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Streit um Einschulungsbilder Streit um Einschulungsbilder: Anwalt erklärt, warum sich ein Fotoverbot vermeiden lässt

16.08.2019, 17:37
Kinder posieren nach ihrer feierlichen Einschulung mit Zuckertüten vor der Schule.
Kinder posieren nach ihrer feierlichen Einschulung mit Zuckertüten vor der Schule. dpa

Halle (Saale) - Viele Schuldirektoren wollen aus Angst vor Verstößen gegen den Datenschutz bei den Einschulungsfeiern Fotoverbote verhängen. MZ-Redakteur Hagen Eichler befragte zu dem Thema Daniel Heymann, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in der Leipziger Kanzlei „Petersen Hardraht Pruggmayer“.

Herr Heymann, darf eine Schule Eltern bei der Einschulungsfeier das Fotografieren verbieten?
Daniel Heymann: Ja, das ist über das Hausrecht möglich. Die Schule darf ihren Gästen aufgeben, was sie auf ihrem Gelände tun und lassen sollen. Zur Verfügungsmacht der Schule gehört auch die Frage, ob Fotos angefertigt werden dürfen und wofür diese später verwendet werden können.

Einige Einschulungsfeiern finden im Rathaus oder Gemeinschaftshaus statt. Hat der Direktor auch dort Hausrecht?
Heymann: Ja, wenn die Schule der Veranstalter ist. Es gibt Gerichtsentscheidungen, wonach das Hausrecht nicht an das Eigentum geknüpft ist, sondern auch für den gilt, der ein Gebäude pachtet.

Womit müssen Eltern rechnen, die trotz Fotoverbots ihr Handy zücken und die Kinder fotografieren?
Heymann: Wie bei jedem Verstoß gegen eine Hausordnung: in letzter Konsequenz mit dem Hausverbot. Zunächst wird es sicher die Ermahnung geben, die Regeln zu beachten.

Dürfen Schulleiter Eltern genauso behandeln wie Schüler und ein unerlaubt benutztes Handy einziehen?
Heymann: Eine Grundlage für ein solches Recht sehe ich nicht.

Ist das von vielen Schulen ausgesprochene Fotoverbot tatsächlich durch Gesetze erforderlich? Oder haben Schulleiter Alternativen?
Heymann: Es gibt Alternativen. Ein Totalverbot ist natürlich die sicherste Variante. Es geht ja eigentlich nicht um Rechte der Schule, sondern der Schulleiter nimmt stellvertretend die Persönlichkeitsrechte der Erstklässler wahr. Wenn die Schule vor der Einschulung das Einverständnis der Eltern einholt, können Fotos gemacht werden. Man könnte nach der offiziellen Feier eine Gelegenheit schaffen, bei der alle Kinder, für die eine Erlaubnis vorliegt, gemeinsam fotografiert werden können. Wichtig ist: Beide Eltern müssen zustimmen.

Wie sind die Regeln, wenn Einschulungs-Kinder selbst ein Handy haben und während der Feier fotografieren?
Heymann: Die Rechte des Abgebildeten ändern sich nicht, es geht also nur mit Einwilligung. Aber natürlich stellt sich die Frage, welche Konsequenzen ein Verstoß haben kann. Ein Kind unter sieben Jahren ist nicht deliktsfähig. Da wird es schwer, Ansprüche durchzusetzen. Allerdings könnte man eine Aufsichtspflichtverletzung der Eltern denken, so dass Ansprüche gegen diese nicht ausgeschlossen sind.

Viele Schulen begründen Fotoverbote mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Zu recht?
Heymann: Die DSGVO hat damit überhaupt nichts zu tun. Bei so einer Feier und Fotos von Verwandten geht es um Abbildungen im persönlich-familiären Bereich - auch wenn die Fotos nicht zu Hause entstehen. Dieser Bereich wird von der DSGVO überhaupt nicht erfasst. Was beachtet werden muss, ist das Recht am eigenen Bild, das im schon 1907 erlassenen Kunsturhebergesetz (KUG) geregelt ist.

Was sagt dieses Gesetz?
Heymann: Anders als die DSGVO erfasst das Kunsturhebergesetz noch nicht das Anfertigen von Fotos, sondern erst das Verbreiten und das öffentliche Zurschaustellen. Das wiederum erfordert grundsätzlich die Einwilligung des Abgebildeten - bei Erstklässlern die beider Elternteile. Gesetzliche Ausnahmen, etwa für Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte, greifen mangels Öffentlichkeit der Veranstaltung für Einschulungsfeiern nicht.

Wenn ich Fotos nur für mich anfertige, darf ich also bei der Feier fotografieren. Was wäre dann ein unerlaubtes Verbreiten? Reicht es, das Foto bei WhatsApp als Profilbild oder als Statusbild zu zeigen?
Heymann: Das Profil- oder Statusbild ist mit Sicherheit ein „Verbreiten“. Ob das auch dann gilt, wenn jemand ein Foto an die Großmutter schickt, ist strittig. Da gibt es in der Rechtsprechung unterschiedliche Meinungen. Allerdings ist natürlich immer die Frage, ob das überhaupt jemand mitbekommt.

Einige Schulen haben aus Datenschutzgründen auch alte Klassenfotos aus den Fluren abgenommen.
Heymann: Da hat sich aber die Rechtslage überhaupt nicht geändert. Für das Aufhängen solcher Bilder hätte man nach dem KUG schon immer das Einverständnis der Abgebildeten gebraucht. Die DSGVO hat das nicht geändert, aber sie hat offensichtlich die Sensibilität erhöht - manchmal auch über das Maß. (mz)