Spezialfolie für Geldautomaten Spezialfolie für Geldautomaten: Heißer Schaum statt Geld

Halle/Zürich/MZ - Ihr Vorbild war der Bombardierkäfer: Das zehn Millimeter lange Tier ist in der Lage, zwei in seinem Hinterteil getrennt lagernde Chemikalien mit einem Enzym zur Explosion zu bringen. Mit dem ätzenden Spray, das der Käfer dabei ausstößt, kann er Ameisen töten oder Frösche verjagen. Das System, sagen Forscher der Eidgenössischen Hochschule (ETH) Zürich, könnte nun im Kampf gegen Kriminelle helfen, die Geldautomaten sprengen. Die Wissenschaftler haben eine Folie entwickelt, die bei Erschütterung heißen Schaum ausstößt und das Geld unbrauchbar macht.
Das Projekt könnte auch hierzulande auf Interesse stoßen, nachdem die Zahl der Automatensprengungen 2013 auf ein Beinahe-Rekordhoch von 79 Fällen gestiegen ist (nach 80 im Jahr 2010) und sich in diesem Jahr eine weitere Steigerung andeutet. „Es gibt bereits Interessenten“, sagt Jonas Halter, wissenschaftlicher Mitarbeiter der ETH. Noch sind sie aber geheim.
Prinzip der Erfindung: Zwei Folien, in denen Hohlräume mit Wasserstoffperoxid und Mangandioxid gefüllt sind, werden aufeinandergeklebt. Nur eine Schicht Klarlack trennt die Chemikalien - zerbricht sie durch Erschütterung, kommt es zu einer Reaktion, bei der 80 Grad heißer Schaum entsteht. Zusätzlich könnten Farbstoffe beigefügt werden, um das Geld zu entwerten, schreiben die ETH-Forscher. Und: DNA. „Wenn der Täter mit dem verfärbten Geld in Berührung kommt, ist er auch markiert“, so Halter. Und könne wie bei einem Vaterschaftstest überführt werden.
Kostspielige Angelegenheit
Nun sind die Schweizer Forscher nicht die ersten, die sich mit gesprengten Geldautomaten beschäftigen. Die Branche hat auf das Phänomen bereits reagiert - mit Farbbomben, die das Geld im Automaten unbrauchbar machen, oder Gas-Sensoren. Schon in drei Viertel aller Fälle kommen die Täter heute nicht an Beute. Aber: Die flächendeckende Umrüstung der Automaten ist eine langwierige und teils kostspielige Angelegenheit, gaben Experten zu bedenken.
Kostspielig soll die Schweizer Folie nicht sein: Rund 40 Dollar schlagen laut ETH für einen Quadratmeter zu Buche. Um eine typische Geldkassette auszukleiden, seien nur 0,1 bis 0,2 Quadratmeter nötig, so Halter. Weiterer Vorteil aus Sicht der Forscher: Störanfällige, komplizierte Regeltechnik aus bisherigen Sicherungssystemen wird durch geschickte Materialien ersetzt. „Wenn man sieht, wie elegant die Natur Probleme löst, merkt man, dass die technische Welt oft festgefahren ist“, sagt Wendelin Jan Stark, Professor am ETH-Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften. Ursprünglich war den Forschern sogar der Kohl in den Sinn gekommen, der eine abstoßende Substanz ausstößt, wenn er von Vögeln angepickt wird. Die Reaktion war ihnen nur nicht extrem genug.
Hiesige Experten halten ein System, das autark ohne Strom oder Sensoren funktioniert, grundsätzlich für eine „nette Idee“. Allerdings: Werde ein Täter verletzt, könne das zum rechtlichen Problem werden, sagen sie. Eine Variante, bei der Rauch aus Automaten tritt, sei deshalb vor Jahren verworfen worden. Grundsätzlich, sagt Jonas Halter indes, entstehe bei der Reaktion Wasser und Sauerstoff - „beide völlig harmlos“. Nicht reagierendes Wasserstoffperoxid könne die Haut bleichen und sollte nicht in die Augen gelangen, räumt er ein. „Da es aber in Kontakt mit Manganoxid sehr schnell reagiert, ist dessen Anteil in der austretenden Flüssigkeit praktisch gleich null.“ Auch mögliche Verbrühungen bei einer falschen Ausrichtung des Systems dürften sich aus Sicht der Forscher in Grenzen halten.
Halter hält den Einsatz der Folie in ein bis zwei Jahren für möglich.

