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Spielhallen in Sachsen-Anhalt Spielhallen in Sachsen-Anhalt: Scharfe Kritik an längerer Öffnungszeit

Von Hendrik Kranert-Rydzy 11.02.2015, 20:13
Die Front eines Spielautomaten.
Die Front eines Spielautomaten. Freund/Symbol Lizenz

Halle (Saale) - Sachsen-Anhalts Spielhallen können seit Mitte Januar deutlich länger als bislang öffnen. Statt neun müssen sie nur noch drei Stunden am Tag schließen. Das regelt eine neue Verordnung des Wirtschaftsministeriums. Die Kommunen können nach dessen Angaben die Sperrzeiten allerdings wieder ausweiten. Spielsüchtige, deren Angehörige und Wohlfahrtsverbände kritisieren das Vorgehen scharf. Sie fürchten eine weitere Zunahme der ohnehin großen Zahl von Spielsüchtigen in Sachsen-Anhalt.

Nach MZ-Informationen hatten vor allem die Industrie- und Handelskammern und der Verband der Automatenbetreiber auf eine Neuregelung gedrängt. Wirtschaftsminister Hartmut Möllring (CDU) erklärte dazu: „Mit der Verordnung wird ein angemessener Ausgleich zwischen Interessen der Spielhallenbetreiber einerseits und der Kommunen, des Landes und der Sozialeinrichtungen andererseits geschaffen.“ Die Verordnung gebe den Kommunen Raum für flexible Lösungen.

SPD-Innenexperte Rüdiger Erben hält das für „lachhaft, Möllring verkehrt die Sache ins Gegenteil“. Kommunen bräuchten ganz besondere Gründe, um längere Schließzeiten durchzusetzen, „da reicht der Hinweis auf eine allgemeine Gefahr der Spielsucht nicht aus“. Zudem hätten die Kommunen wirtschaftliche Interessen, sie verdienen an der Glücksspielsteuer mit, sagte Erben.

Nur noch von 3 bis 6 Uhr zu

Seit 1991 galt in Sachsen-Anhalt, dass Spielhallen von 22 bis 7 Uhr schließen müssen - jetzt nur noch von 3 bis 6 Uhr. Möglich geworden ist dies mit einer Anfang dieses Jahres in Kraft getretenen Änderung des Gaststättengesetzes. Gleichzeitig ging die Zuständigkeit für die Sperrzeitenverordnung für Spielhallen vom Innen- auf das Wirtschaftsministerium über.

Bereits als dies 2014 deutlich wurde, warnte die Liga der Freien Wohlfahrtspflege eindringlich vor der Reduzierung der Sperrzeit: „Dies stellt aus Perspektive von Suchtprävention, Jugend- und Spielerschutz einen unhaltbaren Zustand dar“, argumentierte Liga-Geschäftsführerin Susanne Kornemann-Weber damals. Ohne Erfolg.

„Für Betroffene, die versuchen, einen spielfreien Weg zu finden, bedeutet die Regelung eine enorme Verführungskraft“, sagte Annett Hausdorf, Glücksspiel-Therapeutin bei der Awo-Suchtberatung Halle. Denn 90 Prozent der schätzungsweise bis zu 15 000 Spielsüchtigen in Sachsen-Anhalt seien vom Automatenspiel abhängig. „Automatenspiel hat ein enormes Suchtpotenzial und eine hohe Klebekraft, weil es schnell funktioniert und schnell Erfolg oder Fast-Erfolg bietet“, so Hausdorf. Im Schnitt würden 30 000 bis 40 000 Euro verspielt, bis Süchtige um Hilfe nachsuchen. „Der Leidensdruck und der Dramafaktor bei den Betroffenen ist sehr hoch“, sagte Hausdorf.

"Um Kopf und Kragen zocken"

Aus diesem Grund nennt es Erben „völlig irre, dass wir für Lotto oder Spielbanken nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages immer strengere Regeln finden, sich die Leute in den Spielhallen aber um Kopf und Kragen zocken können“. Erben kritisiert auch, dass das für Suchtprävention zuständige Sozialministerium keinen Einfluss auf die Entscheidung habe nehmen können.

Sozialstaatssekretärin Anja Naumann (SPD) bestätigte auf Nachfrage, dass „unsere Einwände gegen die Sperrzeit-Verkürzung“ kein Gehör gefunden hätten. Naumann bezeichnet die dreistündige Sperrzeit als „viel zu kurz“. Möllring hingegen erklärte: „Spielsucht kann nicht durch lange Sperrfristen geheilt werden.“ Diese verlagerten nur die Sucht. (mz)