1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Sicherungsverwahrung: Sicherungsverwahrung: Mehr Platz in der Zelle

Sicherungsverwahrung Sicherungsverwahrung: Mehr Platz in der Zelle

Von Kai Gauselmann 19.07.2012, 12:20

Burg/MZ. - Trist - selbst das Wort ist noch schöner als dieser Blick: Ein Streifen Rasen, die weißgraue sechs Meter hohe Mauer mit einer Rolle Stacheldraht obendrauf, karge Baumwipfel und ein grauer Sommerhimmel. Mehr sehen die 588 Männer nicht von der Welt, und das auch nur durch Gitter. Viele für einige Monate und Jahre, einige vielleicht für den Rest ihres Lebens. „Auch ein goldener Käfig bleibt ein Käfig“, sagt Thomas Wurzel. Der 54-Jährige ist der Leiter der Justizvollzugsanstalt Burg (Jerichower Land). Das erst drei Jahre alte Gefängnis hat 100 Millionen Euro gekostet. Das Land muss jetzt noch einmal gut 978 000 Euro investieren. Der goldene Käfig muss aufpoliert werden, die „schweren Jungs“ brauchen mehr Platz. Die Sicherungsverwahrten erhalten nun doppelt so große und besser ausgestattete Zellen.

Zu gefährlich für die Freiheit

Zwei Gerichte haben das Land in Zugzwang gebracht. Das Bundesverfassungsgericht hatte entschieden, dass sich Strafhaft und die Sicherungsverwahrung deutlicher voneinander unterscheiden müssen. Und das Oberlandesgericht Naumburg hatte geurteilt, dass unter anderem die Zellen mindestens 20 Quadratmeter groß sein müssen. 22 der Häftlinge in Burg sind Sicherungsverwahrte: Weil sie als so gefährlich gelten, dass die Gesellschaft vor ihnen geschützt werden muss. Die Sicherungsverwahrung schließt sich an die eigentliche Haftstrafe an, ist meistens unbefristet, bis der Betroffene als therapiert und ungefährlich gilt. Detlef R.s

Sicherungsverwahrung ist auf zehn Jahre bis 2018 begrenzt. Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, wenn man ihn so reden hört. Wegen drei Banküberfällen habe man ihn verurteilt. Auf Nachfrage räumt er ein, dass ein Bankkunde verletzt wurde. Auf nochmalige Nachfrage, dass der angeschossen wurde. „Aber nicht von mir, sondern meinem Tatgenossen“, sagt der 62-Jährige. Er gibt sich reumütig. „Ich habe schwerste Straftaten begangen, das weiß ich.“ Er wirkt eher harmlos mit seinem Walross-Bart, den kleinen Augen hinter der randlosen Brille, in Jogginghose und Sporthemd, das am Bauch spannt. „Jeder Tag ist wie der andere“, sagt R. „Ich unterhalte mich hier kaum mit den Beamten, die würden gerne mehr tun, dürfen aber nicht.“ Es fehle an Betreuern. Seine Zelle sei nicht das Problem. Eine Nasszelle, Tisch, Bett, Stühle, Bilder an der dottergelb gestrichen Wand, ein kleiner Fernseher, eine Playstation und eine Kaffeemaschine - R. ist ganz gut ausgerüstet. Zum Trakt gehören noch eine große Küche, Duschen und ein Freizeitraum mit Computer, großem Fernseher, Billardtisch - im Regal liegen Zeitungen und ein „Monopoly“ inklusive Spielgeld und der ebenso nutzlosen „Du-kommst-aus-dem-Gefängnis-frei“-Karte.

Allerdings hat R. eine von drei behindertengerechten Zellen: 18 Quadratmeter groß, die anderen haben nur elf Quadratmeter. Weil er Klaustrophobie habe, krankhafte Angst vor dem Eingesperrtsein - eher ungünstig für einen Häftling. Was man R. glauben kann, ist die Frage. Anstaltsleiter Wurzel klärt die strafrechtliche Seite auf: Demnach wurde R. unter anderem mehrfach wegen räuberischer Erpressung verurteilt und zuvor wegen sexuellen Kindesmissbrauchs. Er habe eine 15-jährige Haftstrafe plus Sicherungsverwahrung bekommen. Bis Jahresende muss R. umziehen, in eine JVA in Hessen. Er ist einer von zwei Sicherungsverwahrten aus Thüringen in Burg. Dazu kommen 14 Sachsen und sechs Sachsen-Anhalter. Die Sachsen ziehen um nach Bautzen. Und die Sachsen-Anhalter bekommen größere Zellen.

Neue Psychologen

Bis zum nächsten Sommer werden je zwei Zellen zusammengelegt, Wände durchbrochen und Metall- durch Holzmöbel ersetzt. Auch eine Dusche und eine Kochgelegenheit kommen hinzu. Statt 30 Zellen gibt es dann 18 - und dadurch keinen Platz mehr für Thüringer und Sachsen. Eine Lösung für alle mitteldeutschen Sicherungsverwahrten hätte laut Justizministerin Angela Kolb (SPD) eine zweistellige Millionensumme gekostet. Sie kündigt auch eine bessere Betreuung an. Künftig sollen sich acht Wärter sowie fünf Psychologen und Sozialpädagogen um die Sicherungsverwahrten kümmern. „Wir haben bei der Betreuung eine Entlassungsperspektive im Blick“, sagt Kolb. „Wir wollen den Leuten die Chance bieten, die Sicherungsverwahrung hinter sich zu lassen“, ergänzt Wurzel. Bessere Betreuung hin oder her, raus wollen aus der JVA Burg fast alle. Zumindest die Zweibeiner. Auf dem Anstaltsgelände leben auch zwei Hasen, die beim Bau mit eingemauert wurden. „Die freuen sich, dass der Fuchs sie hier nicht holen kann“, erzählt ein Wärter.