1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Stonehenge in Holz: Stonehenge in Holz: Erster Blick auf jahrtausendealte Kultstätte bei Barby

Stonehenge in Holz Stonehenge in Holz: Erster Blick auf jahrtausendealte Kultstätte bei Barby

Von Katrin Löwe 24.06.2015, 19:53

Pömmelte - Landesarchäologe Harald Meller ist ein Mann, der begeistern kann. Gut, in einem Punkt ist er an diesem ohnehin etwas trüben Vormittag froh, dass es mit der Detailtreue doch nicht so hundertprozentig klappt: Vor rund 4300 Jahren hätten an der Stelle, an der sich jetzt rund 100 Menschen versammeln, vermutlich unzählige Reste von Tieropfern gelegen.

Ansonsten gerät Sachsen-Anhalts oberster Archäologe aber gründlich ins Schwärmen: „Die Kreisgrabenanlage Pömmelte-Zackmünde ist wissenschaftlich mindestens so bedeutend wie Stonehenge“, betont er immer wieder. Sie ist etwa zeitgleich entstanden. Und: Wer die südenglische Kultstätte wirklich verstehen wolle, müsse die Anlage im Salzlandkreis untersuchen.

Am Mitttwoch wurde Richtfest gefeiert in dem Rondell aus mehreren hölzernen Palisadenringen, das zwischen Jungsteinzeit und Frühbronzezeit als Kultstätte, aber auch als vorgeschichtlicher Kalender genutzt wurde.

Zur Sommersonnenwende 2016 soll die Anlage als fünfte Station der Tourismusroute „Himmelswege“ in Sachsen-Anhalt eröffnet werden. Bisher gehören dazu die Arche Nebra, das Sonnenobservatorium Goseck (beide Burgenlandkreis), die Dolmengöttin bei Langeneichstädt (Saalekreis) und das Landesmuseum Halle.

Originalgetreu rekonstruiert

Die Rekonstruktion des Herzstücks der Pömmelter Anlage ist im Prinzip abgeschlossen - 2000 Robinienstämme wurden in mehreren Ringen originalgetreu aufgestellt und zum Teil farblich und mit Schnitzereien verziert, mehrere Stelen nachgebaut. Mit einem äußeren Durchmesser von 115 Meter ist die Anlage wesentlich größer als das rund 2500 Jahre ältere Sonnenobservatorium Goseck.

Bis zum Sommer 2016 sollen Zufahrten und ein Parkplatz errichtet, ein acht Meter hoher Aussichtsturm gebaut und Beschilderungen aufgestellt sein. Zudem ist die Anbindung an den Elberadweg vorgesehen - ein Plan, in dem im zuständigen Wirtschaftsministerium ein großer Mehrwert für die Vermarktung der Himmelswege gesehen wird.

Immerhin: „Der Elberadweg ist in diesem Jahr zum elften Mal in Folge zu Deutschlands beliebtestem Fernradweg gewählt worden“, so Sprecher Robin Baake. Insgesamt werden in Pömmelte 2,2 Millionen Euro investiert - davon kommen rund 1,3 Millionen als Fördermittel aus einem europäischen und einem Bund-Länder-Programm.

Landesarchäologe Meller rechnet für die Anlage mit jährlich rund 30.000 Besuchern. Sie soll das nördliche Einfallstor für die Himmelswege werden, mehr Besucher aus Magdeburg oder Berlin anziehen - und sie könnte auch den bisherigen vier Standorten im Süden wieder mehr Zulauf bringen.

In der Arche Nebra nahe des Fundortes der legendären Himmelscheibe von Nebra waren die Besucherzahlen von 105.000 im Jahr 2008 auf zuletzt 52.000 zurückgegangen. Eine Tatsache, die aber offensichtlich weder Archäologen noch Tourismusexperten Sorgenfalten auf die Stirn treibt.

Die Arche gehöre zu den vier Prozent unter vergleichbaren Häusern, die mehr als 50.000 Besucher jährlich haben, heißt es im Landesamt für Archäologie. Und: Obwohl sie sich seit 2013 nicht mehr selbst finanziere, gelte sie als Erfolg, wird im Ministerium betont. Derzeit finanziere sie sich zu etwa 80 Prozent. „Vergleichbare Einrichtungen und Museen liegen bei 25 bis 50 Prozent“, so Sprecher Baake.

In der Arche Nebra, wo es seit der Eröffnung 2007 stets neue Sonderausstellungen gibt, liegt eine Kopie der Himmelsscheibe. Das Original ist im halleschen Landesmuseum zu sehen - und zieht als dessen berühmtestes Ausstellungsstück nach wie vor Besucher an, wie Sprecher Alfred Reichenberger sagt. „Wir haben immer wieder Anfragen zur Himmelsscheibe.“

Das Landesmuseum hat jährlich im Durchschnitt rund 100.000 Besucher. Im vergangenen Jahr waren es 60.000, zuvor dank der Sonderausstellung „Pompeji“ aber auch schon fast 230000. Wie viele Besucher vor allem wegen der ältesten bekannten Himmelsdarstellung kommen, wird nicht erfasst. Im Museum gilt die 3600 Jahre alte Himmelsscheibe als „Mona Lisa“ der Dauerausstellung. 2013 wurde sie ins Unesco-Dokumentenerbe aufgenommen.

Rituale und Menschenopfer

Die Kreisgrabenanlage von Pömmelte wurde in den Jahren 2005 bis 2008 von Archäologen untersucht. Um 2300 vor Christus errichtet, wurde sie einst 200 bis 300 Jahre lang wahrscheinlich als Heiligtum genutzt, in dem zahlreiche Rituale stattgefunden haben. Bei den Untersuchungen sind auch 29 Schachtgruben entdeckt worden, in denen die Wissenschaftler nicht nur Keramikgefäße, Tierknochen, Steinbeile und Mahlsteine, sondern auch menschliche Skelette fanden.

An einigen Skeletten wurden an Schädel und Brustkorb schwere Verletzungen nachgewiesen, die belegen, dass die Kinder, Jugendlichen und Frauen Opfer von Gewalttaten waren. Die Körper wurden dann teilweise zerstückelt in die Schächte geworfen. Die Hauptzugänge des Rondells sind nach Angaben der Archäologen auf Auf- und Untergangspunkte der Sonne im Jahresverlauf ausgerichtet - so seien Termine für jahrtausendealte Feste markiert, bei denen der Beginn der Jahreszeiten oder Anfang und Ende der Erntezeit gefeiert wurden.

Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sprach zum Richtfest von einem neuen beeindruckenden Zeichen dafür, dass Sachsen-Anhalt ein Land sei, in dem schon vor Jahrtausenden Hochkultur existierte. „Wir spielen hier in der Champions-League mit“, sagte er.

Landrat Markus Bauer (SPD) verwies auf geplante Ausstellungsräume zur Anlage im Museum Schönebeck und eine bereits laufende internationale Werbung über eine in Flugzeugen ausliegende Zeitschrift. Nur ein neuer Name soll noch gefunden werden. „Kreisgrabenanlage Pömmelte-Zackmünde“ ist für spannende Geschichte dann doch zu spröde. (mz)