Sommergespräch mit Stephan Dorgerloh Sommergespräch mit Stephan Dorgerloh: "Zu streiten ist völlig okay"

Halle (Saale) - Stephan Dorgerloh (SPD) legt sich das obligatorische Minister-Sakko manchmal wie einen Umhang nur auf die Schultern. An schlechten Tagen sieht der 48-jährige, gebürtige Berliner dann aus wie ein geschlagener Feldherr, wie Napoleon nach dem Russlandfeldzug. Im zurückliegenden Polit-Jahr gab es einige schlechte Tage für den Theologen: Für die Kürzung der Theater-Förderung und der Schließung von Grundschulen erntete der Kultusminister mächtig Gegenwind. Zum Interview sitzt das Sakko richtig. Entspannt spricht Dorgerloh mit MZ-Redakteur Kai Gauselmann darüber, warum er Kritik lockerer nimmt als man denkt, über seine Leidenschaft für das Marmeladekochen - und warum er auf keinen Fall der Lothar Matthäus der Landesregierung ist.
Herr Dorgerloh, wir sind hier im Garten des halleschen Kunstvereins Talstraße. Sehr originell, Sie haben wohl beruflich mit Kultur zu tun?
Dorgerloh: Das kann man so sagen. Ich liebe diesen Ort, er hat mit diesem Felsengarten eine ganz besondere Ausstrahlung. Hier habe ich auch einen meiner ersten Termine als Minister gehabt - und hinterher habe ich dann eher zufällig diesen wunderbaren Garten entdeckt.
Was ist daran denn so faszinierend, sind Sie Hobbygärtner?
Dorgerloh: In der Tat, ich gärtnere gerne. Ich habe auch zu Hause einen solchen Steingarten angelegt, allerdings viel bescheidener. Das ist ein kleiner Hang von der Terrasse zum Garten hin. So etwas mache ich gerne - gerade, wenn die Woche anstrengend war. Und wenn ich Früchte aus dem Garten ernte, koche ich auch Marmelade. Momentan sind die Mirabellen dran.
Das schmeckt, was Sie zusammen brauen?
Dorgerloh: Ja, sicher. Meine letzte Kreation war Kirsche mit Rum. Sehr lecker.
Kein Wunder, dass Sie ein handfester Typ sind. Sie sind ja der Lothar Matthäus der Landesregierung.
Dorgerloh: Wie bitte? Was?
Der hat auch Raumausstatter gelernt.
Dorgerloh: Also ich weiß nicht, ob Lothar Matthäus fliesen oder eine Wand mauern kann. Ich bin gelernter Innenausbau-Facharbeiter, das ist schon etwas anderes.
Aha, könnten Sie also auch ein Haus bauen?
Dorgerloh: Ausbauen. Ich habe unser altes Haus zumindest komplett selbst ausgebaut. Bis auf die Gas-Heizung und die Elektrik, das habe ich aus Sicherheitsgründen doch lieber Fachleute machen lassen.
Haben Politik und Bauen etwas gemeinsam?
Dorgerloh: Das sind verschiedene Baustellen. Beim Bauen arbeitet man mit den Händen und sieht relativ schnell, wie etwas fertig wird. In der Politik geht es oftmals um langwierige Prozesse. Dabei wirken viele Faktoren mit, wodurch man nicht immer wissen kann, wie sich die Dinge entwickeln. Man hat da mit Menschen zu tun, nicht mit Baustoffen.
Und was ist befriedigender: Marmeladekochen oder Politik?
Dorgerloh: Das hat beides seinen Reiz. Es ist aber viel schöner, wenn man etwa die erste Gemeinschaftsschule einweihen kann und erlebt, was es dort für einen pädagogischen Aufbruch gibt
Mehr über die kulturgeprägte Kindheit von Dorgerloh und wie er mit seiner Frau die Silberhochzeit feiert, erfahren Sie auf der nächsten Seite.
Woher kommt Ihr Impuls, den Felsengarten der Politik zu bestellen? Ihr Bruder Hartmut macht etwas Ähnliches, er ist ja Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Was war denn da zu Hause los?
Dorgerloh: Ich hatte eine schöne und glückliche Kindheit in einem Pfarrhaus. Das war ein sehr offenes Haus, mit vielen Gästen, Besuchern und Anregungen. Mein Vater war später auch kirchenleitend tätig. Und meine Eltern sind sehr kulturinteressiert. Das war, ehrlich gesagt, als Kind auch nicht immer nur schön: Wenn wir zum Beispiel sonntags bei 30 Grad zum Kloster Chorin ins Brandenburgische gefahren sind, hätte ich bestimmt lieber Fußball gespielt. Aber viele Anregungen haben wir auch aufgenommen. Manche unbewusst, manche bewusst: Meine Mutter sang zum Beispiel im Chor, das habe ich früh im Kinderchor und später in größeren Chören auch gemacht. Heute singe ich im Unichor. Mit sechs Jahren habe ich Geige gelernt - das ging bis 13 gut, dann bin ich auf Gitarre umgestiegen.
Weil Gitarre bei den Mädels am Lagerfeuer besser ankommt?
Dorgerloh: Ich sage es mal so: Geige muss man richtig gut können und viel üben, damit es auch klingt. Bei der Gitarre spielte tatsächlich meine Jugendgruppe eine Rolle. Meine Frau habe ich damals schon kennen gelernt, die war von meinen Gitarrenkünsten am Lagerfeuer allerdings nicht ganz so begeistert.
Dann war es wohl Liebe aus Mitleid - originelle Variante.
Dorgerloh: Da muss ich sie mal fragen. Geschadet hat die Gitarre aber anscheinend nicht. Wir sind jetzt immerhin schon seit 25 Jahren verheiratet. Um das zu feiern, machen wir jetzt unsere Hochzeitsreise.
Erst zur Silberhochzeit?
Dorgerloh: Als wir geheiratet haben, sind wir nach Polen gefahren – das war der politisch heiße Sommer 1989. Das waren dann nicht so romantische Flitterwochen. Das holen wir jetzt nach und fliegen im Sommerurlaub nach Thailand. Dort besuchen wir auch unseren Austauschschüler, der ein Jahr bei uns gelebt hat.
Hat sich die Kultursache bei Ihnen in der Familie weitervererbt?
Dorgerloh: Meine Frau ist Chemikerin, wir haben also auch einen naturwissenschaftlichen Zweig in der Familie. Meine Tochter studiert Zahnmedizin und mein Sohn Geophysik.
Lesen Sie auf Seite 3, wie der Kultusminister mit Kritikern umgeht.
Sie sind ja nur Raumausstatter geworden, weil Sie erst nicht studieren konnten. Warum?
Dorgerloh: Innenausbauer bitte! Ich war Bausoldat und habe früh signalisiert, dass ich Theologie studieren will und mein Herz nicht für dieses System schlägt. EOS ging aus politischen Gründen nicht, ich habe das Abitur so nicht machen können. Beruf mit Abitur war dann eine Alternative, die ich zum Glück genehmigt bekam.
Jetzt, wo Sie selber Regierung sind: Freuen Sie sich dann also über jeden Kritiker?
Dorgerloh: Kritik gehört dazu, wenn man Politiker ist. Es ist auch normal, dass Leute, die von Strukturentscheidungen betroffen sind, ihre Interessen verteidigen. Ich kann jedenfalls entspannter mit Kritikern umgehen, als sich das viele vorstellen. Um eine Sache zu streiten, ist völlig okay. Der Demokratie hilft der gegenwärtige Trend aber insgesamt nicht weiter, inhaltliche Fragen zu überdrehen und zu stark zu personalisieren. Das ist vielleicht für die Medien schön, bringt aber in der Regel die Sache nicht weiter.
Sie sind nicht beleidigt, wenn Sie Kulturbanause geschimpft werden?
Dorgerloh: Das darf man nicht so persönlich nehmen, wenn jemand derart über die Stränge schlägt. Man muss schon zwischen Amt und Person unterscheiden.
Dann kann der Dessauer Intendant André Bücker ja bleiben.
Dorgerloh: Das ist Sache der Stadt und muss vor Ort entschieden werden. Er hat ja auch einen Vertrag mit der Stadt. Da halte ich mich komplett raus.
(mz)
