Später Ermittlungserfolg nach Katastrophe vor Weihnachten 2002 Später Ermittlungserfolg nach Katastrophe vor Weihnachten 2002: Heiße Luft vor großem Knall
Halle/MZ. - Die Fahnder kamen im Morgengrauen, das Zielobjekt ahnte nichts. Um halb sieben Uhr am Dienstagmorgen wird Norbert W., derzeit wohnhaft bei seiner Freundin in Halle, unsanft aufgeschreckt von einem Haftbefehl, den ihm die Beamten präsentierten: Vorgeworfen wird dem 40-Jährigen darin versuchter Mord, schwere Brandstiftung und Versicherungsbetrug. Wenig später schon sitzt der Finanzmakler in einem Polizeifahrzeug, auf dem Weg in die Untersuchungshaft.
Es ist das Ende eines weiten Weges, der Norbert W. allerdings nie lange aus Halle weggeführt hatte. Seit dem 21. Dezember 2002, als das Haus Stephanusstraße 3 in einem Orkan aus Staub und Feuer zusammenbrach, wartete der gebürtige Ichenhausener: Auf das Ende der Ermittlungen zur Unglücksursache. Vor allem aber auf die Auszahlung der Versicherungssumme von rund 1,3 Millionen Euro, die ihm als Hauseigentümer zugestanden hätte.
"Er war von Anfang derjenige mit dem schlagenden Tatmotiv", sagt Oberstaatsanwalt Ingo Sierth. Nicht nur, dass W. seine "desaströsen finanziellen Verhältnisse" (Sierth) durch die Sprengung seines Hauses hätte auf einen Schlag sanieren können. Nein, der Mann mit vielfältigen Verbindungen ins kriminelle Milieu hatte auch Erfahrung mit "warmen Sanierungen": Zweimal bereits waren ihm Häuser und Autos unter der Hand verbrannt. Und zweimal bereits hatte er, weil ihm ein Verschulden nicht nachzuweisen war, stattliche Versicherungssummen kassiert.
Doch obwohl Zeugen aus dem Milieu bereits kurz nach der Explosion aussagten, dass Norbert W. Wochen zuvor davon gesprochen hatte, sein Haus zu Geld machen zu wollen, fiel es der Sonderkommission "Stephanus" schwer, dem selbstbewusst als Geschädigten auftretenden Süddeutschen eine Tatbeteiligung nachzuweisen. Monatelang analysierten Spezialisten die Trümmerberge, Beamte des Landeskriminalamtes suchten zwischen Resten von Gasrohren nach dem Auslöser der Katastrophe, bei der 100 weitere Gebäude beschädigt und mehrere Menschen zum Teil schwer verletzt worden waren.
Dass an den Gasleitungen manipuliert worden war, stand schnell fest. Vor dem Hintergrund eines im Untergrund der Saalestadt tobenden Machtkampfes aber schien nicht ausgeschlossen, dass Konkurrenten aus dem Rotlicht-Gewerbe mit dem Anschlag eine neue Runde im Revierkampf hatten einleiten wollen. Die Stephanusstraße 3, gut gelegen, aber unsaniert, galt Nachbarn als Treff dubioser Gestalten, dort wohnten bekannte Gesichter aus der Türsteherszene.
Nummer Eins in der Liste der Verdächtigen aber blieb stets Norbert W., der kurz nach dem Zusammenbruch seines vor der Zwangsversteigerung stehenden Hauses zum ersten Mal verhört worden war. Damals hatte er ein Alibi nachgewiesen - zum Tatzeitpunkt sei er ja nicht einmal in der Nähe seines Hauses gewesen. Explosionszeit und Tatzeit aber, so glauben die Ermittler heute zu wissen, waren keineswegs identisch.
Vielmehr habe ein ausgeklügelter Plan dafür gesorgt, dass Norbert W. in sicherer Entfernung auf den großen Knall warten konnte. "Vor der Tat", beschreibt Ingo Sierth, "ist der Gaszähler abgeschraubt worden, so dass über einen längeren Zeitraum Gas ausströmte." Und nur Norbert W. hatte den Ermittlungen zufolge Zugang zum Hausanschlussraum. Auslöser der Explosion sei dann mit hoher Wahrscheinlichkeit eine mit einer Zeitschaltuhr aktivierte Heißluftpistole gewesen, die beispielsweise zum Abbrennen von Farbresten an Türrahmen benutzt wird. Deren Temperatur habe zur Zündung des Gasgemisches ausgereicht.
Die Staatsanwaltschaft ist sich sicher, mit Norbert W. den Täter ermittelt zu haben. Auch aus folgendem Grund: In den Tagen vor der Explosion habe er persönliche Einrichtungsgegenstände aus dem Haus geschafft.