1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Sonderflug nach Leipzig/Halle: Sonderflug nach Leipzig/Halle: Lufthansa erinnert an ersten deutsch-deutschen Linienflug

Sonderflug nach Leipzig/Halle Sonderflug nach Leipzig/Halle: Lufthansa erinnert an ersten deutsch-deutschen Linienflug

Von Alexander Schierholz 10.08.2014, 11:55
Mit dabei auf dem Flug in die Vergangenheit: Die MZ-Leser Wolfgang Balzer, Satyen Heyne, Julia Müller, Annett Müller und Edith Schmidt (linke Reihe von vorne). In der rechten Reihe sitzen von vorne nach hinten: Ingrid Balzer, Thomas Juska, Hendrik Schmidt, Ursula Süssemilch und Brigitte Naumann. Sie alle hatten ihre Tickets bei einer Aktion der MZ und der Lufthansa gewonnen - und zeigten sich durchweg begeistert von dem Jubiläumsflug.
Mit dabei auf dem Flug in die Vergangenheit: Die MZ-Leser Wolfgang Balzer, Satyen Heyne, Julia Müller, Annett Müller und Edith Schmidt (linke Reihe von vorne). In der rechten Reihe sitzen von vorne nach hinten: Ingrid Balzer, Thomas Juska, Hendrik Schmidt, Ursula Süssemilch und Brigitte Naumann. Sie alle hatten ihre Tickets bei einer Aktion der MZ und der Lufthansa gewonnen - und zeigten sich durchweg begeistert von dem Jubiläumsflug. Andreas Stedtler Lizenz

Frankfurt (Main)/Leipzig - Barbara Boday hat eine Mappe mit Fotos von damals mitgebracht: Menschenauflauf und Medienandrang auf dem Frankfurter Flughafen. In Schkeuditz dagegen nur ein paar Ikarus-Busse, um die Passagiere abzuholen. Am 10. August 1989 flog die Lufthansa mit einer Boeing 737 erstmals planmäßig von Frankfurt am Main nach Leipzig/Halle - drei Monate vor dem Mauerfall. Im Westen sorgte der erste deutsch-deutsche Linienflug für große Aufmerksamkeit. Die DDR spielte das historische Ereignis herunter.

25 Jahre später steht Barbara Boday an diesem Sonntag an Gate 40 des Frankfurter Airports, umringt von Kamerateams. Sie ist gekommen, um eine Zeitreise anzutreten. Gleich startet Flug LH 1989 mit Airbus A 320 „Halle an der Saale“ nach Leipzig/Halle - die Lufthansa wiederholt zum Jubiläum den historischen Flug. Boday, 75, seit zehn Jahren im Ruhestand, 42 Jahre bei der Lufthansa, hat den Flug seinerzeit als Stewardess begleitet. „Ich fühle mich wie vor 25 Jahren“, sagt sie, bevor sie eincheckt, „aufgeregt und freudig“. Boday war gerade im Bad, als damals der Anruf kam: Es geht tatsächlich los, Flug LH 6010 von Frankfurt nach Leipzig/Halle soll am 10. August starten. Und sie soll mitfliegen. „Mir kamen die Tränen“, erzählt sie. Sie ist in Thüringen geboren und aufgewachsen. „Ich habe das Gefühl gehabt, ich kann ein bisschen an der Mauer rütteln.“

Politische Verwicklungen

Was Barbara Boday erzählt, fesselt auch zehn Leser der Mitteldeutschen Zeitung, die mit an Bord von Jubiläumsflug LH 1989 sind. Die Tickets haben sie bei einer Aktion der MZ und der Lufthansa gewonnen. Sie staunen über die Hintergründe und die politischen Verwicklungen, von denen Zeitzeugen wie Boday berichten. „Es war interessant zu hören, wie das damals abgelaufen ist“, sagt Thomas Juska aus Bernburg.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche politische Dimension hinter dem Flugverkehr steckte.

Der erste deutsch-deutsche Linienflug war ein Politikum. Jahrelang hatten die Lufthansa und ihr DDR-Pendant Interflug diskret über die Aufnahme der Verbindung verhandelt, von der der damalige Flugkapitän Jürgen Raps später sagte, es sei mit ihr „ein erstes Loch in die Mauer geflogen“ worden. Zwar hatten die Airlines die Rückendeckung der Verkehrsministerien in Bonn und Ost-Berlin. Doch als es soweit war, war das der DDR gar nicht mehr so recht. Das selbsternannte Arbeiter- und Bauernparadies hatte just zu jener Zeit schon reichlich Mühe, seine Bürger im Land zu halten: 750 000 Ausreiseanträge. Hunderte, die auf ungarischen Zeltplätzen auf eine Gelegenheit zur Flucht warteten. Oder gleich in der Botschaft der Bundesrepublik in Budapest Unterschlupf gefunden hatten. Folglich spielte die DDR die Aufnahme des Linienflugverkehrs als eine Erweiterung des seit fünf Jahren bestehenden Flugverkehrs zu den Leipziger Messen herunter.

Umweg über Prag und Dresden

Und dann waren da noch die Alliierten USA, Großbritannien und Frankreich, die in Fragen des innerdeutschen Luftverkehrs ein Wörtchen mitzureden hatten - schließlich war die Bundesrepublik damals nicht uneingeschränkt souverän. Amerikaner, Briten und Franzosen flogen West-Berlin direkt an, eine Linienverbindung nach Leipzig/Halle war ihnen ein Dorn im Auge. Schließlich konnten sie überzeugt werden, aber mit einem Zugeständnis: Der entlang der deutsch-deutschen Grenze gesperrte Luftraum wurde für die Linien Frankfurt-Leipzig/Halle, und ab 11. August 1989 auch Düsseldorf-Leipzig, bedient von der Interflug, nicht geöffnet. Die Maschinen mussten einen Umweg über Prag nehmen. 700 Kilometer statt der 310 Kilometer, die Leipzig und Frankfurt trennen. 1 400 Liter Kerosin mehr.

Auch Flug LH 1989 nimmt gestern diese Route - eineinhalb Stunden in der Luft, doppelt so lange wie sonst. Dennoch: „Das ging ja viel zu schnell“, witzelt Edith Schmidt. Wie alle anderen Passagiere hat sich die MZ-Leserin aus Halle sichtlich wohl gefühlt an Bord. Wozu wohl auch das First-Class-Essen beigetragen hat, das Chefstewardess Susanne Heid und ihre Kolleginnen servierten. „Das bekommt man nicht alle Tage“, freut sich Annett Müller aus Harzgerode. Für ihre Tochter Julia, Jahrgang 1992, gleicht der Flug einer Stunde in jüngster deutscher Geschichte: „Ich kenne das nur aus Erzählungen.“

Einer ist an diesem Sonntag nicht dabei: Jürgen Raps, der vor 25 Jahren die Boeing 737 „Reutlingen“ von Frankfurt nach Leipzig/Halle steuerte. Raps sei erst am Vorabend von einer Reise zurückgekehrt, sagt Sascha Unterbarnscheidt. „Aber seine Schulterstücke fliegen mit.“ Unterbarnscheidt, 43, ist Kapitän des Jubiläumsfluges. Er kennt die Geschichte des ersten innerdeutschen Linienfluges gut. Sechs Jahre war er Assistent von Raps. Als dieser in Rente ging, überließ er dem Jüngeren seine Uniformkennzeichnung.

Nach der Landung steht Unterbarnscheidt oben auf der Gangway und blinzelt in die Sonne. Die Blechbläser des Lufthansa-Orchesters spielen auf. Der Kapitän ist längst ein erfahrener Pilot, doch das hier ist alles andere als Routine. „Für jemanden wie mich, aus einer Generation, für die ein Europa ohne Grenzen Alltag ist, ist das schon sehr bewegend.“

Die Crew des Lufthansa-Airbus A320 "Halle a.d. Saale" steht am 10.08.2014 auf dem Flughafen Leipzig/Halle in Schkeuditz (Sachsen) gemeinsam mit der ehemaligen Flugbegleiterin Barbara Boday (r) auf der Gangway.
Die Crew des Lufthansa-Airbus A320 "Halle a.d. Saale" steht am 10.08.2014 auf dem Flughafen Leipzig/Halle in Schkeuditz (Sachsen) gemeinsam mit der ehemaligen Flugbegleiterin Barbara Boday (r) auf der Gangway.
dpa Lizenz
Mit einer Wasserdusche der Flughafenfeuerwehr wird am 10.08.2014 der Lufthansa-Airbus A320 mit dem Namen "Halle a. d. Saale" auf dem Flughafen Leipzig/Halle in Schkeuditz (Sachsen) begrüßt. Der Jubiläumsflug von Frankfurt am Main nach Leipzig erinnert an 25 Jahre deutsch-deutschen Linienverkehr der Lufthansa.
Mit einer Wasserdusche der Flughafenfeuerwehr wird am 10.08.2014 der Lufthansa-Airbus A320 mit dem Namen "Halle a. d. Saale" auf dem Flughafen Leipzig/Halle in Schkeuditz (Sachsen) begrüßt. Der Jubiläumsflug von Frankfurt am Main nach Leipzig erinnert an 25 Jahre deutsch-deutschen Linienverkehr der Lufthansa.
dpa Lizenz
Die Boeing 737 „Reutlingen“ eröffnete 1989 die Linienverbindung Leipzig-Frankfurt (Main). Gesteuert hat sie Jürgen Raps (vorne).
Die Boeing 737 „Reutlingen“ eröffnete 1989 die Linienverbindung Leipzig-Frankfurt (Main). Gesteuert hat sie Jürgen Raps (vorne).
Lufthansa Lizenz