symbol für Trennung und Miesmacherei" aus Styropor durchbricht, bleibt Udo zunächst verschwunden. "Er ist vorn beim Lokführer", heißt es nach der ersten Aufregung.

In Sachsen-Anhalts Hauptstadt warten zwei andere Lenker auf den Chef des legendären Panikorchesters. Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) und Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) heißen Lindenberg auf Bahnsteig 8 willkommen. Bevor der Kanzler nach Rom zum Europarat davon eilt, gesteht er dem Sänger seinen Neid. "Powern statt Mauern: Der Satz könnte glatt von mir sein", so Schröder. Sei er aber nicht, was er zutiefst bedauere. Sagt es und verschwindet. Und Lindenberg? Meint lediglich: "Tschüssikowski."