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Soziales Soziales: Schiedspersonen bringen Streithähne zum Reden

Von Antonie Städter 17.09.2008, 06:59
Die Schiedsfrau der Lutherstadt Eisleben, Ursula Hampf, ist eine von mehr als 500 ehrenamtlichen Schiedspersonen in Sachsen-Anhalt. (Foto: dpa)
Die Schiedsfrau der Lutherstadt Eisleben, Ursula Hampf, ist eine von mehr als 500 ehrenamtlichen Schiedspersonen in Sachsen-Anhalt. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Eisleben/dpa. - So läuft es meistens ab, sagt UrsulaHampf, bevor die Menschen zu ihr kommen. «Dabei wäre eine Aussprachein solchen Situationen das A und O.» Die 55-Jährige aus Eisleben(Mansfeld-Südharz) ist eine von mehr als 500 ehrenamtlichenSchiedspersonen in Sachsen-Anhalt, die versuchen, Konflikte vor demKlageweg zu lösen - auch, um die Gerichte zu entlasten. «Das Schönsteist, wenn sich die Leute am Ende einig sind und sich die Hand geben»,sagt sie.

Bevor es dazu kommt, wird die Schiedsfrau jedoch nicht seltenZeugin verbaler Gefechte - bis hin zum Riesenkrach. Das ist einGrund, warum sie die Verhandlungen nie allein führt, sondern stetsmit einer Mitstreiterin. Schließlich kommt in dem Fraktionszimmer desEisleber Rathauses, wo sie die Verhandlungen leitet, alles nocheinmal hoch bei den Beteiligten. Da geht es mal um denHeckenverschnitt, mal um die Dachrinnenreinigung oder um Äste, dieüber den Zaun des Nachbarn ragen. «Ich lasse das dann erst einmal biszu einem gewissen Grad eskalieren», sagt Hampf, «und wenn sich beideSeiten ausgetobt haben, hole ich sie auf die sachliche Ebene zurück.»Autorität ist Pflicht. «Dann fordere ich Vorschläge ein, mit denenbeide Seiten leben können.»

Genau das ist es, was die Schiedspersonen so wichtig macht, wieThomas Wünsch vom Justizministerium Sachsen-Anhalt sagt: «Sie sind inder Lage, im nachbarschaftlichen Umfeld Streite zu schlichten, dievor Gericht zwar notfalls durch ein Urteil entschieden werden - derenUrsachen jedoch dadurch nicht in allen Fällen dauerhaft beseitigtwerden können.»

Kommt es zum Schiedsverfahren, muss der Antragsteller eine Gebührzahlen, die am Ende zu gleichen Teilen der Schiedsstelle und derenTräger, der jeweiligen Kommune, zukommt. Wird der Konflikt gelöst,kostet das 50 Euro. Bleiben die Streithähne uneinig, sind 25 Eurofällig. Hinzu kommen Auslagen. Im Regelfall ist das Schiedsverfahrenmit einem Termin abgeschlossen. Dann wird entschieden: einig odernicht.

«In über 60 Prozent der Fälle wird der Streit erfolgreichgeschlichtet», sagt der stellvertretende Vorsitzende derLandesvereinigung Sachsen-Anhalt im «Bund Deutscher Schiedsmänner undSchiedsfrauen», Joachim Gülland. Die Zahl der Verfahren ist steigend:Wurden 2005 im Land 591 Anträge auf eine Schlichtung gestellt, warenes im Jahr darauf schon 670 und im vergangenen Jahr 720 Anträge.«Langeweile haben wir nicht», sagt Ursula Hampf, die seit acht Jahrenehrenamtlich Konflikte löst. Schließlich kommen zu den Verfahren nochsogenannte «Tür-und-Angel-Fälle» hinzu, bei denen bereits eineBeratung - ohne Verhandlung - zur Lösung führt. Und deren Zahlübersteigt mit 921 im Jahr 2007 die der verhandelten Fälle noch.

Dabei ist eine Schiedsstelle nicht für alle Probleme zuständig -sie kann zum Beispiel bei Beleidigungen, leichter Körperverletzung,Geldforderungen oder übler Nachrede zurate gezogen werden. Meistensjedoch geht es um Nachbarschaftsstreitigkeiten: Sie machen fast 70Prozent der Fälle aus. Bei einigen Streitthemen ist es garvorgeschrieben, dass vor dem gerichtlichen Klageweg eineSchiedsstelle in Anspruch genommen wird. Darunter zählen bislang auchvermögensrechtliche Ansprüche bei einem Streitwert bis 750 Euro - dassoll sich nach einem Gesetzesentwurf der Landesregierung jedochdemnächst ändern. «Aus unserer Sicht ist das kontraproduktiv»,kritisiert Gülland. Gleichzeitig stärkt die Gesetzesvorlage dieStellung der Schiedsstellen bei Nachbarschaftsstreitigkeiten.

Ursula Hampf war arbeitslos und auf der Suche nach einer Aufgabe,als sie im Jahr 2000 per Zufall auf das Schiedsamt stieß: EineBekannte hatte ihr davon erzählt. Mit Menschen arbeiten, das liegtder Finanzökonomin, die 27 Jahre lang in einer Eisleber Bank tätiggewesen ist. «Ihnen vielleicht auch noch helfen zu können, macht dieAufgabe für mich noch reizvoller», sagt die Schiedsfrau, diemittlerweile umgesattelt hat und einen Senioren-Service betreibt.