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Supermarkt Supermarkt: Ruhe vor dem Sturm

Von KATRIN LÖWE UND MICHAEL FALGOWSKI 07.07.2010, 21:48

HALLE/MZ. - Zwei Stunden lang herrscht ungewohnt gähnende Leere. Dann kommen die Fans zurück. Traurige Fans.

Marktleiter Marcus Moex weiß, wie es läuft: Kurz vor dem Spiel geht noch einmal die Post ab. Dann wird es still zwischen den Regalen, nur wenige verirren sich noch hierher, um "die Ruhe zu genießen", wie einer sagt. Kurz vor dem Anpfiff hat Kassiererin Carolin Hauswald schnell noch abgerechnet - sie hat von der 21- in die 20-Uhr-Schicht getauscht, will schnell weg. Auch Moex ist diesmal beim Public Viewing, überlässt Kollegen das Feld. "Ich habe mich geärgert, dass ich Samstag das Spiel gegen Argentinien nicht sehen konnte."

Den Markt als fußballfreie Zone zu bezeichnen, wäre übertrieben: Die Deutschlandfahne hängt am Eingang, auch mancher Verkäuferin ist schwarz-rot-goldene Zierde anzusehen. Aber Fernseher oder Radio? Fehlanzeige. Ganz ahnungslos sind die Mitarbeiter aber bisher nicht geblieben. "Man hört doch halb Halle schreien bei jedem deutschen Tor", erzählt der 24-jährige Chef. Wenn denn eines fällt.

Nur ein Draht nach draußen

Mit dem Arbeiten, das war zuletzt noch schwierig für ihn: Jedes Mal, wenn die Massen draußen brüllten, führte ihn sein Weg sofort ins Büro an den Computer - dem einzigen Draht in die fußballbegeisterte Außenwelt. Und nach dem Abpfiff, da kamen erneut die Fans. Grillartikel, Getränke - "man merkt am Bier-Umsatz, wenn ein deutsches Spiel ist", sagt Moex. Auch wenn es nicht die Umsatzsprünge sind, wie sie manch anderer verzeichnet.

Das Sommermärchen - es hätte für viele noch weitergehen können. Für die Bierbrauer etwa. "Die deutschen Spiele waren für den Absatz etwa in den Fan-Meilen besonders gut", sagt Michael Scherer, Geschäftsführer des für Sachsen-Anhalt zuständigen norddeutschen Bierbrauerverbandes. "Im Vergleich zum EM-Jahr 2008 haben wir bis Ende Mai zehn Prozent weniger Bier verkauft. Deshalb setzten wir auf den WM-Effekt", so Scherer. König Fußball half: "Die 19 Braustätten im Land erwarten für den Juni Absatzzuwächse von bis zu zwölf Prozent." Im Gastgewerbe fällt das Urteil differenzierter aus. "Auf Getränke ausgerichtete Lokale haben Zuwächse zu verzeichnen, Großveranstalter sowieso. Aber 98 Prozent unserer Mitglieder befürchten Verluste", so Manfred Eichmann vom Hotel- und Gaststättenverband Sachsen-Anhalts. Das sah der Einzelhandel bislang anders. "Gutes Abschneiden der Deutschen hebt ganz allgemein die Laune der Kunden. Die Umsätze dürften überall gestiegen sein", sagt Kai Falk, Sprecher des Deutschen Einzelhandelverbandes.

Schichtwechsel mittendrin

Zurück zu Edeka: Mitten im Spiel ist Schichtwechsel. 21 Uhr übernimmt ein Sicherheitsdienst die Nachtschicht an den Kassen und füllt Regale auf - die anderen können zur zweiten Halbzeit nach Hause eilen. Bislang haben sie wenig verpasst. "Ich höre nichts", sagt Wachmann Michael Scharfe nach einem Gang vor die Tür. Kurz darauf kommt nur ein leises Stöhnen vom nahen Biergarten - eine verpasste Chance. In der 69. Minute greift Scharfe zum Telefon: Der Applaus aus dem Lokal klingt nicht frenetisch genug, noch 0:0. Dass die Spanier kurz darauf treffen, bleibt im Markt lange unbemerkt.

Die Nachtschicht ist besetzt wie immer, Schichtleiter Maik Schulz lässt das Spiel zu Hause aufnehmen. Auch mehr Wachmänner sind es bewusst nicht, sagt Firmen-Chef Jens Kaiser. "Damit provoziert man nur." Und bisher war ja alles gut gegangen. Nur mit fröhlichen Kunden ist es nun vorbei. Fahnen hängen schlaff an den Rückkehrern, die wenigen Vuvuzelas tröten lahm, Autohupen vor der Tür sind rar. Was jetzt im Einkaufskorb der zahlreichen, aber wenig redseligen Fans landet, ist Frustbier.