Sicherheit Sicherheit: Auf Kamerafahrt
Halle (Saale)/MZ. - Die Ampel leuchtete rot, als das Auto über die Kreuzung fuhr. Stefan Perlbach folgte dem Pkw mit dem Streifenwagen. Wenig später stoppte sein Kollege per "Kelle" den Fahrer. Perlbach stellte sich vor, bat um die Papiere - was man als Polizist so sagen muss bei einer nächtlichen Kontrolle. Perlbachs Kollege stand auf der anderen Seite des Autos, an der Beifahrertür. Der Ertappte hantierte im Dunkeln des Wagens. "Eine Waffe!", rief der Kollege, als er die Pistole in der Hand des Mannes erkannte. Die Beamten zogen ihrerseits die Waffen, der Fahrer wurde auf der "Motorhaube geparkt", gefesselt und festgenommen, so Perlbach. "Später stellte sich heraus, dass es eine Schreckschusspistole war. Der Mann dachte, wir sind falsche Polizisten."
Perlbach, stellvertretender Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, hätte es begrüßt, wenn der Einsatz auf Video festgehalten worden wäre. So, wie es in Sachsen-Anhalt möglich werden soll. Darauf haben sich CDU und SPD Ende voriger Woche in den Koalitionsverhandlungen geeinigt.
Forderung schon 2002 gestellt
Die Gewerkschaft der Polizei hatte bereits 2002 die Ausstattung von Streifenwagen mit Video-Anlagen gefordert. Hintergrund war eine Studie zur Gewalt gegen Polizisten, nachdem zwei Jahre zuvor acht Beamte im Dienst getötet worden waren, einige davon bei Verkehrskontrollen. "Die Aufnahmen schützen uns Polizisten", sagt Perlbach. Das Wissen, gefilmt zu werden, könne so manchen Aggressionsausbruch verhindern.
Darauf setzen auch andere Länder. So sind kamerabestückte Streifenwagen bereits in Nordrhein-Westfalen, Berlin und Brandenburg unterwegs. In Brandenburg hatte der damalige Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) 2009 erklärt, auf Videoaufnahmen zu setzen, um mögliche Angriffe auf Polizisten zu dokumentieren und zugleich deren korrektes Verhalten zu belegen. Eine Kamera wirke deeskalierend, sagte gestern Ministeriumssprecher Geert Piorkowski. Derzeit sind 106 Streifenwagen in Brandenburg mit Kameras ausgerüstet, weitere sollen folgen. "Ziel ist, schrittweise die gesamte Landespolizei umzustellen."
Die Beamten hätten die Pflicht, die Betroffenen zu Beginn einer Kontrolle auf die laufende Kamera hinzuweisen, so Piorkowski. Passiere nichts, würden die Daten automatisch nach spätestens 24 Stunden gelöscht. Nur wenn die Aufnahmen zur Beweissicherung benötigt würden, werde das Material gesichert. Anfangs habe es Bedenken der Beamten gegeben, die sich kontrolliert fühlten - "das hat sich aber gegeben", so Piorkowski. In Berlin sind seit dem vorigen Jahr kamerabestückte Streifenwagen im Einsatz, weitere werden damit ausgerüstet, so ein Polizeisprecher. In Nordrhein-Westfalen sind Streifenwagen bereis seit Ende 2003 mit Kameras ausgestattet.
Skepsis überwiegt
Skepsis gegenüber möglichen Einsatz-Mitschnitten überwog gestern bei Autofahrern in Halle, die sich zum Thema äußerten. Um die Datensicherheit macht sich Michael Schwämmlein Sorgen. Der 23-Jährige, der in Dresden Informatik studiert, sagte: "Es muss sichergestellt sein, dass die Aufnahmen nicht nach außen dringen." Er bezweifelt aber, dass dies möglich sei. Nadine Fischer (28) lehnt bewegte Bilder von einer Verkehrskontrolle rundweg ab: "Solche Aufnahmen sind mir einfach zu privat." Und Rentner Peter Chrost aus Halle hat ebenso Bedenken. "Das verletzt meine Persönlichkeitsrechte. Wenn so etwas gemacht wird, dann nur mit meiner Einwilligung."
Entspannter sieht indes die Leipzigerin Jana Bienert mögliche Video-Aufnahmen aus dem Streifenwagen. "Ich glaube, dass das mehr Sicherheit für die Polizisten bringt. Und mir selbst ist es egal". Man werde ja schließlich auch bei Tempokontrollen fotografiert.
Skeptisch sieht der Automobilclub ADAC die Pläne der CDU / SPD-Koalition. "Da sind ganz klare Regeln nötig, damit mit dem Material kein Schindluder betrieben werden kann", sagte Sprecherin Christine Rettig. Grundsätzliche Bedenken seien angebracht, wenn völlig unbescholtene Menschen gefilmt würden. Routine-Verkehrskontrollen mit der Aufforderung "zeigen Sie doch mal Warndreieck und Sani-Kasten" wären so ein Fall.
Holger Stahlknecht, Innenexperte der CDU in Sachsen-Anhalt und designierter Innenminister, hat derweil seine Aussagen vom vergangenen Freitag relativiert: Er wolle nicht, dass künftig alle Streifenwagen im Land mit Kameras ausgerüstet sind und "alles und jeden filmen". Es gehe darum, die Videotechnik gezielt in gefährlichen Situationen einzusetzen - etwa bei nächtlichen Kontrollen.